Da fällt die Entscheidung schwer: Aufputschmittel gibt es viele. Lukas Messmer

Der Kaffee wirkt erst in der nächsten Pause

Zur Prüfungszeit wird alles konsumiert, was Leistungssteigerung verspricht. Doch Vorsicht – wer keinen Kaffeeplan erstellt oder zur falschen Zeit kokst, fällt schnell in ein Loch. Eine Übersicht.

11. März 2008

Was machen eigentlich Philosophen, Theologen, Wirtschaftswissenschaftler, Romanisten und Anglisten, wenn sie tage- und nächtelang für ihre Abschlussprüfungen büffeln müssen? Schliesslich studieren nicht alle Medizin und kriegen rezeptpflichtige Aufputschmittel frei haus geliefert.

In diesem Fall wird meistens auf altbewährte Mittel zurückgegriffen, wie eine – zwar nicht repräsentative, aber doch einiges aussagende – von der ZS durchgeführte Online-Umfrage aufzeigt. Diese ergab, dass Kaffee (26,6 Prozent von rund 300 Stimmen) und Energydrinks (22,9 Prozent) die mit Abstand beliebtesten Muntermacher zur Prüfungszeit sind. Beide enthalten Koffein, das wohl bekannteste legale Aufputschmittel. Die Psychologiestudentin Christine schwört auf Kaffee: «Die ganze WG riecht danach, wenn ich Prüfungen habe!» Ihre Mitbewohnerinnen hätten sich inzwischen daran gewöhnt. Auch die Familie von Jusstudent Sascha musste sich daran gewöhnen, zur Prüfungszeit über leere Red Bull–Dosen zu stolpern und lauten Heavy Metal über sich ergehen zu lassen – die einzige Musik, die ihn in langen Lernnächten wach hält. Christine und Sascha sind nicht die einzigen Studierenden, die sich zur Prüfungszeit mit Koffein und lauter Musik fit halten.

Koffein als Motivationsschub

Die Wirkung von Koffein ist vielfältig: Es regt das Zentralnervensystem an, erhöht Puls und Blutdruck, steigert (in vernünftigen Dosen) die Aufmerksamkeit und Konzentration, vertreibt Müdigkeit und verbessert das Kurzzeitgedächtnis. Klingt nach der perfekten Lernhilfe – was es auch tatsächlich sein kann. Koffein wirkt nämlich vor allem als Motivationsschub. Wer lustlos vor einer langweiligen Aufgabe oder verzweifelt vor einem riesigen, noch zu lernenden Blätterberg sitzt, ist nach einer Tasse Kaffee oft eher bereit, das Problem anzugehen. Allerdings setzt die motivierende Wirkung von Koffein in einer Tasse Kaffee erst nach 20 bis 60 Minuten ein und zur vollen Entfaltung kommt das Koffein erst nach ein bis zwei Stunden. Davor stürzt der Körper erst mal in eine Ermüdungsphase. Neben einem Lernplan sollte man also eigentlich auch einen Kaffeeplan erstellen. Eine Tasse Kaffee in der Pause sorgt nämlich höchstens dafür, dass man zur nächsten Pause wieder fit wird – was ja nicht Sinn der Übung ist.

Eine grosse Thermoskanne voller Kaffee neben dem Bett ist zwar etwas Tolles in langen Winternächten, mehr als eine sollte es aber auf keinen Fall werden. Laut dem Deutschen Kaffeeverband kommt es nämlich nach sechs bis zehn Tassen Kaffee zu einer gegenteiligen Wirkung, da Enzyme im Gehirn blockiert werden. Dann macht der Kaffee nicht mehr munter, sondern nur noch erschöpft. Ebenso vorsichtig ist mit hohen Dosierungen Red Bull umzugehen, da diese mit 32 mg Koffein pro 100 ml bereits das Maximum des von der Schweizerischen Lebensmittelverordnung erlaubten Koffeingehaltes erreichen.

Die mittleren Plätze der Umfrage werden von Traubenzucker (13,6 Prozent) und zuckerhaltigen Getränken wie zum Beispiel Coca Cola (11 Prozent) belegt. Zucker in Form von Glukose kann kurzfristig Energiereserven im Körper mobilisieren und ist somit bei intensiven Lernsessions ebenfalls hilfreich. Die Betonung liegt aber auf kurzfristig, denn erhöhter Zuckerkonsum über längere Zeit führt wohl schneller zu einer höheren Kleidergrösse als zu einer höheren Note.

