Spricht hier eine zukünftige Bundesrätin? Lukas Messmer

«Wir haben ein Kommunikationsproblem.»

Sylvie Michel* präsidiert neu den StuRa. Sie fordert billige Wohnungen, mag Wahlkämpfe und schliesst eine Zukunft als Bundesrätin nicht aus.

19. Mai 2008

Sylvie, du bist seit dem 1. Mai als StuRa-Präsidentin im Amt. Hat die Germanisierung der Uni inzwischen die Grenze des Erträglichen erreicht? — Auf diese Frage muss ich nun wirklich nicht eingehen.

Damit können wir leben. Dafür wollten wir das Interview eigentlich auf Hochdeutsch führen. Geht das in Ordnung oder ist dir das zu anstrengend?

— Obwohl ich nichts gegen Hochdeutsch habe, würde ich das Interview doch lieber auf Mundart führen.

Wie du willst. Sylvie, der StuRa wird jeweils von knapp zehn Prozent der Studierenden gewählt. Kannst du die anderen 90 Prozent verstehen? — Ja, denn der StuRa war lange Zeit wenig sichtbar. Vielen ist gar nicht klar, was wir eigentlich erreichen. An der letzten Summerbar beispielsweise nahmen die Studierenden gar nicht wahr, dass wir das Ganze organisierten. Wir haben ein Kommunikationsproblem.

Wie wollt ihr das Problem lösen? — Wir werden eine neue Homepage aufschalten und auf den Screens in der Uni auf uns aufmerksam machen. Wir verpassen dem StuRa ein einheitliches Corporate Design. Seit diesem Jahr verschicken wir regelmässig Newsletter. Wir haben gleich eine Umfrage gestartet, in der die Studierenden Verbesserungsvorschläge für die Mensa anbringen konnten und erhielten viele Reaktionen. Die eingegangenen Vorschläge versuchen wir nun umzusetzen. Im nächsten Wahlkampf will ich zudem verstärkt darauf hinweisen, dass man sich nicht nur für StuRa-Sitze, sondern auch für Kommissionsplätze bewerben kann.

Kommunikation macht nur Sinn, wenn man etwas kommunizieren kann. Was wäre heute anders, wenn der StuRa vor einem Jahr abgeschafft worden wäre? — Es gäbe keine studentischen Vertretungen in den Kommissionen. In diesen Gremien können wir ziemlich viel bewirken. Beispielsweise gibt es seit Neustem am Abend ein vegetarisches Menü in der Mensa. Das ist unseren Vertretern in der Mensakommission zu verdanken. Auch an der Evaluation des Pendelfensters nach Oerlikon sind wir beteiligt. Wir machen Druck, dass sie überhaupt stattfindet und nach der Verlängerung des Trams Nr. 10 der Pendelbus nicht abgeschafft wird. Ausserdem würden natürlich weder die Summerbar noch die EM-Übertragungen statt finden, welches beide populäre Events sind.

EM-Übertragungen und vegetarische Menüs mögen ja einigen Studierenden gefallen. Aber was sind die grossen Themen, die ihr anpacken wollt? — Da wäre einmal die Wohnungspolitik. In Zürich fehlen rund 2500 Wohneinheiten im unteren Preisbereich für finanzschwache Studierende. Zweitens streben wir erneut eine verfasste Studierendenschaft an, welche sich aus Beiträgen der Studierenden finanziert. Damit können wir wieder Dienstleistungen wie kostenlose Studien- und Rechtsberatung anbieten sowie kulturelle Anlässe für die Studierenden organisieren. Und wir können die Fachvereine finanziell unterstützen.

Entschieden reagieren wir auch auf die Forderungen von Economiesuisse. Zieht man vom durchschnittlichen Lohn von 1300 Franken die 700 Franken Miete und dazu noch die (von Uni-Rektor Hans Weder) geforderten 5000 Franken Studiengebühren ab, bleiben noch sechs Franken am Tag! Das reicht gerade mal für einen Znüni mit Kaffee!

Alle diese Ziele in Ehren, aber der StuRa war in letzter Zeit eher mit sich selbst beschäftigt. Er habe sich vor allem um sich selbst gedreht, war sogar intern zu hören. Stimmt das? — Im letzten Jahr war das tatsächlich der Fall. Wir hatten Probleme mit der neuen Geschäftsordnung, gegen die mehrmals Einspruch erhoben wurde. Das wird sich aber hoffentlich klären.

