Der Zugang zum Foyer wurde mit Stellwänden abgesperrt und von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht. Katherine Huber

Nicht «Ganz Zürich hasst den IWF»

Am Montag trat die IWF-Direktorin Christine Lagarde an der Uni Zürich auf. Einige finden ihre Einladung, andere den Protest dagegen skandalös. Viele Studierende interessierten sich für beides nicht.

8. Mai 2012

Rund 120 Studierende haben am Montag gegen den Auftritt der IWF-Chefin Christine Lagarde an der Universität Zürich demonstriert. Eine halbe Stunde lang blockierten sie den Eingang im Lichthof und verhinderten so kurzfristig das Durchkommen der Interessierten. Die Kritik der Aktivisten, die Universität dürfe dem hegemonialen IWF keine zusätzliche Plattform bieten, stiess bei den Vortragsbesuchern auf Unverständnis.

«Ein Skandal»

Nach der Protestankündigung der Gruppierung «Uni von unten» im April wurde viel über den Verlauf der Veranstaltung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung (SIAF) spekuliert. Martin Meyer, Delegierter des SIAF und Ressortleiter des NZZ-Feuilletons, sagte am Montagnachmittag: «Nervös machen mich die Ankündigungen nicht, aber sie bescheren mir viel zusätzliche Arbeit.» Die Argumente der Aktivisten und Aktivistinnen sorgen bei ihm für Kopfschütteln: «Die Universität ist ein Ort der freien Meinungsäusserung. Ein Skandal, dass dieses Recht unterdrückt werden soll!» Meyer bedauert, dass das Institut pauschal als neoliberaler Think Tank abgestempelt wird, obwohl schon zahlreiche linke Redner wie Habermas oder Leuenberger der Einladung des Instituts gefolgt seien.

Freie Meinungsäusserung oder Selbstlegitimation?

Laut «Uni von unten» sei der Protest Ausdruck für die Solidarität mit Ländern wie Griechenland oder Italien, in welchen die Sparpolitik des IFW Elend sähe. Man wolle der Welt zeigen, wie inhuman die Wirtschaftspolitik Lagardes sei. Den Vorwürfen der Unterbindung der freien Meinungsäusserung entgegnet die Organisation: «Das ist absurd. Der IWF tut seine Meinung 365 Tage im Jahr auf jeder medialen Bühne dar. Lagardes Auftritt in Zürich dient ausschliesslich der Selbstlegitimation. Ein Dialog wird nicht geführt.» Beat Müller, Medienbeauftragter der Universität Zürich, sieht das anders: «Es ist grundsätzlich eine Bereicherung, wenn prominente Gäste an der Universität Zürich reden.»

Desinteresse bei vielen Studierenden

Trotz Metalldetektoren und patrouillierenden Sicherheitsleuten im Lichthof lassen sich die Studenten in ihrer Kaffeepause am Montagnachmittag nicht beirren. Auf Anfrage, ob sie wisse, wozu die Massnahmen seien, antwortet eine Studentin: «Keine Ahnung.» Zwei Studenten am Nebentisch fragen: «Hä, wer ist Christine Lagarde?» Ein anderes Bild zeigt sich bei der Versammlung zur Kundgebung um 17 Uhr vor dem Hauptgebäude. Die eingetroffenen Studierenden stehen dem massiven Polizeiaufgebot ungläubig gegenüber. Nach ersten Wegweisungen kritisiert «Uni von unten»: «So soll der Eindruck erweckt werden, der Protest existiere nicht.» Im Gegensatz zu den zahlreichen Medienschaffenden hält sich die Polizei aber im Hintergrund.

Blockade im Lichthof

Ohne jeglichen Widerstand können die Protestierenden mitsamt einer Musikanlage ihren Protest in den Lichthof verlagern. Einer der Haupteingänge für die Zuhörer wird gesperrt; mehrere Transparente schirmen die Menschenblockade gegen aussen ab. Die Studierenden, die im Lichthof lernen, räumen ihre Tische oder zücken ihre iPhones für Souvenir-Fotos. Durch Megafone prangern die Demonstrierenden die Krisenpolitik des IWF an, besonders dessen Exponentin Christine Lagarde wird gerügt. Immer wieder wird der Schlachtruf «Ganz Zürich hasst den IWF» angestimmt.

Einige Besucher des Lagarde-Vortrags stehen betreten vor der Blockade. Kopfschüttelnd kommentiert eine Beobachterin: «Solch intolerantes, undemokratisches Verhalten ist buchstäblich eine Sauerei!». «Ich bin überrascht, dieser Protest ist dilettantisch. Gewaltanwendung ist doch keine Form von studentischem Protest», urteilt ein anderer Besucher. Als seine Frau zu weiteren Ereiferungen ansetzt, hält er sie an, sich nicht zu äussern: «Nein Schatz, lieber nicht.» Einige suchen eine inhaltliche Diskussion mit den Aktivisten und Aktivistinnen. «Der IWF ist nicht fehlerfrei, aber ohne ein Gespräch geht es nicht weiter.» Seinen Einwand quittieren die Studierenden mit Gejohle.

Positives Fazit auf beiden Seiten

Um 18 Uhr beenden die Demonstrierenden die Blockade, bewegen sich zurück nach draussen und lösen die Kundgebung nach letzten Missbilligungen durch das Megafon auf.

Der Vortrag Christine Lagardes konnte wie geplant abgehalten werden. Annette Hofmann, Leiterin der Abteilung Sicherheit und Umwelt der Uni, ist zufrieden. Durch die «gute Zusammenarbeit von internen und externen Stellen (Polizei und Securitas)» habe die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden können und dem Auftritt von «Madame Christine Lagarde» sei «eine würdige Plattform in einem voll besetzten Hörsaal» geboten worden, wie sie schriftlich mitteilte.

«Uni von unten» zieht ein positives Fazit. Der Protest sei insgesamt gut verlaufen. Durch die im Lichthof gehaltenen Reden und die halbstündige Blockade sei ein Zeichen gegen die menschenrechtswidrige Politik des IWFs gesetzt worden. Die Organisation schaut kämpferisch in die Zukunft. «Dies ist nicht der letzte Vortrag des SIAF, deshalb wird dies nicht unser letzter Protest sein.»

*update: Im Nachgang ist laut Judith Hödl, Sprecherin der Stadtpolizei Zürich, Anzeige wegen Sachbeschädigung im Innern des Gebäudes erstattet worden.