Kokain an der Uni?

Etwas überraschend wirkt Kokain (12,6 Prozent) auf dem vierten Platz. Nicht auszuschliessen ist, dass sich einige Teilnehmer der Umfrage einen Spass erlaubt haben. Gespräche mit Kommilitoninnen und Kommilitonen haben andererseits ergeben, dass Kokainkonsum keineswegs eine Seltenheit ist. Nur die wenigsten würden Kokain aber konkret als ein die Lernfähigkeit steigerndes Mittel nutzen, obwohl es neben der Hunger und Müdigkeit dämpfenden Wirkung auch die gefühlte Leistungsfähigkeit erhöht. Laut einem Artikel in der «NZZ» vom 30.11.07 sei Kokain einerseits bei Partygängern, andererseits in Führungskreisen besonders gefragt. Kurz vor einer Prüfung ist der Konsum des weissen Pulvers jedoch nicht zu empfehlen. Denn nach dem Rausch folgt oft eine Depression und im düsteren Tal unter Regenwolken sitzend sind Prüfungsaufgaben wohl noch schwieriger zu bewältigen als unter normalen Umständen – welche angesichts einer Prüfung sowieso schon nicht die fröhlichsten sind.

Der «Hustensirup» aus Südamerika

Mit einigem Abstand folgen auf Platz sechs und sieben die natürlichen Aufputschmittel Guaraná (3,6 Prozent) und Cannabis (3,3 Prozent). Guaraná wird aus einer in Südamerika verbreiteten Schlingpflanze hergestellt. Es enthält Koffein und hat eine ähnliche Wirkung wie Kaffee, entfaltet diese aber viel langsamer. Guaraná wirkt darum vier bis sechs Stunden lang. Viele kennen dieses Wundermittel aus dem Amazonasgebiet von den Scroggin-Paketen, wo es in kleinen Ampullen daherkommt und wie Hustensirup aussieht – und auch so schmeckt. Mit seiner bewusstseinserweiternden Wirkung ist Cannabis als Lernhilfe eigentlich denkbar ungeeignet. Allerdings ist die Wirkung von Person zu Person unterschiedlich. Auf viele wirkt es beruhigend – Stressabbau kurz vor der Prüfung also. Eine Studie der Schweizerischen Gesundheitsbefragung (SGB), welche sich mit dem Cannabis-Konsum in der Schweiz von 2004 bis 2006 beschäftigte, kam unter anderem zum Ergebnis, dass im Kanton Zürich 62,7 Prozent der 19- bis 29-Jährigen bereits einmal Cannabis konsumiert haben. Ähnlich sieht es unter den Studierenden aus.

Am Ende ist es aber sowieso jedem selber überlassen, was ihm schmeckt und was er seinem Körper antun will und was nicht. Mittel, welche die Aufmerksamkeit, die Lernfähigkeit und die Gedächtnisleistung erhöhen, Müdigkeit und Hunger in den Hintergrund treten lassen und im Endeffekt die Leistung steigern, gibt es viele. Gerade im Zusammenhang mit der Prüfungsvorbereitung ist es aber wahrscheinlich am besten, auf altbewährte Hausmittelchen zurückzugreifen. Sei dies nun der Schwarztee mit genau dreieinhalb Stück Zucker, die drei Tassen Kaffee im Abstand von exakt dreissig Minuten, die Tafel Schokolade, die Stück für Stück nach einem bestimmten Muster gegessen wird; egal ob tatsächlich wirksame Inhaltsstoffe enthalten sind oder reiner Aberglaube den Trick ausmacht – wenn es hilft, die Prüfung zu bestehen, wird wohl etwas dran sein.

Eine andere Möglichkeit wäre natürlich auch frühzeitiges und ausgiebiges Lernen.

Durchschnittlicher Koffeingehalt:

Tasse Kaffee (150 ml) 100 mg

Tasse Schwarzer Tee (150 ml) 30 mg

Tasse Kakao (150 ml) 6 mg

Tasse Espresso (30 ml) 40 mg

Flasche Coca Cola (330 ml) 33mg

Dose Red Bull (250 ml) 80 mg

Koffeintablette 150 mg

Tafel Vollmilchschokolade 15 mg

Tafel schwarze Schokolade 90 mg