Profit im Deckmantel der Wissenschaft

Das weisse Pülverchen «Ka-Ex» verspricht, jeglichen Kater zu beseitigen. Unser Autor wagt einen Selbstversuch und spricht mit Sporternährungsforscher Samuel Mettler.

Marc Grüter (Text) und Liv Robert (Illustration)
9. Oktober 2025


«Toum, toum, toum», der Bass dröhnt dumpf durch meine Ohren und ist an diesem Abend etwa so tief wie mein Blick ins Glas. Leicht torkelnd drücke ich mich an anderen Feiernden vorbei, aus dem Club auf die Strasse und direkt in den Bus. Mein Mund und meine Kehle sind völlig ausgetrocknet und schreien förmlich nach Wasser. Zuhause angekommen, liegt die vermeintliche Rettung auf dem Tisch. In einer weissen, beinahe quadratischen Kartonverpackung finde ich 3 Päckchen mit pulverigem Inhalt. Man könnte meinen, es wäre das Produkt einer Strassenapotheker*in mit alternativer Marketingstrategie, doch der Slogan «Backed by science» und das «Ka-Ex»-Logo, verraten, dass dem nicht so ist.

Wie mir von der Packung verschrieben wird, löse ich die 30 Gramm Pulver in einem grossen Glas Wasser auf und rühre es kurz um. Zuoberst hat sich eine dicke Schicht Schaum gebildet, die nun auf dem gelb-orangenen Getränk schwimmt. Das Ganze soll wohl nach Zitrusfrüchten schmecken, ist aber nicht wirklich geniessbar. Müde falle ich ins Bett und wache am nächsten Morgen mit dem altbekannten Brummen im Schädel auf. Etwas enttäuscht blicke ich auf die leere Packung auf dem Tisch.

Von der After an den Spielfeldrand

Mit dem Semesterstart sind auch die Goodie-Bags der Fachvereine wieder zurück. Säckchen, in denen Studierende alles finden was man so an der Uni brauchen könnte. Von Schreibmaterialien über Verhütungsmittel bis hin zu einem Nahrungsergänzungsmittel, das die Bekämpfung von Alkohol- sowie Muskelkater verspricht.

Erfinde dieses Produkts ist der ehemalige ETH-Pharmaziestudent Pedro Schmidt. Ursprünglich als Katerheilmittel konzipiert, wird das Produkt seit einiger Zeit verstärkt im Sportsektor vermarktet. So ist beispielsweise der FC Zürich Partner und seit kurzer Zeit die Schweizer Skirennfahrerin Lara Gut Werbegesicht sowie Investorin. Der Führungsetage liegt der wissenschaftliche Aspekt ihres Produkts sehr am Herzen. Dies ist bei jedem Medienauftritt spürbar. Ziel sei ein Produkt von globaler Relevanz, wie beispielsweise Coca Cola oder Red Bull.

Mit Wissenschaft legimiert

Was etwas hoch gegriffen klingen mag, mache aus wissenschaftlicher Sicht absolut Sinn, meint der Gründer. Auch Investoren scheint das zu überzeugen. Pedro Schmidts Startup hat es Mitte 2025 in die nächste Finanzierungsrunde mit sieben Millionen geschafft Ka-Ex verkauft sowohl für Kapital als auch für Werbevolumen Firmenanteile.

Das Wichtigste, um einen Kater vorzubeugen, ist schlicht Wasser.
Samuel Mettler, Forscher zu Sporternährung an der Fachhochschule Bern

Beides sind Finanzierungsvarianten, die besonders für die Investoren ein hohes Risiko mit sich bringen. Für Unternehmen, deren Ziel es ist, viel abzusetzen, um schnell skalieren zu können, sind sie ideal. Profitmaximierung und Wissenschaft liegen in diesem Falle nah beieinander. Weshalb ein Produkt, das ursprünglich gegen den Alkoholkater entwickelt wurde, nun auch gegen Muskelkater geeignet sein soll, kann mir jedoch auch Samuel Mettler, Forscher zu Sporternährung an der Fachhochschule Bern, nicht beantworten. Denn worauf der Alkoholkater beruht, sei medizinisch noch nicht ganz klar. Ka-Ex behauptet, dass ihr Produkt den Spiegel des Stresshormons Cortisol umbis zu 36 Prozent innerhalb von 48 Stunden zu senken vermag und so sowohl einem Alkohol- als auch einem Muskelkater entgegenwirkt. Aus medizinischer Sicht könne Cortisol aber nicht als spezifische Katermarker eingestuft werden, so Mettler. 

Die Marketingaussagen zum Produkt, die sich auf klinische Studien des amerikanischen Privatunternehmens «Pruvn» berufen, stuft er als wissenschaftlich nicht fundiert ein. Insbesondere warnt Mettler vor Produkten, die behaupten, gegen nahezu alles zu helfen. Der stolze Preis von 8.60 Franken, den man beispielsweise im Coop für drei Päckchen Ka-Ex à 30 Gramm bezahlt, wird wohl von vielen Konsument*innen in Hoffnung auf ein Allzweck-Wundermittel in Kauf genommen. Anders als beim Muskelkater, der durch kleine Schädigungen in den Muskelfasern und akute mechanische Überbelastung entsteht, sind es beim Alkoholkater nach Mettler verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen. Die relevanteste Zutat, um einem Alkoholkater vorzubeugen, ist laut Samuel Mettler schlicht Wasser. Denn dieses hilft gegen die vom Alkohol verursachte Dehydration. Unterstützend könne auch Salz konsumiert werden, was bei Ka-Ex auf 30 Gramm jedoch nur in minimalen Mengen vorhanden ist. Gegen Muskelkater könne vorbeugend ein sinnvoller Trainingsaufbau helfen, sowie ausreichende Proteinzufuhr nach dem Training.

Bouillon bewährt sich

Firmengründer Pedro Schmidt weist die von Samuel Mettler erhobenen Vorwürfe bestimmt zurück. Er beruft sich auf Quellen, die Cortisol zwar mit dem Alkoholkater in Verbindung bringen, aber neben dem Stresshormon viele weitere Faktoren wie Dehydrierung oder Schlafstörungen für ihn verantwortlich machen. Mir persönlich dröhnt der Schädel leider immer noch, weshalb ich mir nun eine Bouillon aufkoche. Die enthält genug Salz in einer Portion, wärmt von innen, schmeckt und kostet nur einen Bruchteil.