Proteine im Blickfeld des Besuchers. Lukas Messmer

Die Handwerker in uns drin

Proteine sind die Arbeiter unseres Körpers. Bioinformatiker machen sie fürs menschliche Auge sichtbar. Ein Besuch in einer verborgenen Welt.

27. Oktober 2008

Was sind eigentlich Proteine? Im Volksmund werden Proteine auch Eiweisse genannt und meist spontan mit Muskeln oder Ernährung in Verbindung gebracht. Das kommt daher, dass das erste bekannte Protein aus dem Weiss des Eis gewonnen wurde. Man nannte es in treffender Weise Albumium (von lat. albus, weiss). Dieses eine Molekül ist aber nur ein ganz kleiner Teil von dem, was die Welt der Proteine ausmacht.

Hitzeempfindliche Alleskönner

Proteine sind viel mehr. Sie sind an allen Vorgängen des Lebens beteiligt und wirken in erster Linie als kleine Handwerker innerhalb der Zellen. Dort machen Proteine alles, was in einer Zelle so getan werden muss. Sie bauen und verändern, erkennen Signalstoffe und transportieren verschiedenste Moleküle. Proteine, wie zum Beispiel Kollagene, können zudem die Zellstruktur vorgeben und sind verantwortlich für den Knochenbau oder die Hautelastizität. Selbst Haare und Nägel bestehen aus dicht verflochtenen Proteinen. In einem Menschen gibt es 20’325 bekannte verschiedene Proteinarten, die ihn ausmachen und am Leben erhalten. Bei dieser Vielfältigkeit erstaunt es nicht, dass diese kleinen Alleskönner auch in der Industrie eingesetzt werden. Als Zusatzstoffe in Kosmetika zum Beispiel oder als Enzyme in Waschmitteln.

Ihre Struktur ist vergleichbar mit der einer Perlenkette. Aneinandergereihte Aminosäuren ergeben die Grundstruktur eines Proteins. Diese Kette wird dann einige Male gefaltet, bis sie eine stabile Knäuel-Form erhält, das fertige Protein. Diese dreidimensionale Form kann leicht durch Hitze zerstört werden, dem natürlichen Feind eines jeden Proteins. Das lässt sich am leichtesten am Eiweiss veranschaulichen. In roher Form ist es flüssig und enthält viele Proteine. Kocht man es, werden die einzelnen Proteinketten auseinandergefaltet und verhaken sich zu einem Klumpen, das Ei wird hart.

Alkoholdehydrogenase sorgt für Kater

Proteine sind Gegenstand intensivster Forschung, denn dadurch lassen sich wichtige Fragen des Lebens klären. Wie funktionieren Organismen? Wie ist Leben entstanden? Wie kann man Proteine medizinisch nutzbar machen? Und warum haben wir nach einer durchzechten Nacht einen Kater? Vor allem die letzte Frage dürfte jeden interessieren. Deshalb wird sie an dieser Stelle beantwortet, auch damit am Mensatisch keine falschen Gerüchte entstehen. In der Leber wird Alkohol von einem Protein, der Alkoholdehydrogenase, abgebaut. Dabei wird ein Zwischenprodukt frei, welches sogar noch giftiger ist als Alkohol selbst. Kann dieses nicht schnell genug abgebaut werden, gelangt es in den Körper, wo es Kopfschmerzen und Übelkeit verursacht.

Proteine sind allerdings so klein, dass sie auch mit dem stärksten Mikroskop nicht zu erkennen sind. Dieser Umstand macht die Erkennung und Erforschung schwierig. Zuständig für das Darstellen von solch kleinen Molekülen ist der junge Wissenschaftszweig der Bioinformatik. Bioinformatiker benutzen die Daten biophysikalischer Analysen und errechnen computergestützt die dreidimensionale Struktur des Proteins. Aus dessen Form wird dann versucht, weitere Schlüsse auf die Funktion zu ziehen.

Der Bioinformatik kommt aber nicht nur bei der Analyse von Proteinen enorme Bedeutung zu, sondern vor allem auch bei der Sequenzierung des menschlichen Genoms und dessen Analyse. Dieser Bauplan des Lebens enthält nämlich auch sämtliche Informationen über den Aufbau der Proteine und ist fundamental wichtig für die Proteinforschung.

Unlängst hat das Swiss Institute of Bioinformatics (SIB) anlässlich seines zehnjährigen Bestehens eine Ausstellung organisiert: «Proteine – unsichtbare Schönheiten». Auf farbigen Plakaten zeigte das SIB die dreidimensinalen Strukturen der Proteine. Zugegeben, die Ausstellung im Lichthof CHN-Gebäudes war klein, wenn auch nicht ganz so klein wie Proteine. Aber sie war lehrreich und gab einen Einblick in eine Welt, die uns sonst verborgen bleibt. Und sie könnte einigen der Molekularbiologie unkundigen Besuchern die Augen für die kleinen Dinge des Lebens geöffnet haben.

Datenbanken gratis im Netz

Das SIB ist eines der weltweit führenden Institute auf dem Gebiet der Bioinformatik. Rechtzeitig zum Jubiläum veröffentlichte das SIB, erstmals überhaupt, eine Liste mit allen bekannten Humanproteinen. Damit konnte das Institut einen Meilenstein der Forschungsgeschichte setzen. Seine Datenbanken werden rege von Forschern aus aller Welt als Ressourcen genutzt. Denn diese können online abgerufen werden und ermöglichen einen schnellen und effizienten Informationsaustausch. Und obwohl damit sehr viel Geld gemacht werden könnte, betreibt und ergänzt das SIB diese Datenbanken gebührenfrei. Über 300 Forscher von verschiedenen Instituten und allen grossen Universitäten der Schweiz sind am Projekt beteiligt. Denn für den wissenschaftlichen Fortschritt ist es zentral, dass solche Daten frei und einfach zugänglich sind. Spitzenforschung hat natürlich auch ihren Preis. Rund 40 Prozent des 18 Millionen Franken Budgets übernehmen die Schweizer Regierung und der Nationalfonds. Den Rest steuern die Europäische Union, das National Institutes of Health in den USA und die Industrie bei. Anders als (UBS-)Aktien ist dies eine sinnvolle und sichere Investition in die Zukunft.