Eine kurze Geschichte der Pille
1960 kommt die weltweit erste Verhütungspille auf den Markt. Doch diese Errungenschaft für die Gleichstellung der Geschlechter hat eine von Rassismus und Eugenik geprägte Vergangenheit.
Die in New York geborene Krankenschwester und Aktivistin Margaret Sanger gilt als eine der wichtigsten Verfechterinnen des Rechts auf Empfängnisverhütung. 1916 gründete sie die erste Klinik für Familienplanung in den USA. Gleichzeitig war Sanger eine Vertreterin eugenischer Ideologien, die die Kontrolle der Geburtenrate als Mittel zur Bekämpfung von Armut und zur Förderung einer «genetisch überlegenen» Bevölkerung betrachtete. Sie glaubte, dass die Fortpflanzung von Menschen aus sozial benachteiligten und als genetisch minderwertig geltenden Gruppen, insbesondere Armen und weniger Gebildeten, eingeschränkt werden sollte. Ihr Ziel war es, die «genetisch überlegensten» Menschen zu fördern, während die Fortpflanzung derjenigen verhindert werden sollte, die sie als «krank» oder «untauglich» ansah.
1921 gründete Sanger die «American Birth Control League», eine Organisation, die sich für das Recht auf Geburtenkontrolle einsetzte und die Verbreitung von Verhütungsmethoden förderte. Sie baute ein weitreichendes finanzielles Netzwerk auf, das ihr ermöglichte, weltweit Vorträge zu halten und für ihre Anliegen zu werben. Dabei arbeitete sie auch mit umstrittenen Persönlichkeiten zusammen, darunter Lothrop Stoddard, einem bekannten Mitglied des Ku-Klux-Klans. 1951 lernte Sanger den Biologen Gregory Pincus kennen, der auf Reproduktionsbiologie und Unfruchtbarkeit spezialisiert war.
Mit finanzieller Unterstützung von Sanger und der wohlhabenden Frauenrechtlerin Katharine McCormick sowie der wissenschaftlichen Expertise von Pincus begann ein Team von Forschern, an der Entwicklung der «magischen Pille», der ersten oralen Empfängnisverhütung, zu arbeiten. Anfangs wurden Tierversuche mit Kaninchen durchgeführt, bevor auch Frauen in die Studien einbezogen wurden. Die Tests waren aufwendig und forderten viel von den Probandinnen.
Da in den USA strengere Vorschriften für klinische Studien galten, wurden die ersten Versuche in Puerto Rico durchgeführt. Viele der dort beteiligten Frauen nahmen unfreiwillig an den Studien teil. Medizinstudentinnen, die sich weigerten mitzumachen, wurden mit negativen akademischen Konsequenzen konfrontiert. Ein Grossteil der Probandinnen stammte aus armen, marginalisierten sozialen Schichten und hoffte durch die Teilnahme auf Zugang zu besserer medizinischen Versorung. Die Studien folgten oft einer rassistischen Weltanschauung, die Frauen als «Testobjekte» betrachteten.
1960 kam «Enovid» als erste Verhütungspille in den USA auf den Markt. Sie bot Frauen erstmals eine selbstbestimmte Methode der Empfängnisverhütung und ermöglichte eine Familienplanung unabhängig von äusseren Umständen. Gleichzeitig stand die Verbreitung der Pille auch im Zusammenhang mit einer breiteren politischen Agenda, die Geburtenkontrolle als Mittel zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums in bestimmten Regionen der Welt betrachtete.