Manchmal kommt der Eindruck auf, dass der StuRa eine geschützte Werkstatt ist, in der ein paar Studierende ein bisschen Parlament spielen. Wer schaut euch eigentlich auf die Finger? — Wenn wir einfach machen würden, was wir wollen, würde uns die Uni relativ schnell das Geld streichen. Auch die Geschäftsprüfungskommission schaut uns auf die Finger. Ausserdem können die Studierenden an die Sitzungen kommen oder sich in Kommissionen, die konkrete Fragen behandeln, wählen lassen. Wir schotten uns überhaupt nicht ab.

Von deinem Vorgänger kann man das jedenfalls kaum behaupten, er machte die deutschen Professoren zum landesweit diskutierten Thema. Wie steht der StuRa nach dieser Affäre da? — Geschadet hat es nicht, man hat ihn wieder mal wahrgenommen – obwohl es da unterschiedliche Ansichten gibt. Ich hoffe, dass wir das Interesse, das in den Medien nun herrscht, nutzen können, um wichtige Themen zu behandeln, beispielsweise eben die fehlende Rechtskörperschaft und die Wohnungsnot in Zürich. Um da Sprünge zu machen, braucht es natürlich die Aufmerksamkeit der Medien. Du bist ja eigentlich nur durch den Rücktritt von Stefan Fischer in das Präsidium hineingerutscht. War das StuRa-Präsidium schon vorher eine Option? — Ja, das war es. Aber Stefan Fischer kandidierte in der letzten Wahl wieder und ich würde nie gegen einen Kandidaten aus der eigenen Fraktion antreten. Das macht man nicht. Die Umstände haben sich jetzt aber geändert, und das Präsidium wird sicher eine gute Erfahrung, wenn man bedenkt, dass ein aktueller und ein abgewählter Bundesrat mein Amt auch schon inne hatten. Bei deiner Wahl für das StuRa-Präsidium machten auch noch andere Namen die Runde. Am Schluss warst du aber die einzige Kandidatin. Warum? — Leider haben die anderen beiden Bewerber ihre Kandidaturen zurückgezogen. Ich hätte lieber einen richtigen Wahlkampf gehabt. Wahlkampf betreiben macht Spass. Es ist einfach etwas anderes, wenn man richtig gewählt wird.

Ich wurde abgenickt. Bei deiner Freude am Politisieren: Wird Sylvie Michel 2028 in den Bundesrat gewählt? — Das werden wir dann sehen. Ich denke, ich fange mal klein an, im Gemeinderat. Aber für die Zeit im StuRa-Präsidium fahre ich meine anderen politischen Engagements in der SP und bei der Juso herunter. Es ist klar, dass ich in dieser Zeit nicht öffentliche Äusserungen als SP-Mitglied machen kann. Das würde falsch verstanden werden.

Trotzdem klinkst du dich wohl kaum völlig aus der «realen» Politik aus? — Nein, gerade für das Lobbying im Kantonsrat, bei dem gute Kontakte zu Politikern gefragt sind, ist es von Vorteil, dass ich auch in der «realen» Politik verankert bin.

Der Job als StuRa-Präsidentin wird dich jedenfalls in Anspruch nehmen. Das Studium deines Vorgängers stand während seiner Amtszeit praktisch still. — Ich habe auch vorher neben dem Studium im Konditoreiverkauf gearbeitet und Politik gemacht. Ich bin immer früh aufgestanden und trotzdem in die Vorlesungen gegangen. Das werde ich auch weiterhin schaffen.

Du bist keine typische Phil-I-Studentin, die bis um neun Uhr schläft? — Sicher nicht! Früher bin ich um halb fünf aufgestanden, jetzt bin ich spätestens um halb sieben wach, starte den Computer und beginne zu arbeiten.

*Sylvie Michel (27) präsidiert seit Mai 2008 den StuRa. Sie studiert Allgemeine Geschichte, Neue deutsche Literaturwissenschaft und Philosophie. Neben ihrem Amt im StuRa ist sie bei der SP der Stadt Zürich und der Juso aktiv.