Der Flyer der Veranstaltung.

Mehr Menschlichkeit in der Migrationspolitik, aber wie?

An einer von Studierenden organisierten Podiumsdiskussion zum Thema Migration erfuhr man viel über die verfahrene Situation im Asylbereich. Doch die Titelfrage wurde nicht geklärt: Wie weiter?

23. März 2012

Gestern Abend zogen sich die Diskussionen aus dem Hörsaal an der Uni Zürich hinaus auf die Strasse und in die Bars und das ist gut so. Denn der Abend war diskussionswürdigen Themen gewidmet: Migration und Menschlichkeit.

Wenn Bettwiler jubeln, was dann?

Nach einer langen Einführung lancierte Kaspar Surber (WOZ) endlich die Podiumsdiskussion mit der Frage, ob die derzeitigen Probleme um die Asylsuchenden hausgemacht, oder von Ausserhalb bestimmt sind. Denn darüber waren sich alle Teilnehmer der Runde einig; die Situation hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert – zu ungunsten der Schutzsuchenden. Der volle Saal spiegelte die Dringlichkeit zu diskutieren was passiert ist, dass Bettwiler jubeln, weil sie kein Asylheim bekommen und vor allem wie weiter?

Blocher und das Anti-Gutmenschentum

Philip Haas, der den abwesenden Direktor des Bundesamts für Migration (BFM) Mario Gattiker vertrat, sah ein Problem, in der Polarisierung der Politik. Das BFM sei jedoch in erster Linie an einem «common sense», einer Mitte, interessiert. Mehr Position bezog Haas den Rest des Abends nicht, sondern verschanzte sich hinter der Rolle des ausführenden Beamten ohne Entscheidungsgewalt.

Beat Meiner, Generalsekretär der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, machte den SVP Strategen Christoph Blocher für die strukturellen Probleme verantwortlich: «Herr Blocher hat zufällig ein paar Jahre mit weniger Flüchtlingen im Land erlebt und glaubte, es sollten ab da immer nur 10 000 bleiben.» Dem Grünen Nationalrat Balthasar Glättli war diese Antwort zu einfach, zumal auch Blochers Nachfolgerinnen nichts an der Situation geändert hätten. Gesellschaftliche Tendenzen, wie die kollektive Verbannung ethischer Werte in die Schublade des «Gutmenschentums» und die mangelnde Anerkennung der Asylsuchenden als Menschen sind für den Grünen Mitverursacher der heutigen Lage. Auch Rolf Zopfi von der Menschenrechtsorganisation augenauf bemängelt das fehlende Bewusstsein darüber, wie diese Menschen hierher gekommen sind und wie diese von der Schweiz behandelt werden.

Das Nothilfessystem muss abgeschafft werden

Schliesslich kam Saidu Bah, ein Sans-Papier, der seit Jahren in der Schweiz lebt, zu Wort. Er hat die verstärkte Illegalisierung der Papierlosen miterlebt, die mit dem revidierten Asylgesetz 2008 Realität wurde. Seine Forderung war klar: das Nothilferegime soll abgeschafft werden. Dass dieses System nicht funktioniert, bestätigten auch Zopfi, Meiner und Glättli. Klar wurde auch, dass die Asylverfahren schneller laufen sollten. Darüber, wie dies umgesetzt werden soll, konnten die Diskussionsteilnehmer jedoch keine Auskunft geben.

Auch die längerfristige Entwicklung im Asylwesen wurde zwar diskutiert, doch die Aussichten schienen trübe. Zopfi plädierte für eine Richtungsänderung hin zu mehr Migration aus Drittstaaten und für die kollektive Regularisierung der Sans-Papiers. Auch Glättli sprach sich für eine Regularisierung aus. Er fürchtet jedoch Folgen wie Lohndumping, bei einer Liberalisierung in der Migrationspolitik. Realpolitisch, auch darüber war man sich einig, sind beide Perspektiven derzeit kaum diskutabel.

Mehr Menschen statt Flüchtlinge

Zum Schluss betonten die Herren auf dem Podium, dass das Asyl dazu geschaffen wurde, Leuten die Schutz brauchen, Schutz zu gewähren. Die aktuelle Debatte lässt diesen Grundgedanken hinter dem Asyl allzu oft vermissen. Auch das Publikum votierte für mehr Engagement der Zivilgesellschaft, für mehr Bewusstsein aber auch für eine Änderung der Debatte; denn dass hinter den «Ausländern», «Migranten» und «Flüchtlingen» wieder die Menschen in Erscheinung treten, ist der einzige Ausgangspunkt von dem aus eine menschenwürdige Politik gemacht werden könnte.

Es gab wenig Neues und leider wenig Aussichtsreiches zu hören, aber das Interesse war gross und es wurde über die Uni hinaus diskutiert. Das war ein Erfolg, fanden die Veranstaltenden, von aki (Katholische Hochschulgemeinde) und der kriPo (Kritische Politik an der Uni Zürich). Das ist es fast immer, solange Menschen über Menschen reden, ob in der Politik, an der Uni oder in der Bar.