ETH verdreifacht die Studiengebühren

Die ETH erhöht ab Herbst die Semestergebühren für Bildungsausländer*innen. Drei Betroffene kritisieren den Schritt.

Mantra Kumar (Text) und Mara Schneider (Illustration)
2. April 2025

«Studiengebühren verdreifachen? Das würde doch niemals durchkommen», dachte Sarah*, die aus dem Ausland an die ETH Zürich kam, um Biologie zu studieren, als sie erstmals von den Erhöhungen der Studiengebühren erfuhr. Obschon Sparmassnahmen im Bereich der Bildung schon länger Thema sind, kam die endgültige Entscheidung für viele überraschend. Lee*, ebenfalls Studentin an der ETH, beschreibt ihre erste Reaktion als «überrumpelt». Aïsha* wiederum studiert Architektur und sagt: «Für mich war lange nicht klar, ob und wie genau ich betroffen bin, da ich ja mitten im Bachelor stecke.» Die Ausführung der Regelung sei anfangs völlig unklar gewesen. «Irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass es eine Spezialregelung gibt und man im konsekutiven Master einfach weiterhin die normale Summe bezahlt, aber es schwebte auch die Angst im Kopf, dass sich die Summe für mich verdreifacht», ergänzt sie. Diese Angst hat sich nun offiziell bestätigt: Tritt man als Bildungsausländer*in ab Herbst 2025 ein neues Studium oder den weiterführenden Master an, zahlt man dreimal so hohe Gebühren wie zuvor – egal, ob man den Bachelor bereits an der ETH abgeschlossen hat.

Mehr Betroffene als man denkt

Laut ETH-eigenen Statistiken sind rund ein Viertel der Bachelor-Studierenden nicht aus der Schweiz: Bei Masterstudierenden liegt der Anteil bei fast 50 Prozent, bei Doktorand*innen sogar bei 75 Prozent. Der Entscheid hat also Konsequenzen für viele. Studierende aus dem Ausland haben ohnehin mit der hiesigen Bürokratie, Krankenkassen, Bankkonten, der Wohnungssuche und den Finanzen zu kämpfen. Jetzt wird diese Hürde noch grösser. «Ich habe mich bis dato nie anders behandelt gefühlt als meine Schweizer Mitstudierenden. Wenn ich auf einmal das Dreifache an Studiengebühren zahlen muss, bringt es durchaus ein unangenehmes Gefühl mit sich», sagt Sarah. Dabei werde die Zukunft von Bildungsausländer*innen an der ETH in Frage gestellt: «Bleiben dann nur noch die reichen Ausländer*innen an der ETH und alle anderen werden aussortiert? Wird man automatisch als Snob abgestempelt, wenn andere wissen, dass man selbst Ausländer*in ist und dreimal so viel zahlt?» «Es gibt so viele Orte, an denen man sparen könnte. Für mich macht es überhaupt keinen Sinn, die Kürzungen des Bundes auf die Studierenden abzutreten», findet Aïsha. Sparen könne man besser beim Spesenreglement für ETH-Mitarbeitende. Dieses regelt unter anderem die Vergütung von Dienstreisen. Flugreisen sind inbegriffen – je nach Situation wird Economy- oder Businessklasse bezahlt. Die Schulleitung kann «in jedem Fall» Business fliegen. Alle Schulleitungsmitglieder, Professor*innen und Abteilungsleiter*innen sind zudem berechtigt, «auf Bahnfahrten im In- und Ausland in der 1. Klasse zu reisen.» Negative Auswirkungen befürchten die Befragten nicht nur für sich selbst oder ihr Umfeld: «Meiner Meinung nach schiesst sich die ETH damit selbst ins Knie», sagt Sarah. «Es schadet dem Klima an der Uni, dem Ruf der ETH, dem Prestige und der akademischen Leistung.» Lee überlegte sich im ersten Moment sogar, aus Trotz den Master nicht an der ETH anzutreten. Realistisch gesehen wird sie aber fortfahren müssen, da für sie alternativ nur Dänemark in Frage kommt. Es wird aber kein reibungsloser Übergang werden: «Wenn man von zwei Jahren Masterausbildung ausgeht, habe ich jetzt ein halbes Jahr Zeit, um irgendwo zusätzliche 6'000 Franken aufzutreiben», erklärt die Studentin.

Schweizer Studis: Aufgepasst!

Auch wer nicht Bildungsausländer*in ist, könnte künftig  von einer Teuerung betroffen sein. Wegen Budgetdefiziten beim Bund wurde eine Expert*innengruppe einberufen, die mögliche Sparmassnahmen identifizieren soll. Im sogenannten Gaillard-Bericht wird vorgeschlagen, dass ab 2029 alle Studiengebühren verdoppelt werden – für ausländische Studierende gar um Faktor vier. Von der Studiengebührenerhöhung wären schweizweit alle Fachhochschulen und Universitäten betroffen. Eine Petition des Verbands der Schweizer Studierendenschaften (VSS) gegen die Sparmassnahmen im Bildungsbereich haben schon fast 30’000 Menschen unterschrieben. Der VSS wehrt sich mit den Argumenten des steigenden Fachkräftemangels und der Untergrabung der Chancengleichheit: «Eine Erhöhung der Studiengebühren selektiert nach finanziellem Hintergrund statt nach Talent und Motivation.» Dies sieht Aïsha auch so: «Das Umfeld ist bereits extrem exklusiv, die meisten Studierenden sind Akademiker*innenkinder. Durch die Teuerung wird Bildung noch unzugänglicher.» Jetzt wo die Verdreifachung in Stein gemeisselt ist, werden die drei Studentinnen und viele weitere Betroffene damit klarkommen müssen. Eine Befragte ist zurzeit nicht betroffen, da sie den Master bereits im Frühjahr begonnen hat. Eine weitere Studentin kann ihre Master-Ausbildung im nächsten Semester fortführen, dank der Unterstützung durch ein Stipendium. Man muss sich aber nicht weit umsehen, und es hört sich anders an: «In meinem Freundeskreis habe ich von vielen gehört, die sich nochmal überlegen müssen, ob sie ihren Master in Zürich finanzieren können», sagt Sarah. Die ganze Affäre hinterlässt bei Aïsha einen bitteren Nachgeschmack: «Eine Hochschule wie die ETH, die sich gerne mit ihren ‹internationalen Talenten› schmückt, sollte diese dann auch unterstützen und ihnen nicht noch Steine in den Weg legen.»

*Name der Redaktion bekannt