Robert Randolph (links) im Gespräch mit Moderator Hannes Hug. zvg

Das Festival mit gewissem Extra

Das Blue Balls Festival ist die Symbiose einer Kunstveranstaltung und eines Musikfestivals. Die ZS-Reporterin, die sich feuchfröhliche, dreckige Openairs gewohnt ist, bleibt ratlos zurück. Und ist doch beeindruckt.

31. Juli 2012

Bisher bedeuteten für mich als Musikliebhaberin Openairs immer lange Schlangen, dreckige Klos, Schlamm und verschwitzte Menschenmengen.

Dieses Jahr sollte alles anders sein, ich wollte bewusst etwas anderes erleben und besuchte das Blue Ball Festival, das neben guten Musikacts ein innovativer Kunstanlass ist.

Plauderstündchen mit den Stars

Das Festivals möchte durch Nähe zu den Stars Berührungsängste abbauen. «Meet the Artists» macht es möglich, die Stars in einem ungezwungenen Schwätzchen etwas näher kennen zu lernen. Die Stimmung ist entspannt. Einige sitzen champagnernippend in der Lounge, andere unterhalten sich in Gruppen an Stehtischen über etwas intellektuell Hochstehendes. Die Talkshow dauert eine Stunde und bietet pro Star jeweils ein 15-minütiges Interview.

Die Stars plaudern frei von der Leber und bieten so die Möglichkeit eine neue Seite von sich zu zeigen: Kyla la Grange, die Newcomerin aus London und Blue Balls Face 2012, hat einen Hund namens Coca Cola und träumte als Kind von einer Einhornwelt. Robert Randolph verpasst als überzeugter Kirchgänger keine Sonntagspredigt, da er sich sonst eine Moralpredigt von seiner Grossmutter anhören muss. Der Bluesstar Henrik Freischlader wünscht sich eine Katze und war einmal heimlicher Hip Hop Liebhaber.

Aufruf zur Selbstentfaltung

Von den malenden Jungkünstlern erfahren die Besucher weniger Persönliches, dafür sind sie hautnah dabei, wenn diese ihre Kunstwerke gestalten. Unter dem Motto: «Wir kreieren Festival», wird die Masse auch dieses Jahr zur Selbstentfaltung aufgerufen.

Eine leere Leinwand, eine Jungkünstlerin und 90 Minuten Zeit, das ist Kunst am See.

Gerade verzückt Casiegraphics (Stephanie Haslerberger) das Publikum mit ihren malerischen Künsten. Die gebürtige Berlinerin mit der grossen Brille beweist, dass sie ihr Gebiet auch unter Zeitdruck beherrscht. Während im Innern zwei Konzerte über die Bühne gehen, bringt Casiegraphics ihr zuvor vorbereitetes Konstrukt auf die Leinwand. Das Publikum starrt gebannt auf die grosse weisse Fläche.

Jeder Pinselstrich wirkt geplant. Die Bewegung sind flüssig. Ein Strich folgt nahtlos auf den anderen. Die Zeit sehr knapp berechnet. Zunächst ist es ungewohnt vor einer Bühne zu stehen, auf der scheinbar nichts geschieht. Doch je weiter die Zeit fortschreitet, desto nervöser wird die Stimmung im Publikum. Die Bewegungen und Pinselstriche geschehen in noch höherer Frequenz und nicht mehr ganz so geschmeidig.

Innert 90 Minuten hatte Casiegraphics aus der einst leeren Leinwand ein Kunstwerk erschaffen. Ein Vogel der seinen Kopf aus einer farbigen Wolkenpracht steckt und frech auf die Welt runterschaut – Tiere gehören zum Lieblingsmotiv der jungen Berlinerin.

Auf die Frage, ob sie mit ihrem Kunstwerk zufrieden sei, meint die Künstlerin, es sei zwar ein ziemlicher Stress gewesen und das Setting war etwas ungewohnt, doch mit dem Resultat sei sie ganz zufrieden. Das Bild ist ein echter Hingucker und mit Sicherheit ist es ihr gelungen, viele neue Fans an Land zu ziehen.

Musikfestival mit ohne Mackel?

Das Blue Balls besitzt durchaus seinen eigenen Reiz, der auch dem attraktiven Standort geschuldet ist. Hier wird in gepflegter Weise abgerockt. Man läuft nicht Gefahr aus Versehen den Weg eines verschwitzen Headbangers zu kreuzen oder mit dem Bier eines jolenden Lölis nassgespritzt zu werden.

Es ist das erste Mal, dass ich, kaum zu Hause ankommen, nicht gleich als erstes meine Converse in die Waschmaschine knallen muss. Denn nach dem heutigen Anlass sind sie noch genauso sauber wie vor Ankunft.

Doch ist es nicht so, dass ein Musikfestival eben nur ein Musikfestival ist, wenn all die kleinen Makel wie langes Anstehen, schmutzige Toiletten, Sonnenbrand, Bierflecken und schweissige Menschenmengen, dazu gehören?