Stefan H. spielt im Internet mit einem Stundenlohn von 100 Franken. Lukas Messmer

Stefan H.*

Pokerspieler

14. Februar 2009

Im letzten Monat habe ich 30’000 Franken verloren. Das waren vier harte Wochen. Aber Poker ist nun mal kurzfristig gesehen ein Glücksspiel und so etwas muss ich ertragen können. Ich verdiene mit Poker meinen Lebensunterhalt. Zusammen mit der Uni kann das sehr anstrengend sein, das Studium nimmt viel Zeit in Anspruch. Dafür pokere ich dann während den Semesterferien mehr, ungefähr 30 bis 40 Stunden pro Woche. Im Internet spiele ich hauptsächlich Cashgame, am liebsten Fixed Limit Hold ’Em. Da kaufe ich mich für 600 bis 1500 Franken ins Spiel ein, je nach Limit. So komme ich auf einen Stundenlohn von ungefähr 100 Franken – das ist schon lukrativ! Ich spiele auch viele Turniere, damit habe ich bis jetzt am meisten Geld verdient. 70’000 Franken waren mein grösster Turniergewinn, dafür habe ich 300 Franken Startgebühr bezahlt. Poker ist kein unfaires Spiel. Solange die Leute freiwillig spielen, sind sie selber schuld, wenn sie Geld verlieren. Schliesslich leben gute Pokerspieler davon, dass es schlechte Spieler gibt. Vor allem meine Eltern hatten zu Beginn keine Freude an meinem risikoreichen Nebenjob. Natürlich falle ich ihnen finanziell nicht zur Last. Sie bezahlen mir noch Krankenkasse, Semestergebühren und Versicherung, den Rest berappe ich selbst. Aber bis heute sind sie skeptisch – auch wegen der Suchtgefahr.

Wie definiert man eine Sucht? Wenn ich mich mit Personen vergleiche, die sich im Casino an Automaten klammern, dann fühle ich mich nicht wirklich süchtig. Ich glaube, mit Online-Poker aufzuhören, wäre kein Problem. Auf das Pokern mit Freunden könnte ich nur schwer verzichen, dazu ich spiele einfach gerne. Wenn ich nach Hause komme, spiele ich immer gerne einige Runden. Zu einem gewissen Grad bin ich sicher süchtig. Finanziell bin ich gut abgesichert, mein Leben ist auf jeden Fall angenehmer geworden. Es lastet kein Druck auf mir, mein Geographie-Studium zügig abzuschliessen, um später Geld zu verdienen. Ich leiste mir auch mehr. Für ein gutes Essen mit Freunden gebe ich gerne etwas aus. Später will ich einen Job bei dem ich – sofern möglich – nur 70 oder 80 Prozent arbeiten muss. Stellen im Umweltbereich oder in der Entwicklungshilfe reizen mich. Die restlichen 20 bis 30 Prozent meiner Arbeitszeit könnte ich pokern. Bis jetzt habe ich keinen Rappen fürs Pokern ausgegeben, sondern nur gewonnen. Falle ich ins Minus, will ich aufhören. Ich hoffe, ich könnte das dann auch. *Stefan H. ist im Internet unter dem Pseudonym «Yrrsin» anzutreffen.