Der sture Ästhet

26. März 2015

Eine Frau schaut in die Kamera und weiss es nicht. Heimlich aufgenommene Porträts sind eine Leidenschaft von Paul Strand. Möglich waren sie ihm durch ein Prisma auf der Linse seiner Graflex-Kamera. Die Fotografien hängen im Fotomuseum Winterthur. Es ist die erste gross angelegte europäische Retrospektive von Strands Werken. Die Ausstellung basiert auf 3000 neu erworbenen Abzügen aus dem «Philadelphia Museum of Art». Gezeigt wird ein Querschnitt durch Strands gesamtes Schaffen. Der 1890 geborene Künstler begann mit Fotografien im pictorialistischen Stil und kreierte Kurzfilme wie «Manhatta». 1915 schuf er das weltberühmte Bild «Wall Street», auf dem Menschen der Strasse entlanggehen und von ihren Schatten verfolgt werden.

Paul Strand gilt als einer der wichtigsten Vertreter der modernen Fotografie des 20. Jahrhunderts. Er meinte einst, er wolle immer aufmerksam auf das sein, was um ihn herum geschieht. Durch die Fotografie konnte er das Leben seiner Zeit beobachten und festhalten. Trotzdem wird Strand nicht als Dokumentarfotograf, sondern als Kunstfotograf mit an­thropologischen oder soziologischen Interessen gehandelt. So beschreibt ihn der Ausstellungstext des Fotomuseums als «der sture Ästhet, der engagierte Linke mit Sympathien für den Kommunismus, der am Ländlichen interessierte Fotograf mit einem ausgeprägten Sinn für soziale Fragen».

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut. Daher gibt es konzeptuell keine Überraschungen. Ein 400-seitiger Begleitband wurde angefertigt, der Strands Fotografien intensiv abbildet und vertiefende Texte über sein Leben und Schaffen enthält. Paul-Strand-Liebhaber werden die Ausstellung lieben, für alle Anderen ist es ein gewöhnlicher Ausflug ins Museum.

Paul Strand – Fotografie und Film für das 20. JahrhundertWo: Fotomuseum WinterthurWann: 7. März bis 17. Mai 2015Dienstag bis Sonntag 11–18 Uhr, Mittwoch 11–20 Uhr, Montag geschlossenEintritt: 13.–, reduzierter Preis 10.–.