Hier collagiert unser Autor Lukas Rupp.

Wer macht einen Schweizer?

Der Film «Die Schweizermacher» entlarvt mit Humor die fragwürdigen Methoden des Einbürgerungsverfahrens. Über 40 Jahre nach der Premiere ist er aktueller denn je.

Lukas Rupp (Text und Collage)
20. Februar 2025

Film — Ein deutscher Psychiater sitzt verkrampft vor einem Schweizer Beamten und ringt um die richtigen Worte – seine Zukunft hängt von ihnen ab. Ein italienischer Fabrikarbeiter gibt sich als Tell-Verehrer aus und hofft, dass seine Ehe mit einer Tessinerin ihm das Bürgerrecht sichert. Eine jugoslawische Tänzerin, geboren und aufgewachsen in der Schweiz, kämpft darum, endlich offiziell als Teil dieses Landes anerkannt zu werden. Doch zwischen ihnen und dem roten Pass stehen Max Bodmer (Walo Lüönd) und Moritz Fischer (Emil Steinberger), zwei Einbürgerungspolizisten, die nicht unterschiedlicher agieren könnten. 

Bodmer, ein pedantischer Spiesser, prüft Bewerber*innen auf Herz, Nieren und korrekte Fonduezubereitung, während der weltoffene Moritz Fischer zunehmend an der Starrheit des Systems zu zweifeln beginnt. Dabei findet sich nicht nur die klassische «Good Cop, Bad Cop»-Konstellation, sondern auch ein gewisser helvetischer Dualismus – wie es der Philosoph Georg Kohler nennt. Damit ist der politische Basiskonsens gemeint, der in der Schweizer Demokratie von links bis rechts reicht. Die Kleinkariertheit und das grundsätzliche Misstrauen Bodmers werden durch die Progressivität und das kulturelle Interesse Fischers ausgeglichen. Beide Pole scheinen die Schweiz als Nation abzubilden. Fraglich ist, ob beide in der Schweiz gleich stark vertreten sind. 

Zwischen 1968 und 1977 kamen gleich vier «Überfremdungsinitiativen» zur Abstimmung. Eine davon, die Schwarzenbach-Initiative, forderte einen maximalen Ausländer*innenanteil von zehn Prozent in der Schweiz. Seither ist die politische Linke vor allem darum bemüht, gegen die verschärften Forderungen von rechts anzukämpfen. Angesichts der kommenden Abstimmung über die Demokratie-Initiative lohnt es sich nun umso mehr, die bitterkomische Analyse von Regisseur Rolf Lyssy über die Schweizer Integrationspolitik anzusehen. Er offenbart ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte: Die unangemeldeten Hausbesuche bei Immigrant*innen, wie sie im Film zu sehen sind, waren teilweise Bestandteil der Fremdenpolizei, die von 1909 bis 1998 existierte. 

Durch die Demokratie-Initiative gibt es nun erneut Hoffnung auf ein zeitgerechteres Einbürgerungsverfahren. Bei Annahme der Initiative könnten Ausländer*innen, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz sind, zu keiner längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, die Sicherheit der Schweiz nicht gefährden sowie Grundkenntnisse einer Landessprache haben, eingebürgert werden. 

Schikane im Einbürgerungsverfahren 

Während früher in Gemeindeversammlungen über den Status von Ausländer*innen abgestimmt wurde, erfolgt die Einbürgerung in der Schweiz heute durch ein mehrstufiges Verfahren. Der Prozess kann aber auch heute noch ungerecht und schikanös verlaufen, wie die Plattform «einbürgerungsgeschichten.ch» aufzeigt. Doch 40 Jahre nach der Veröffentlichung des Films ist klarer denn je: Die Schweiz ist nur als vielfältiges Gemisch verschiedener Kulturen denkbar. 

Während die NZZ den Film in den höchsten Tönen lobte («amüsant und hinterhältig plausibel»), war das Werk vielen aus dem linken Lager allzu versöhnlich. Zürichs junge Linke war revolutionär, angriffslustig und radikal. Das Happy End des Films war undenkbar. Auch viele engagierte Intellektuelle empfanden den Film als zu pragmatisch und naiv. Besonders euphorisch zeigte sich die Bündner Zeitung: «Lyssy hat uns die intelligenteste, hintergründigste und beste Schweizer Filmkomödie seit langem beschert. Und die ungemütlichste.» Letzteres beschreibt die kathartische Wirkung des Films: Unbehagen als Ausgangspunkt für Reflexion – und bestmöglich auch für Aktion.