Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort

Die Datingplattform «Meet by Chance» verspricht eine natürlichere Art des modernen Datens – ein Selbstversuch im Botanischen Garten.

Mantra Kumar (Text) und Neroli-Rose Cook (Illustration)
9. Mai 2025

Dienstagmittag, 12 Uhr 30, Neuer Botanischer Garten, Universität Zürich. Neroli steht auf der Wiese, der Wind in ihrem Haar, mit einer Zeitung im Rucksack. Bald beginnt die Führung zu frühblühendem Gehölze, doch eigentlich wartet sie auf etwas anderes: ein potentielles Date, das sie noch gar nicht kennt. Hinter dem Treffen steckt ein Selbstversuch des in Zürich ansässigen Projekts «Meet by Chance». 

Als «smarte Schweizer-Singles-Community» hat es ein ungewöhnliches Ziel: Statt Datingmatches per Algorithmus zu liefern, soll es dem Zufall auf die Sprünge helfen. «Wir behaupten mal, dir sagen zu können, in welchen Locations sich wann überdurchschnittlich viele Singles aufhalten werden», sagt das Team hinter dem Projekt, das im September 2024 lanciert wurde. Diese Orte sind meist öffentliche, frei zugängliche Räume – Museen, Bibliotheken oder eben der Botanische Garten. Wer mitmachen will, kauft sich ein kleines Heftchen für 5 Franken. Darin sind für den Zeitraum einer Woche Termine, Treffpunkte, ein geheimes Codewort und ein Erkennungszeichen definiert. Dieses Mal: eine Zeitung. Daran sollen Datingwillige einander erkennen – und ins Gespräch kommen können. «Das Angebot ist ziemlich museumsfokussiert», sagt Neroli. Deshalb hat sie sich absichtlich ein Event unter freiem Himmel ausgesucht, in der Hoffnung, es würden ähnlich naturliebende Menschen vor Ort sein.  «Ich bin mit einer neutralen bis leicht pessimistischen Einstellung an die Sache gegangen», sagt Neroli. So sei sie nicht davon überzeugt gewesen, einen «Match» zu finden – es müsse ja vieles stimmen, von Alter über Geschlecht bis zu sexueller Orientierung. Laut Neroli sei die Situation aber noch schwieriger als erwartet gewesen. Unter den 30 bis 40 Leuten, die an der Führung teilnahmen, sei die grosse Mehrheit älter als 50 Jahre oder jünger als 10 gewesen – schon mal einige Optionen weniger. In Nerolis Altersgruppe fand sie vier Menschen. Das Problem: Niemand trug das Erkennungszeichen, die Zeitung. Einfach jemanden ansprechen? Schwierig. Am liebsten hätte sie am Ende der Führung in die Runde gefragt, ob überhaupt jemand über Meet by Chance dorthin gekommen ist. Das läge aber wiederum nicht im Sinne der Diskretion des Konzepts. Das Problem liegt für Neroli im breiten Angebot. «Wir fragen unsere Kund*innen nicht nach deren Jahrgängen. Von den Käufer*innen tragen rund 60 Prozent einen weiblichen Vornamen. Unser Angebot richtet sich nicht an eine bestimmte sexuelle Orientierung, aber aufgrund der Anfragen gehen wir davon aus, dass unser Angebot mehrheitlich, von heterosexuellen Nutzer*innen genutzt wird.» 

Für Neroli ist klar: Damit es klappt, müsste man das Angebot nach Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung aufteilen. So könnte zum Beispiel ein Museumsbesuch am Mittwochabend auf 20- bis 30-jährige ausgerichtet sein, ein anderes Event wiederum Menschen im Alter von 40 bis 50 Jahren. Auch ein Anmeldesystem stellt sich Neroli  vor, etwa per Doodle. Ein weiterer Verbesserungspunkt sei die hohe Anonymität. Dazu sagt das Team: «Wir haben unser Angebot bewusst auf eine Kundschaft ausgerichtet, die für eine zufällige Begegnung offen ist, diese jedoch nicht zwingend anstrebt.» Auch Neroli findet es schön, eine gewisse Freiheit zu haben. Die Wahrscheinlichkeit einer passenden Begegnung sei aber klein. Gegründet wurde das Projekt als Reaktion auf den allgegenwärtigen Online-Dating-Frust. Meet by Chance soll den Erstkontakt organischer gestalten. Neroli stimmt zu: «Man unternimmt aktiv etwas zusammen, statt statisch ein Gespräch zu führen.» Ein Treffer war es für Neroli diesmal also nicht. Potential hat das Projekt ihrer Meinung nach aber trotzdem. So, wie das Angebot heute besteht, findet sie die Partnersuche etwas «demotivierend». Mit mehr Teilnehmenden könnte das Projekt aber an Tiefe gewinnen, wenn auch mit höherem administrativem Aufwand seitens der Organisation. Vielleicht steht Neroli in Zukunft wieder einmal im Botanischen Garten – diesmal mit mehr Hoffnung, mehr Klarheit und vielleicht einem Zeitungsträger neben sich.