Demonstrierende blockieren den Zugang zum Lagarde-Vortrag. Lukas Messmer

Deplatzierte Demo

Als neoliberales Monster hatten linke Gruppen Christine Lagarde angekündigt. Es kam eine sympathische, schlagfertige und humorvolle Frau. «Uni von unten» muss lernen, andere Meinungen zu respektieren. Ein Kommentar von Lukas Messmer.

8. Mai 2012

Im Lichthof plärrte das Megafon: «Nichts zu suchen hat sie an der Uni!» Es waren Studierende von «Uni von unten», der «kriPo», der «Kommunistischen Jugend» und vom «Revolutionären Aufbau», die sich mit Transparenten im Lichthof versammelt hatten. Sie wollten den Vortrag von IWF-Präsidentin Christine Lagarde verhindern. Dieselben Studierenden kämpften schon für unterstützungswürdige Anliegen. Zum Beispiel gegen höhere Studiengebühren, für mehr Freiräume an der Uni und gegen eine Wirtschaftswissenschaft, die sich von neoliberalen Dogmen leiten lässt.

An diesem Montagabend jedoch hatten sie sich elendiglich verrannt. Diese Demonstration war unnötig und kontraproduktiv für ihr eigenes Programm. Das war spätestens klar, als schwarz gekleidete Gestalten im Lichthof standen und den Metalldetektor umwarfen. Die hellblauen Securitas wichen erschrocken zurück. Niemand hatte die jungen Männer daran gehindert. Es wirkte, als ob es zur Choreographie gehörte. Dann stimmte die Gruppe im Lichthof die Parole «Hoch die internationale Solidarität» an, die meisten schrien mit, einzelne pafften Zigaretten und eine Rauchbombe ging ab.

Die Demonstrierenden hätten rufen müssen: «Nichts zu suchen habt ihr an der Uni!» Denn eine Universität kann eine solche latente Aggressivität nicht tolerieren. Die Attacke auf den Metalldetektor wirkte wie ein Anzeichen von Frust, dass die eigenen Argumente niemanden überzeugen können. Das Grüppchen im Lichthof wurde von den restlichen Studierenden von den Estraden herab belustigt belächelt. Inwiefern die schwarz gekleideten Männer zu den Organisatoren gehörten oder nicht, war in diesem Fall irrelevant. In der Wahrnehmung der restlichen Studierenden taten sie das. Im Interesse der Demonstranten wäre hier eine deutliche Abgrenzung nötig gewesen. Der Wille dazu war nirgends zu entdecken – auch bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

Mit ihrer Wortwahl führten die Demonstranten danach den eigenen Protest völlig ad absurdum. Vor dem Haupteingang schrie ein AL-Politiker ins Megafon: «Hier geht es nicht um freie Meinungsäusserung! Das ist eine PR-Veranstaltung des IWF!» Das ist, mit Verlaub, Bullshit. Denn am Vortrag beantwortete Lagarde ungefähr 15 Fragen, die alle von jungen Männern und Frauen gestellt wurden. Sponsoren – allesamt internationale oder nationale Grosskonzerne – wurden dezent und klein einmal auf einem Powerpoint platziert. Das Gezeter im Lichthof hingegen, angereichert mit einer Portion Aggression, war eine waschechte PR-Veranstaltung: Genauso erreicht man auf simple Weise ein grosses Medienecho. Aber die Medien werden nicht über die Argumente der Demonstranten berichten, sondern über das Demonstrieren selbst. Das ist schade.

Denn der «Feind», Christine Lagarde, argumentierte in ihrem Vortrag mit viel Geschick. Dieser war, zugegeben, etwas VWL-technisch, aber für ein breites Publikum vorbereitet und bot einen Einblick in die Funktionsweise des IWF. Die IWF-Präsidentin sprach gut, humorvoll und ernst zugleich, durchaus differenziert, eierte aber in einigen Passagen auch rum. Hier hätten die Demonstranten im Plenum mit kritischen Fragen nachhaken können.

Lagarde plädierte

für einen Kompromiss zwischen Wachstum und Stabilität als den besten Ausweg aus der herrschenden Krise, was aber nur durch internationale Kooperation möglich sei. Ihr Credo, «no insularity and short-termisms», wiederholte sie etliche Male. Alles in allem war das nur bedingt Neoliberalismus à la Chicago School. Zuletzt muss man auch einmal sagen: Die Organisatorin, das SIAF, ermöglicht seit Jahren Vorträge mit kurzen Fragerunden von Personen mit Weltruhm, darunter auch: Mario Vargas Llosa, Alice Schwarzer, Niklas Luhmann, Jakob Kellenberger, Josef Joffe und viele mehr. Das Interesse an Lagardes Rede war riesig. Die Studierenden wollten die IWF-Präsidentin hören und nicht die ewiggleichen Sprechchöre altsozialistischer Tradition.

Das muss man nicht akzeptieren, aber respektieren.