Michael Elsener in seinem Element. Philippe Hubler

«Was soll ich mit Likes?»

Michael Elsener studierte Politologie, macht Kabarett und hat den Prix Walo gewonnen – ab Anfang März tritt er im Theater am Hechtplatz auf. Ein Gespräch über Medien, Humor und Klicks.

24. Februar 2016

Um unseren Humor ist es nicht gut bestellt. Seit Feuchtgebiete und 50 Shades of Grey die Bestsellerlisten anführen, Clowns höchstens noch als Bösewichte in Action-Blockbustern Beachtung finden und Menschen dafür bezahlen, sich von einem kleinen Asien-Amerikaner zu billigen Elektro-Beats Torten ins Gesicht werfen zu lassen, haben Füdli-Gaggi-Bisi-Pointen à la Mario Barth Hochkonjunktur. Doch es besteht noch Hoffnung: Auch Spassmacher mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion können Erfolg haben.

Mehr als nur lustig

Der Zuger Kabarettist Michael Elsener, der zwischen dem Kreis 3 und Hamburg pendelt, ist so etwas wie der Abgeordnete unserer Generation in der Schweizer Comedy-Szene: jung, gebildet und iPhone-vernarrt. «Das iPhone ist das Letzte, das ich abends streichle. Das ist schon absurd.» Solche Dinge thematisiert er in seinem Programm Mediengeil: Elsener möchte etwas bewirken. Auch politisch.

Auf YouTube erklärt er, wie das Bankgeheimnis funktioniert, oder erzählt vom Frauenstimmrecht, das die Schweiz erst nach Somalia und Afghanistan eingeführt hat. «Ich versuche vermehrt, Politik und Kabarett zu verknüpfen. Das Schönste ist, wenn ich Denkanstösse vermitteln kann, ohne dass die Leute es merken, weil sie mit Lachen beschäftigt sind.» Eine Methode, die gut funktioniere, wie Elsener ausführt: «Obwohl ich der Lustige bin, bin ich auch der, der glaubwürdig ist.» Damit begibt er sich auf das dünne Eis des politischen Kabaretts, wo man besonders Acht geben muss, am Ende keine Bauchlandung hinzulegen. Wie schnell man Gefahr läuft, politische Propaganda unter dem Deckmäntelchen der Komik zu betreiben, haben Humoristen mit Irokesenschnitt vorgemacht. Elsener ist sich dessen bewusst: «Auf der Bühne zeige ich, wie ich die Welt sehe. Ich verzichte auf moralisierende Schlussfolgerungen.»

Neue Formen und Altbewährtes

Dafür, dass sich Elsener mit seiner «journalistischen Comedy» nicht verrennt, sorgt auch sein Flair für Parodien und Figuren. Damit hat das «enfant populaire» der Schweizer Comedy die Gunst des Publikums errungen. Obwohl: Sind denn klassische Sketches, die fast ohne Requisiten auskommen, noch zeitgemäss, wenn auf Facebook 10-Sekunden -Videos, in denen braungebrannte Collegeboys ihre Bros pranken, wahre Klick-Hysterien auslösen? Haben die Internet-Clips dem analogen, zeitintensiven Bühnenprogramm nicht längst den Rang abgelaufen? Und wird der digitale Applaus nicht viel stärker rezipiert als Besprechungen in Zeitungen?

Für Elsener ist diese Form der Aufmerksamkeit nichts weiter als eine nette Nebendisziplin. «Es heisst, Klicks und Likes seien die neue Währung. Aber was soll ich damit? Ich will, dass sich die Leute wirklich mit mir auseinandersetzen, sich ein Datum reservieren, Geld in die Hand nehmen, einen Parkplatz suchen, in die Vorstellung kommen, vielleicht zu spät ins Bett kommen und am nächsten Tag müde zur Arbeit müssen.» Der Anspruch, den Elsener an sein Publikum stellt, schlägt sich auch in der Wahl seiner Pointen nieder. Mitunter verzichtet er auf sichere Lacher, hütet sich vor billigen Gags. «Es gab eine Zeit, da musste man nur ‹Nackt-Selfie› sagen und der Saal lachte. Sowas mache ich nicht.»

Komiker würden auf der Bühne das machen, was sie selbst lustig finden, ist sich Elsener sicher. Barths misogyne Scherze sagen daher wohl mehr über ihn selbst aus als über sein Publikum. Der Humor von Michael Elsener hingegen spricht für sich – und ihn.