Die zukünftige Redaktionsleiterin der ZS, Nina Kunz, ist sich noch nicht sicher, ob sie eine Zukunft im Journalismus hat: «Ich will mich nicht dem Alltagsgeschehen versklaven und möchte auch finanziell auf eigenen Beinen stehen können.» Nina Fritz

Der Geburtstag der alten Dame

Am vergangenen Wochenende feierte die Zürcher Studierendenzeitungen ihren 90. Geburtstag. Wie es sich für eine Jubilarin gehört, wurden nicht nur die Gläser gehoben und Ständchen gesungen, sondern auch angeregt diskutiert.

6. November 2013

Die Podiumsdiskussion zur 90-Jahre-Feier der ZS begann wie alle Sitzungen, die Noch-Redaktionsleiter Corsin Zander bisher geleitet hatte: Mit Verspätung. Als das Gespräch hätte beginnen sollen, drehte die Discokugel noch träge und die Band war noch mit den Soundcheck beschäftigt. Später diskutierten die ehemaligen ZS-Journalisten Mathias Ninck (Das Magazin), Constantin Seibt (Tages-Anzeiger) und Zanders Nachfolgerin, Nina Kunz, zum Thema «Wo führt das noch hin?».

Dem Gesprächsverlauf zufolge hätte das Thema allerdings eher «Wo kommt das her?» heissen müssen. Wo kommt das her, dass Mathias Ninck und Constantin Seibt heute erfolgreiche Journalisten sind? Wo kommt das her, dass es für Journalisten attraktiver ist, für eine Printausgabe statt für eine Onlineseite zu schreiben? Wo kommt das her, dass eine Journalistenschule nicht der einzige Weg ist, ein guter Journalist oder eine gute Journalistin zu sein?

Wohnzimmerstimmung trotz ernsten Themen

Moderator Zander sorgte mit dem einen oder anderen Seitenhieb gegen seine Gäste für eine entspannte Atmosphäre. Es wirkte, als würden die vier Journalisten bei jemandem Zuhause auf dem Sofa sitzen und sich nebenbei über den Journalismus unterhalten. Die beiden gestandenen Journalisten gaben persönlich und selbstkritisch Auskunft über ihre Arbeitsweise. So meinte beispielsweise Constantin Seibt, dass er den Verdacht seiner Kritiker, nicht jede Zahl in seinen Artikeln würde stimmen, teile. Lacher seitens des Publikums. Trotz Wohnzimmeratmosphäre wurde das Gespräch auch auf ernste Themen gelenkt. Einen Punkt, um den man nicht herumkommt, ist die Gretchenfrage bezüglich Online-Journalismus: Warum schreiben so viele Journalisten lieber für eine Print-Publikation?

Nina Kunz, die ab Januar 2014 die Leitung der ZS-Redaktion übernehmen wird, sieht Online-Texte als Konsumgut: «Für einen Text, der gedruckt wird, nimmt man sich viel mehr Zeit. Er wird mehrmals gegengelesen, man arbeitet mit dem Text. Online-Text enthalten oft News, die möglichst schnell verbreitet werden müssen.»

Auch Magazin-Redaktor Ninck sieht das Privileg der Zeit für einen Printartikel. Constantin Seibt sprach ein anderes Problem an: Kinderarbeit im Journalismus. Junge Journalisten würden eingesetzt, um Online-Texte zu schreiben – möglichst schnell.

Kämpfen für Platz und Freiheit

Kunz gab zu, dass sie nicht sicher sei, ob sie sich in Zukunft in der Journalistenbranche sehe. «Ich will mich nicht dem Alltagsgeschehen versklaven und möchte auch finanziell auf eigenen Beinen stehen können.» Nein, dem System solle man sich nicht unterwerfen, denn «Platz und Freiheit muss man sich erkämpfen», sind sich Seibt und Ninck einig.

Trotzdem: Ein Rezept, wie man ein erfolgreicher Journalist wird, scheint es nicht zu geben. Taktiert und überlegt müsse man vorgehen und doch sich für sich selbst einsetzen, so die Tipps der ehemaligen ZSler. Kunz ist das zu wenig und bringt erneut den Punkt zur Sprache, den viele Junge beschäftigt: das Geld. Auch hier können Seibt und Ninck keine Patentlösung anbieten. «Ja, es gab Zeiten, in denen ich ab dem 20. des Monats nur noch Spaghetti ass», erzählt Seibt.

Prompt folgen kritische Stimmen aus dem Publikum: Ihr Werdegang würde so «heldenhaft» klingen, dabei sei das heute doch viel schwieriger. Etwas ratlos schauen sich Seibt und Ninck an. Den Tipp für eine erfolgreiche Journalistenkarriere scheint es schlicht nicht zu geben. Constantin Seibts Tipp war denn auch eher eine Binsenweisheit: «Als Journalist verbringst du dein Leben im Beruf, weil er genug abenteuerlich ist. Die Grenze zwischen Beruf und Privatleben verschwindet irgendwann.»

Und so nahmen die ZS-Journalistinnen und Journalisten sowie zahlreiche Gäste den letzten Tipp wörtlich, diskutierten mit Berufskollegen und feierten mit ebendiesen bis in die frühen Morgenstunden.