Wo fängt «body enhancement» an? Oscar Pistorius an der Olympiade in London 2012. Will Clayton, CC

Der bessere Mensch und die Angst

Technologien, welche den Menschen verbessern, sind keine Science-Fiction mehr. Und mit ihnen auch nicht Diskussionen darüber, was moralisch vertretbar ist. In der Zürich Winter School on the ethics of human enhancement wurde darüber diskutiert.

9. März 2015

Häuser, die den Bewohner erkennen und begrüssen, bargeldloses zahlen mit einer Handbewegung, das Steuern eines Roboters mit Gedankenkraft, all das sind Fantasien für die Zukunft. Wer das denkt, hat ein paar Jahre nachzuholen. Solche Technologien sind in der Entwicklung und existieren teilweise bereits heute. Sie sind, je nachdem, wen man fragt, wunderbar, eine Verbesserung, der nächste Schritt in der Evolution, angsteinflössend, potentiell gefährlich, unethisch oder ein Muss. In einem sind sich aber fast alle einig. Technologische Verbesserungen des Menschen werfen ethische Fragen auf, welche diskutiert und geklärt werden müssen. Über diese ethischen Fragen wurde an der Zürich Winter School on the ethics of human enhancement an der Uni Zürich letzte Woche diskutiert. Teil nahmen Gäste und Sprecher und Sprecherinnen aus der ganzen Welt. Die Faszination der Teilnehmer für das Thema lag bereits in den ersten Minuten spürbar in der Luft. Selten verstummen an der Universität die Zuhörerinnen und Zuhörer so schnell, wenn der Vortragende zu sprechen beginnt.

Grosse Fragen

Eine der grössten Fragen, die das Thema aufwirft ist, ab wann man überhaupt von einem «Enhancement» spricht. Was ist noch Therapie? Und wo müssen philosophische Fragen diskutiert werden? Im kleinen Rahmen gibt es schon einige Verbesserungstechnologien. Beginnend mit kleinen unscheinbaren Dingen wie einem Kredit- oder Schlüsselkarten-Implantat. Andere Verbesserungen sind bekannter, wie zum Beispiel Beinprothesen, die auch von prominenten Sprintern genutzt werden. Martialischere Beipsiele sind Exoskelette, also eine technische Erweiterung des Körpers, wie sie beispielsweise Tom Cruise unlängst in «Edge of Tomorrow» trug. Nur dass das US-Militär eben bereits mit solchen Apparaturen arbeitet. Und es gibt gar Prototypen einer Technologie, welche das Hirn direkt stimulieren und dadurch andere Gefühlslagen auslösen kann.

Dies und mehr sind alles Technologien, welche das Leben grundsätzlich vereinfachen können. Weshalb entsteht dann bei Verbesserungstechnologien bei vielen ein mulmiges Gefühl im Bauch? Die Angst liegt natürlich bei den unabsehbaren Folgen, die diese Entwicklung haben kann. Risiken und Nebenwirkungen mit erheblichen moralischen und ethischen Implikationen sozusagen. Die grössten Ängste, welche während der ganzen Winter School immer wieder angesprochen wurden, sind zum einen die Angst davor, seine Unabhängigkeit zu verlieren. Wenn Implantate oder auch andere Verbesserungen nach aussen verbunden sind, könnte man gehackt werden, so die Angst einiger Teilnehmer. Damit zusammen hängt freilich die Gefahr, mit der wir mit Google und Co. aber auch vom Staat bereits konfrontiert sind: die Entwicklung zur kompletten Überwachung. Und natürlich spielt auch die Angst vor dem Missbrauch der Technologien für bösartige Zwecke mit.

Schwierige Antworten

Aber nicht nur Ängste waren ein wichtiges Thema an der Zürich Winter School. Ein weiteres grosses Thema waren die Fragen: Wie weit darf man eigentlich gehen bei der Veränderung eines normalen und gesunden Menschen? Was ist noch ethisch vertretbar und wo geht es zu weit? Genau hier öffnen sich die grössten Klüfte zwischen den unterschiedlichen Meinungsvertretern. Die «Transhumanisten» finden sich am optimistischen Ende des Spektrums. Sie sind der Überzeugung, dass wir die Pflicht haben, Menschen weiterzuentwickeln und mit allen nur erdenklichen Vorteilen auszustatten. Das andere Extrem vertreten die «Biokonservativen», welche der Meinung sind, wir sollen den natürlichen Menschen erhalten. Technologie nur zur Reparatur. Ein Grossteil der Wissenschaftler und Philosophen, sowie alle Teilnehmer an der Zürich Winter School lagen irgendwo dazwischen.

Die Redner an der Zürich Winter School on the Ethics of Human Enhancement wurde fleissig diskutiert. Allerdings schienen einige der Zuhörer, insbesondere diejenigen, welche in der Naturwissenschaft tätig waren, enttäuscht darüber, dass keiner der Redner eine eindeutige Aussage machen wollte, was denn jetzt wirklich akzeptabel sei und was nicht. Sie hätten klarere Positionen bevorzugt und erwarteten Antworten auf all die Fragen, welche während den drei Tagen aufgeworfen wurden. Dass diese in nächster Zeit wohl niemand so schnell beantworten kann, wurde an dieser Tagung eben auch klar.