Zum Schluss gab's Geschenke. Am Mittwoch war die letzte Sitzung für Martin Roeck als StuRa-Präsident. Pascal Ritter

Zwei Neue und ein alter Streit

Der StuRa wählte ein neues Präsidium. Statt gegeneinander anzutreten, liessen sich Bettina Leibundgut und Tobias Hensel still als Zweierticket wählen. Der Rat segnete zudem definitiv die VSUZH-Statuten ab. Nicht ohne sich vorher noch einmal darüber zu streiten.

24. Mai 2012

Sichtlich gelöst nippt Ex-Studierendenrats-Präsident Martin Roeck an seinem Feierabendbier. Es ist kurz vor Mitternacht auf dem Irchel-Campus. Bis er sich die lateinische Vorsilbe vor dem Titel seines eineinhalb Jahre lang ausgeführten Amtes verdient hatte, war es ein mühsamer Weg. Aber ein erfolgreicher. Der StuRa verabschiedete gestern Mittwoch definitiv die Statuten der neu zu gründenden verfassten Studierendenschaft VSUZH (Verband der Studierenden der Uni Zürich).

Dass es an diesem Mittwochabend soweit kommen würde, war lange unklar. Ein letzter strittiger Antrag blockierte lange Zeit die Abstimmung. Aber dazu später.

Martin Roeck prostet seinen Nachfolgern zu. Halb ironisch, halb ernst gemeint sagte er: «Ich weiss nicht, warum ihr euch das antut.» Seine letzte Sitzung eröffnete Roeck mit einer kleinen Rede, in der er seine Amtszeit als erfolgreich bilanzierte und auf die vielen unermüdlichen Schafferinnen und Schaffer hinwies, die an der Verwirklichung des Projektes VSUZH beteiligt waren. Der VSUZH sei aber nicht nur ein Projekt des Präsidenten, des StuRa-Büros und des Rates. Vielmehr werde die verfasste Studierendenschaft in Zukunft für alle stehen: «Für die Fachvereine, für die Zürcher Studierendenzeitung, für den Bündnerclup, einfach für alle Studierenden.» Der Apell zur Einigkeit klang nach klassischem Präsidenten-Jargon; der weitere Verlauf des Abends zeigte aber, dass diese Einigkeit alles andere als selbstverständlich ist. Aber dazu wie gesagt später.

Er oder sie? Beide!

Zunächst galt es diejenige oder denjenigen zu bestimmen, der oder die den StuRa weiter in Richtung VSUZH führt. Der Rat hatte die Wahl zwischen einer Studentin und einem Studenten, zwischen einer Physikerin und einem Politologen, zwischen einer Solothurnerin und einem Niedersachsen, zwischen Bettina Leibundgut und Tobias Hensel.

Bettina Leibundgut ist 19 Jahre alt, studiert im zweiten Semester Physik und ist Mitglied der Fraktion Kritische Politik (KriPo). Sie engagiert sich seit Anfang dieses Jahres im StuRa-Büro. Tobias Hensel hat fünf Jahre und vier Semester mehr auf dem Buckel, studiert Populäre Kulturen, Geschichte der Neuzeit und Politikwissenschaft. Er ist Mitglied des Fachvereins Politikwissenschaft (Polito), auf dessen Liste er in den StuRa gewählt wurde.

Zu einer Wahl kam es in diesem Fall nicht. Denn ein Traktandum vorher entschied sich der Rat, neu Ko-Präsidien zuzulassen. In einer kurzen Pause besprachen sich die beiden ein letztes Mal und kandidierten schliesslich als Zweierticket. Damit wurde die Wahl hinfällig. Wie sich die beiden die Arbeit aufteilen werden, müssen sie noch ausdiskutieren. Nur soviel zeichnet sich schon ab: Tobias wird den Rat gegen Aussen repräsentieren, während Bettina im Umgang mit der Uni und dem StuRa den Ton angibt.

