Studiproteste

Historische Persönlichkeiten äussern sich zu Studiums-Sorgen. Dieses Mal: Rudi Dutschke.

25. November 2009

Rundum wehren sich die Studenten. In der Schweiz fast gar nicht. Eigentlich wäre Gewalt die einzige Lösung, denn die Dringlichkeit, in einer Widerstandsbewegung Gewalt anzuwenden, verhält sich umgekehrt proportional zur Grösse der widerständischen Masse. Diese ist – und dies gar erst in Potenz – in Zürich wohl eher knapp bemessen. Eigentlich sollten wir also alles kurz und klein schlagen! Hier sollten flammende Schlachtrufe zu lesen sein, die die Studenten zu den Waffen bitten. Ich werde es lassen.

Zum einen ist es wohl nicht erlaubt und für eine scheiss Kolumne mögliche Sanktionen in Kauf zu nehmen, wäre doch scheiss unpragmatisch. Zum andern entspricht der kategorische Pazifist eher dem Zeitgeist, was sich generell immer lohnt.

«Was ist denn nun zu tun gegen all die Missstände an unserer Uni?», frage ich den Zeitgeist. Dieser überlegt nur kurz und erwidert in belehrendem Ton: «Geh in den StuRa und setz dich für deine Rechte ein.» – «...du verwöhnter Zürcher Student!», wirft er noch hinterher. Diesen Rat zu befolgen wäre ja scheiss unpragmatisch. Ich werde es lassen.

Und was nun? – Ich schreibe eine Kolumne, die zwar links ist, aber nicht kommunistisch, widerständisch, aber gegen Gewalt, Anspruch auf clevere Aussagen erhebt, aber einfach zu lesen ist, manchmal das Wort «scheiss» enthält, aber stets anständig bleibt, etwas bemängelt, aber dem Zeitgeist entspricht. Es ist pragmatisch, dem Zeitgeist zu entsprechen und es ist dem Zeitgeist entsprechend, pragmatisch zu sein! Tue es mir also gleich, leiste etwas Widerstand und sei dabei friedlich, unterhaltsam, anständig und zeitgemäss. Wiederhole es jeden Morgen, immer und immer und immer wieder – bis es fast gar nicht mehr wehtut.