Sebastian Brenn hat Kunden vom Professor über Handwerker bis zum Büroangestellten. Lukas Messmer

Sebastian Brenn, Kassier im Pornokino

Was jemand erlebt, der Geld für Sex entgegennimmt.

14. Februar 2009

Jemand, der ins Sexkino geht, ist deshalb nicht pervers. Immer wollen alle wissen, was denn das für Leute seien, die sich unsere Filme anschauen. Da muss ich jeweils mit Vorurteilen aufräumen. Die Wahrheit ist: Vom Professor bis zum Handwerker und Büroangestellten ist alles dabei. Es sind auch alle Altersgruppen vertreten. Gäste unter 30 Jahren kommen allerdings eher selten zu uns. Begonnen hat alles mit einem Inserat bei der Arbeitsvermittlungsstelle vor viereinhalb Jahren. Ich suchte damals dringend Arbeit für drei Monate, bevor ich mit meinem Slavistik-Studium begann. Am Anfang war die Arbeit schon etwas gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile ist sie für mich ein ganz normaler Nebenjob. Ich bin auch viel offener geworden und habe gelernt, Menschen nicht so schnell zu verurteilen. Ausserdem sitze ich ja vorne an der Kasse und kriege gar nicht mit, was hinten so alles passiert. Eigentlich habe ich sogar zwei Jobs hier, denn entweder übernehme ich die Operateur-Schicht oder verkaufe an der Kasse Billette. Als Operateur arbeite ich in allen vier Erotikkinos in Zürich. Meine Schicht beginnt morgens um halb zehn im Kino Walche. Ich schliesse das Lokal auf, kontrolliere ob alles funktioniert, bereite die Filmkabinen vor, bringe die Einnahmen auf die Bank und besorge Kleingeld. Dann fahre ich mit meiner Vespa weiter in die Kinos Stüssihof, Roland und Sternen Oerlikon. Jeden Donnerstag laufen die neuen Filme in den Videokabinen und Kinosälen an. Die Filme und die dazugehörigen Filmplakate bringe ich dann in alle Kinos. Als Kassier arbeite ich meistens für die Uni oder lese, wenn keine Kunden kommen. An einem guten Tag verkaufen wir bis zu 400 Eintritte. Die gehen fast ausschliesslich an Männer, Frauen kommen praktisch nie. Die meisten Kunden besuchen unsere Kinos um die Mittagszeit oder nach Feierabend. Nicht alle kommen, um sich Filme anzuschauen. Das Kino Walche zum Beispiel hat sich zu einem einschlägigen Treffpunkt für Homosexuelle entwickelt. Natürlich gibt es manchmal mühsame Kunden, aber die trifft man auch an der Migros-Kasse. Komische Geschichten allerdings gibt es viele zu erzählen: Einmal wurden die Kleider eines Kunden gestohlen und er musste nackt um Hilfe bitten. Ich trieb dann eine alte liegengebliebene Trainerhose für ihn auf. Ein anderes Mal führte die Polizei eine Razzia bei uns durch, weil sich Diebe im Kino versteckt hielten. Aber auch mit solchen Begebenheiten lernte ich ganz gut umzugehen. Ich bin zufrieden mit meinen Nebenjob und möchte ihn nicht gegen einen x-beliebigen Studentenjob tauschen. Zwei meiner Mitbewohner arbeiten im Gastgewerbe. Das ist viel härter als in einem Sexkino zu jobben. Was ich aber mal nach meinem Studium arbeiten möchte, weiss ich noch nicht. Diese Arbeit werde ich nach dem Studium aber mit Sicherheit nicht fortführen.