Kultkino im Klub Kuleshov
Der von Filmstudierenden geführte Verein «Klub Kuleshov» zeigt jeden Dienstagabend im Toni-Kino an der Zürcher Hochschule der Künste einen Film — für nur fünf Franken.
Auf den rot gepolsterten Sesseln des Kinos nehmen Besucher*innen ihre Plätze ein. Es sind Studierende der Kunsthochschule, gekleidet in ihrer typisch nonkonformistischen Mode, einige ältere Interessierte und mehrere Gruppen aus dem benachbarten Asylzentrum. Der Saal ist fast voll. Zuspätkommende suchen nach den letzten freien Plätzen. Es herrscht eine gemütliche Stimmung. Die Beleuchtung dimmt. Die Leinwand leuchtet auf.
Archivperlen auf der grossen Leinwand
Während des Semesters führt der Klub Kuleshov jeden Dienstagabend im hauseigenen Kino des Toni-Areals einen Film vor. Der Klub ist eine Gemeinschaft Studierender der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Sie haben sich zum Ziel genommen, das Kino zu zelebrieren und Menschen für Filme zu begeistern.
Wann der Klub entstanden ist, wissen die jetzigen Leiter*innen nicht genau. Wahrscheinlich gibt es ihn schon seit dem Einzug der Hochschulen ins Areal. Beim Umbau des Toni-Areals wurde für die Vorführung von Filmen ein Kinosaal mit 116 Sitzplätzen eingebaut. Auch bei den Vorführungen des Klub Kuleshov steht seitlich vor der Leinwand noch das Pult für die Dozierenden.
«Es ist eine riesige Chance, dass wir die Filme in einem Kinosystem zeigen können,» sagt Mischa Decurtins. Er ist dieses Semester unter anderem für die Rechtssicherheit der Filme zuständig. Insgesamt sind sechs Studierende als Kernteam für die Hauptaufgaben des Kinobetriebs zuständig.
Dazu gehören die Lizenzabklärung, der Betrieb des klubeigenen Kiosks, wo man Tickets und Verpflegung kaufen kann, das Flyerdesign und die Präsenz in den sozialen Medien. Dazu gesellen sich auch andere Studierende, die das Kernteam unterstützen und beim Zusammenstellen des Programms mitentscheiden können. «Die Filmauswahl verläuft recht demokratisch. Mit dem gesamten Team definieren wir Zyklen, für welche man Vorschläge bringen kann, dann setzen wir uns zusammen und diskutieren sie», sagt Mischa. «Wir geben dann Stimmen ab und versuchen etwa 14-16 Filme zu finden, die wir dann in der Rechtsabklärung und Programmation organisieren.» Der Klub versucht, ein diverses Angebot zu zeigen. Jeweils drei bis vier nacheinander folgende Filme passen thematisch zusammen. Dieses Semester sind die Themen unter anderem «Music», «Extreme Cinema» oder «Lost in your 20s». Gezeigt werden unter anderem Animationsfilme, Dokumentationen oder wenig bekannte Produktionen, aber auch Klassiker.
Der Klub betreibt das Kino als Nonprofit-Organisation mit Unterstützung der ZHdK. «Wir sind sehr abhängig von der Hochschule, ohne sie könnten wir nicht existieren», sagt Micha Straub, einer der beiden Leitenden des Klubs. Die Lizenzkosten für die Filme werden von der ZHdK übernommen. Die Einnahmen vom Ticketverkauf gehen an die Hochschule, jene vom Kiosk fliessen wieder in dessen Betrieb.
Seit der Pandemie steigen die Publikumszahlen stetig. Die Leute kommen regelmässiger, und das Angebot wird zunehmend von Leuten genutzt, die nicht der ZHdK angehören. Die Stimmung stellt wahrscheinlich den grössten Reiz dar. Auch die Ausstattung des Saals kann mit kommerziellen Kinos mithalten: Die orangen Sessel sind gemütlich und das Soundsystem kräftig. Vor dem Film läuft eine Animation aus den Sechzigerjahren mit der Aufschrift «Prevues of coming attractions , die man aus Tarantino-Filmen kennt.
Eine rabiate, roboterhafte Stimme verkündet: «Next in Klub Kuleshov.» Es folgen Trailer für die Filme der nächsten paar Wochen. Einige davon schneidet der Klub selbst.
Wer am Kino-Kiosk ein kleines Bier kauft, nimmt automatisch an einer Posterverlosung teil, die vor Beginn des Films stattfindet. Ein kleiner Sticker an der Unterseite der Flasche verkündet die Sieger*in. Die Verlosung ist seit Beginn des Klub Kuleshov Tradition. Micha sagt: «Die Verlosung hilft dabei, eine Community zu bilden und das Kino zu einem Ort zu machen, in dem man nicht nur einfach passiv drin hockt.»
Cineast*innen im Close-Up
Zu gewinnen gibt es das Poster des gezeigten Films. «Es gibt Leute, die für ihren Lieblingsfilm kommen. Da ist es cool zu wissen, dass man davon auch ein Poster gewinnen kann», sagt Mischa. «Die Freude an den Filmen mit den Menschen zu teilen und eine Community zu finden, ist ein Wert, den wir hochhalten. Es ist eine grosse Freude, dass Film auch in diesem Sinn etwas bedeuten kann.» An diesem Abend läuft ein Film zum Thema «Cinema on Itself». Dazu gehören Filme, die sich mit dem Film und Filmemachen selbst auseinandersetzen. Heute ist es Abbas Kiarostamis «Close-Up», ein iranisches Werk aus dem Jahr 1990. Ein arbeitsloser Drucker und Cineast gibt sich bei einer reichen Familie als berühmter Regisseur aus. Er tut so, als würde er mit ihnen einen Film drehen wollen. Er fliegt auf und erklärt vor Gericht sein Motiv. Man sieht einen verzweifelten Menschen, der sich in seiner Rolle verlieren will. Die Traumwelt des Films zieht auch ihn an.
Der Film basiert auf realen Begebenheiten; die Schauspieler*innen spielen sich selbst. «Close-Up» ist eine Mischung aus Dokumentation und Neuinszenierungen der Geschehnisse.Vor dem Film wird noch die Gewinner*in des Posters gekürt. Der Saal gratuliert mit lautem Klatschen.