«Ich lebe am Minimum. Aber ich mag das»: Akira in seinem WG-Zimmer in Zürich.

«Animes sind meine Vorbilder»

Der Zürcher Musiker Akira hat Ende Sommer sein neues Album «Niños Del Bosque» veröffentlicht. Für ihn hängt alles zusammen: Die Welt, der Wald und wir.

Marc Grüter (Interview) und Marco Galeazzi (Foto)
14. Oktober 2025

Akira, wie hast du die Zeit kurz vor dem Release erlebt? 

Sie war wirklich intensiv. Vor allem wegen der Arbeit, die damit verbunden war. In der Woche vor dem Release war ich mit den Jungs in Italien. So richtig abschalten konnte ich aber nicht, weil ich die ganze Zeit mit dem Kopf beim Album war. Ich habe mich auf jeden Fall darauf gefreut, dass das Ganze endlich in die Welt hinausgeht. 

Vor einem Jahr hast du in einem Interview gesagt, dass sich Musikmachen wie das Erschaffen von Welten anfühlt. Was für eine entstand mit diesem Album? 

Zu Beginn des Prozesses stand ich mit dem Gitarristen Mick und meinem Feature Jaron Ivy in einem Bergwald. Dessen Energie war irgendwie grundlegend für «Niños Del Bosque» – die Kinder vom Wald. Ich hatte diesen Namen in meinem Kopf, als der erste Song entstanden ist. Während der Aufnahmen lief nebenbei die ganze Zeit stumm der Anime «Mononoke». Die Welt auf dem Album würde ich deshalb wie eine von Studio Ghibli beschreiben. Sie ist eine Kombination aus dem, was ich erlebt habe und den Einflüssen meiner Familie und meiner Jungs. Wir wollen eine revolutionäre Welt erschaffen, die eine*n dazu bewegt, vielleicht ein bisschen mehr zu geben, statt die ganze Zeit nehmen zu wollen.

Auch in deinen früheren Werken finden sich Anime- und Manga-Referenzen. Obwohl sich deine Musik stark verändert hat, scheinen diese immer noch präsent zu sein.

Die sind für immer, weisst du (zeigt auf seine Tattoos). Als Kind hast du doch irgendein Vorbild. Bei den meisten ist es die Mutter oder der Vater oder irgendein Fussballer. Bei mir waren es eben Itachi und Sasuke aus «Naruto». Das ist noch heute so. Ich versuche mein Leben, wenn ich kann, wie einen Anime zu gestalten. 

Nebst den Anime-Einflüssen ziehen sich auch lateinamerikanische Rhythmen, wie der Cumbia oder der Salsa, durch das Album. Wie entstand dein Bezug zu dieser Musik?

Auch wenn ich mich zuerst in anderen Musikrichtungen versucht habe, war klar, dass in Zukunft nur lateinamerikanische Musik in Frage kommt für meine eigenen Projekte. Das passt zu dem, was in meinem Leben abgeht. Ich bin jedes Jahr mehrere Monate in Argentinien bei meinem Vater. Viel Inspiration kommt von dort. Vom Folklore beispielsweise: Jorge Cafrune, Facundo Cabral, Mercedes Sosa. Alle haben insofern einen grossen Einfluss auf mich, als sie mich motivieren, auf ihr Level zu kommen, aber natürlich zeitgemäss und in meinem Stil. 

Auf dem Album geht es immer wieder um das Zwischenspiel zwischen Mensch und Natur. Wie blickst du auf diese Thematik? 

Ich sage auf dem Album, dass wir nicht vergessen dürfen, dass die Erde unsere Mutter ist. Wir müssen sie respektieren, indem wir unsere Sachen entsorgen, darauf achten, was wir konsumieren, oder auch nur schon die Art, wie wir einen Baum anschauen. Viele Leute schauen ihn einfach an und er existiert für sie. Sie sind sich nicht mehr bewusst, dass das Leben ohne diesen Bruder vorbei ist. Generell würde ich mir wünschen, dass wir uns ein Stück weit weniger profitorientiert bewegen, sondern eben mehr auch mal etwas geben. Mit diesen Leuten sollte man sich vernetzen und gemeinsam wachsen. So richten wir keinen Schaden an, sondern machen etwas Schönes aus der Welt.

