Sachschaden
Steile These – Zu Robotern böse sein zeugt von schlechtem Charakter. Let me explain: Vor zwei Wochen ging Kai Cenat, ein berühmter Twitch-Streamer, viral. Grund war ein kontroverses Video, in dem der Streamer und seine Freunde einen humanoiden Roboter schlagen und schubsen. Der Roboter, der laut Herstellerwebseite «durch seine bemerkenswerte Flexibilität und fortschrittliche Technologie beeindruckt und menschliche Bewegungen äusserst präzise nachahmt », hat etwa die Grösse und das Gewicht eines achtjährigen Kindes. Sogar als dieser umfällt und am Boden liegen bleibt, treten die Männer weiter auf ihn ein und verspotten ihn.
Die Zuschauenden gaben auf etlichen sozialen Plattformen ihr Urteil ab und teilten sich dabei in zwei Gruppen. Die einen verteidigten Cenat gegen die woke Cancel-Kultur, die Roboterleben so hoch gewichtet wie Menschenleben, und keinen Witz daran findet, etwas zu schlagen, zu kicken und zu beleidigen. Die anderen äusserten Schock und düstere Zukunftsaussichten: Wenn einer so Spass daran hat, etwas Wehrlosem Gewalt anzutun, wo hört es dann auf? Das soll keine Spekulation über das Verhalten von Kai Cenat sein. Vielleicht wird er nie in seinem Leben gewalttätig. Doch meine Meinung ist klar: Es ist richtig, Leute zu verurteilen, die gemein zu Dingen sind.
Diesen Grundsatz habe ich zum Indikatorenkatalog meines Moralkompasses hinzugefügt. Er eignet sich perfekt dafür, die Spreu vom Weizen zu trennen, und misst eine Information, die alle gerne preisgeben. Seit ChatGPT das Licht der Welterblickte, besteht der Smalltalk um mich herum nicht mehr aus Klagen über das Wetter und Unistress, sondern aus den Erfahrungen, die man mit dem Chatbot gemacht hat. Das hört sich etwa so an: «ChatGPT schreibt den ganzen Code für meine Bachelorarbeit.» «Ach ja? Das wollte ich auch tun, aber statt meine Frage zur Migrationspolitik in den 70ern mit echten Quellen zu beantworten, halluziniert er einfach irgendetwas. Jetzt muss ich meine Geschichtsarbeit selber schreiben.» Und nebenbei erzählen die Leute, wie sie ChatGPT behandeln.
Manche sind höflich, wie zu einem Professor, andere geben knappe Anweisungen ohne «bitte» und «danke». Wieder andere schnauzen den Chatbot an, spätestens dann, wenn er nicht das tut, was sie wollen. Ich hatte mich einmal ein bisschen in einen Mitstudi verguckt, bis er mir erzählte, dass er ChatGPT immer Befehle gibt und ihn anschreit, wenn er Fehler macht, in Grossbuchstaben und mit Fluchwörtern. Instant ick. (lea)