Keine Merkel aber ein Deutscher

In einer ersten Reaktion auf die Wahl betonte Bettina die Vorteile der Co-Präsidenteschaft. Weil sie sich erst mit ihrem Kollegen, beziehungsweise er sich mit ihr, besprechen müsse, werde das Präsidium bedachter und differenzierter handeln. Dass sie als Physik-Studentin die Geschicke des Rates anders leiten werde als ihre Vorgänger, die fast ausschliesslich der Philosophischen Fakultät angehörten, glaubt sie nicht. Den Vergleich mit der Fachkollegin und Bundeskanzlerin Angela Merkel findet sie «sehr unpassend», nicht nur, weil sie als Mitglied der Jungsozialisten politisch eine ganz andere Richtung vertritt.

Co-Präsident Tobias will den «erfolgreichen Weg von Martin Roeck» weitergehen, die Medienarbeit wolle er aber verbessern. Dass er schon das dritte deutsche Präsidiumsmitglied in Folge ist, spielt für ihn keine Rolle. Er sieht auch keinen Grund, seiner Heimat im hohen Norden abzuschwören, nur weil er zum höchsten Studierendenvertreter einer Schweizer Universität gewählt wurde. Darum ist er auch weiterhin Mitglied der deutschen Grünen. Seinen Bachelor verschiebt er in seiner Studienplanung um ein Jahr, damit er den künftigen Aufgaben gerecht werden könne.

Beide freuen sich gerade im historischen Moment kurz vor Gründung des VSUZH das Amt antreten zu dürfen. Eine Übergangsregelung besagt, dass sie das erste Präsidium dieses neuen Verbandes übernehmen, bis im Mai 2013 zum ersten Mal eine VSUZH-Wahl stattfindet und im gleichen Sommer der StuRa definitiv verschwindet.

VSUZH-Mitgliedschaft kostet 12 Franken

Der StuRa legte in der Sitzung den Mitgliederbeitrag für den VSUZH nach einer kurzen Debatte – die Beträge 9.90, 10.-, 12.-, 12.50 und 14 Franken wurden mit wissenschaftlichen Inputs aus allen Fachrichtungen diskutiert – auf 12 Franken fest. Im Anschluss ging es noch einmal um die Statuten des Verbandes, der noch diesen Sommer formell gegründet werden soll.

Der Rat hatte die Statuten des VSUZH bereits am 4. April verabschiedet und der Universitätsleitung übergeben. Nun galt es, über kleinere Änderungswünsche der Unileitung abzustimmen und sie der Erweiterten Universitätsleitung und letztlich dem Universitätsrat zur finalen Genehmigung vorzulegen.

Zuerst sah es danach aus, als müssten nur einige Detailänderungen verabschiedet werden, die von der Unileitung eingebracht worden waren. Doch es gab noch einen Punkt, der zu hitzigen Diskussionen und einer Sitzungsverlängerung führte.

Hitzige Debatte um Sponsoring des VSUZH

Es ging um die Frage, ob der VSUZH sich künftig sponsern lassen dürfe oder nicht. Der mit der bisherigen Gründungsgeschichte des VSUZH wenig vertraute Beobachter traute seinen Ohren nicht. Während die eher wirtschaftsskeptische Ratslinke sich für eine Lockerung des Sponsoringverbots einsetzte, votierte der durchgesponserte Fachverein der Juristen (FV Jus) für einen «Verzicht auf das Einwerben von Sponsoring-Beiträgen während der ersten drei Jahre nach der Errichtung des VSUZH». So lautet nämlich Paragraph 66 der Allgemeinen Geschäftsordnung des StuRas (AGO).

Ein Blick in die Vorgeschichte lässt erkennen, wieso gerade der FV Jus sich gegen Sponsoring einsetzt. Als es noch darum ging, ob der StuRa sich überhaupt für eine verfasste Studierendenschaft einsetzen sollte, waren die Fachvereine der Juristen und Ökonomen skeptisch. Neben anderen Bedenken fürchteten sie, dass der VSUZH für sie zur Konkurrenz werde. Weil sich die besagten Fachvereine zu einem grossen Teil über Sponsorengelder finanzieren, bangten sie um ihre Existenz, falls der VSUZH künftig ihre Sponsoren abwerben würde.