Du hast Profitorientation angesprochen, wie kommst du als Künstler in Zürich zurecht? 

Seit diesem Jahr richtig gut. Ich habe Fördergelder beantragt und überlegt, wie ich mit dem, was ich liebe, Geld verdienen kann. In der Schweiz haben wir so viel Unterstützung in diesem Bereich. Natürlich ist das Leben hier teurer als woanders, aber es gibt dafür so viele verschiedene Möglichkeiten, mit Kunst Geld zu verdienen. Ich gärtnere nebenbei immer noch, bin selbständig und habe Kunden, wenn auch viel weniger als früher. Dazu lebe ich am Minimum. Aber ich mag das.

Das Image, das Rapper oft von sich geben, mit exzessivem Lifestyle und teuren Autos, scheint nicht mehr das zu sein, wofür du stehst. 

Nein, auf keinen Fall. Aber wer will nicht eine schöne Wohnung oder mit einem schnellen Auto fahren? Das ist vielleicht auch ein Zwiespalt in meiner Persönlichkeit. Ich bin aufgewachsen mit Rappern wie 50 Cent und Eminem, bei denen man nach dem Hören ebenfalls Frauen und Geld möchte. Aber irgendwann wächst du da wieder raus. Der ganze Protz ist schön und gut, ich möchte das nicht unbedingt schlecht reden, weil es irgendwie ein Teil dieser Kultur ist. Ich denke aber, dass dieser Weg auf lange Sicht sehr viel Zerstörung mit sich bringt. Mir sind andere Dinge wichtiger geworden. Wenn ich raus gehe und Sport mache, ist das meine Meditation. 

Du hast es schon gesagt, dein Vater stammt aus Argentinien, du bist Stadtzürcher, hast schon auf Englisch, Französisch, Spanisch und Schweizerdeutsch gesungen. In welcher Sprache träumst du? 

Kommt darauf an, von wem ich träume. Von meiner Mutter auf Französisch, denn sie spricht auch so mit mir. Wenn ich im Winter jeweils für drei Monate zu meinem Vater nach Argentinien gehe, fange ich an, auf Spanisch zu denken. Ich versuche die Sprachen immer wieder ein bisschen aufzufrischen. Auch mal auf Englisch zu denken oder mal auf Französisch mit mir selbst zu reden. Einfach damit es mir nicht verloren geht, denn das passiert so schnell. Träumen, würde ich sagen, tue ich in allen Sprachen, aber meistens auf Schweizerdeutsch. 

Abschliessend noch eine kurze Zeitreise: Dein Schweizerdeutsch-Rap «Züri brännt» ist vor zehn Jahren erschienen und steht in grossem Kontrast zu deinem soeben veröffentlichten Werk. Wie blickst du heute auf den Song zurück? Das ist ein Teil von mir. Das würde ich nie leugnen. Ich mache immer noch Witze, die nicht in der Zeitung stehen dürften. Das ist mein Humor und etwas, das man nicht zu ernst nehmen muss. Ich habe auch ganz andere Songs zu dieser Zeit geschrieben. Das ist vielleicht einfach einer, der mehr Aufmerksamkeit bekommen hat. Auch er ist einfach ein Teil von meinem Weg. 

Nach dem Blick in die Vergangenheit noch einer in die Zukunft. Wie geht es für dich jetzt weiter? 

Einfach weiter Musik machen, ins Ausland gehen, um dort von den Meistern zu lernen und mit ihnen zu connecten. Ich habe das Gefühl, in Zürich haben wir schon alles gemacht, was wir können. Im nächsten Schritt möchten wir weitergehen und vielleicht nach Madrid, Mexiko oder Argentinien expandieren.