Wer den Schildern folgt, findet Miro

Seit 23 Jahren schneidet der Coiffeur beim Hirschengraben die Haare Studierender für nur 20 Franken. Das Geschäft lief aber auch schon besser.

Carla Grigoleit (Text und Bild)
10. April 2025

Wo lässt man sich als Studi in Zürich die Haare schneiden? Die günstigste Option, zu der dich vielleicht das WG-Leben auch schon mal inspiriert hat, ist natürlich, selbst zur Schere zu greifen. Was aber, wenn du dir das (noch) nicht zutraust, dich lange Haare zu schnell nerven und du trotzdem nicht viel Geld ausgeben willst? Vor gut einem Jahr ist an der langen Treppe, die von der Uni Richtung Central führt, ein Schild erschienen. «Miro Coiffeur, Studentenhaarschnitt für 20 Franken», ist darauf in Filzstift zu lesen, symbolisch dargestellt wird man informiert, dass sich der Salon nicht weit vom Ende der Treppe befinden soll. Anfangs fragte ich mich bei jedem Vorbeigehen, wo genau sich das Geschäft denn befinden könnte, nur um es nach den nächsten fünf Treppenstufen wieder zu vergessen. Ganz angesprochen fühlte ich mich auch nicht, denn es schien sich um einen Männerfriseur zu handeln. Inzwischen habe ich es aber geschafft, meinen Mitbewohner zu überreden, sich für journalistische Zwecke einen neuen Haarschnitt verpassen zu lassen. Ich habe ihn dabei begleitet, den scheinbar aus dem Nichts erschienenen Friseur-Salon zu testen. Telefonisch im Voraus einen Termin vereinbaren zu wollen, stellte sich als überflüssig heraus, denn «einfach vorbeikommen» ist hier das Motto. Von grossem Vorteil für alle, die nicht gerne zu spät kommen. 

Schilder als Rettungsaktion

Beim Betreten des Salons werden wir vom Summen der Haarschneidemaschinen begrüsst. Wir befinden uns in einem klassischen kleinen Barbershop; Kundschaft wartend auf der einen Seite und drei konzentrierte Friseure an der Arbeit auf der anderen. Die Klienten sind grösstenteils jung. Aufgrund des selbstgemachten Schildes hatte ich die Erwartung, dass es den Friseur wohl noch nicht lange gibt. Es stellt sich jedoch heraus, dass Inhaber Miro seit 23 Jahren sowohl Studis als auch Dozierenden und Universitätspersonal die Haare schneidet. Sein Geschäft ist darauf ausgerichtet, der Kundschaft in kurzer Zeit einfache Haarschnitte zu schneiden. Die unvergleichbaren Preise für den Coiffeur im Kreis 1 sind seit 23 Jahren dieselben geblieben. Daher müssen am Tag so einige Köpfe frisiert werden, um daran etwas verdienen zu können. Schnelle Finger zu haben, ist das wichtigste Kriterium, das Mitarbeitende hier erfüllen müssen. Es ist viel los in Miros Salon und trotzdem lief das Friseur-Business auch schon besser. Seit der Corona-Pandemie erholt sich das Geschäft nur langsam vom Unterbruch, den der Online-Unterricht an den Unis hinterliess. Deshalb begann Miro, Werbung zu machen, was zu besagtem Schild führte. Mittlerweile hängt es aber gar nicht mehr, denn es wurde einmal beschädigt und dann sogar ganz entfernt. Vielleicht waren die 20 Franken doch ein zu provokanter Preis für die Saboteur*innen. Die Kundschaft ist jedenfalls zufrieden. Besonders stolz ist Miro auf seine Rezensionen bei Google, wo sein Geschäft bei hunderten Bewertungen mit 4.9 Sternen brilliert. Auch wenn ein Haarschnitt bei Miro schnell gehen muss, ist das Geschäft nicht so unpersönlich, wie es klingen mag. Bei den wartenden Kunden erkennt er viele der Gesichter und unterhält sich fröhlich mit ihnen. 

Frauen greifen tiefer in die Tasche

Die meisten gehören zur Stammkundschaft, die Miro bis zum Ende des Studiums treu bleibt. Nach ein paar kurzen Anweisungen scheint für den Friseur der Fall klar zu sein und mein Mitbewohner bekommt einen klassischen Kurzhaarschnitt. Nichts Aufregendes, dafür wurden die Haare gekürzt und sind jetzt weniger lästig. Die ausgewachsene Mähne wurde gebändigt. Trotz Schnelligkeit wird sauber und präzise gearbeitet. Wer also einen unkomplizierten Schnitt möchte, ist bestens aufgehoben. Vielleicht hast du ja noch einen Mullet nötig, bevor es dafür endgültig zu spät ist? Aufwändigere Verfahren wie Färben oder komplizierte Haarschnitte werden jedoch nicht durchgeführt. Eine kleine Enttäuschung meinerseits: Miro bietet zwar Damen-Haarschnitte an, diese kosten aber zwei Franken mehr. Kein riesiger Unterschied, könnte man meinen. Es werden hier aber nur Damen-Kurzhaarfrisuren geschnitten oder bei langen Haaren die Spitzen gekürzt. Also zahlt man als Frau doch zwei Franken mehr für genau dieselbe Dienstleistung. Am liebsten würde ich hier einfach von Haarschnitten ohne Geschlecht schreiben, aber nur wenige Salons in Zürich haben ein genderneutrales Preissystem, das sich auf die Haarlänge bezieht. Preislich bleiben diese aber meist weit entfernt von dem, was man bei Miro bezahlt. Ein Studi-Coiffeur, der nicht auf Männer ausgerichtet ist, fehlt uns noch in Zürich. Bis dahin bekommt man bei Miro einen guten und günstigen Haarschnitt und etwas zu trinken wird einem auch angeboten. Mein Mitbewohner bekommt jedenfalls das zu hören, was man nach einem Friseurbesuch hören möchte: Sieht gut aus. Sieht gut aus.