Aus Rücksicht auf diese Bedenken schrieb der Rat darum in seiner Geschäftsordnung fest, dass der VSUZH während einer Übergangszeit von drei Jahren auf Sponsorengelder verzichte. Die Dienstleistungskommission (DLK), die sich um künftige Aktivitäten des VSUZH kümmert, realisierte nun aber, dass es ohne Drittmittel nicht gehe. Darum stellte sie den Antrag auf Streichung des besagten Sponsoring-Moratoriums.

Darauf reagierte Moritz Schmid vom FV Jus mit dem Antrag, das Sponsoring-Moratorium in die Statuten des VSUZH aufzunehmen. Bereits im Vorfeld der StuRa-Sitzung entbrannte eine hitzige Debatte, die nun im Rat fortgesetzt wurde. Eine grosse Mehrheit wollte das Sponsoring-Moratorium nicht in den Statuten des VSUZH festschreiben. Allenfalls könne man diesen Punkt in den noch auszuarbeitenden Reglementen klären, waren viele der Meinung.

Der Fachverein Jus beharrte auf seiner Position. Seine Mitglieder verwiesen auf einen Vertrag, der während der Debatte um die Errichtung des VSUZH zwischen den Präsidien der Fachvereine und einigen StuRa-Fraktionen geschlossen worden sei. In diesem Vertrag, den sie schliesslich während der Debatte der Geschäftsprüfungskommission vorlegten, sei vereinbart worden, dass sich die Fachvereine nur für den VSUZH einsetzten, wenn für denselben künftig ein Sponsoring-Moratorium von drei Jahren gelte.

Ob dieser Vertrag rechtskräftig ist, war im Rat gestern sehr umstritten. «Verträge seien einzuhalten», argumentierte Alessandro Minuscoli vom FV Jus. Ihre Fraktion habe den Vertrag damals gar nicht unterzeichnet, entgegnete Sonja Buchmann von der Fraktion Skalp. Monika Egli vom FV Ökonomie bestätigte, dass sie den Vertrag damals unterschrieben habe, betonte aber, dass es nun wichtiger sei, die Statuten gemeinsam zu verabschieden. Die Geschäftsprüfungskommission klärt nun ab, ob der Vertrag gültig ist und welche Konsequenzen das hätte.

VSUZH-Statuten definitiv verabschiedet

In einer ausserordentlichen Pause versuchten die Dienstleistungskommission (DLK) und der FV Jus erfolglos, eine Kompromisslösung zu finden. Dann wurde abgestimmt. Der Rat strich mit klarer Mehrheit das Sponsoring-Moratorium aus der Geschäftsordnung und lehnte den Antrag ab, ein solches in den Statuten des VSUZH festzuschreiben.

Nach dieser letzten Debatte konnte der Rat über das Gesamtpaket der VSUZH-Statuten abstimmen. Sie wurden mit grosser Mehrheit gutgeheissen. Das Ziel einer einstimmigen Verabschiedung wurde aber verfehlt. Nach dem Scheitern ihres Änderungsantrags votierte der FV Jus schliesslich gegen die Statuten.

Für Ex-StuRa-Präsident Martin werfen diese Nein-Stimmen keinen Schatten auf die Zukunft des VSUZH. Konflikte habe es während der ganzen Entwicklungszeit des Projektes immer gegeben. Für ihn überwiegt das positive Gefühl, etwas Historisches vollbracht zu haben. Nun wolle er sich aber erst einmal «wie eine Schildkröte» zurückziehen und einen Bericht schreiben. Die Nachfolger sollen so von seinen Erfahrungen profitieren.

Ko-Präsidium als Burnout-Prophylaxe

Martin ist erleichtert, dass er es hinter sich hat. Seine Vorgängerin hätte sich am Ende ihrer Amtszeit selber ein Burnout diagnostiziert, sagte er in seiner Einleitung zur StuRa-Sitzung. Ihm gehe es nun ähnlich: «Ich bin hinüber und will nur noch weg.» Die Aufgaben, die auf einem StuRa-Präsidenten lasten, seien enorm.

Bettina und Tobias stossen auf die neue Präsidentschaft an. Sie schauen gelassen in die Zukunft. Künftig wird die Last auf vier, statt auf zwei Schultern verteilt sein.