Blackbox Modulbuchung
Seit zwei Jahren hat die Uni nun eine neue Modulbuchung. Doch viele Studis fragen sich bis heute: Wie funktioniert die eigentlich? Wir haben nachgefragt.
Das Erklärvideo zur «neuen Modulbuchung» an der Uni lässt wohl auch bei den kaltherzigsten Zuschauer*innen euphorische Feriengefühle aufwallen. Zwischen den Palmen am Strand buchen hier entspannte Studierende ihre Vorlesungen und Seminare bei Sonnenuntergang aus der Hängematte. Die Botschaft ist klar, sie prangt in fetten Buchstaben zuoberst auf der Website: «Modulbuchung leicht gemacht». Doch wer sich unter den Studierenden umhört, merkt schnell: Die Realität erinnert eher an Skiferien, in denen man die Ski vergessen hat. Eine gelungene Umsetzung sieht anders aus.
Schluss mit Module horten
Die Zentrale Informatik der Uni hat die neue Modulbuchung im Herbstsemester 2022 nach vier Jahren Vorbereitung eingeführt – und damit die seit Jahren kritisierte «first come, first serve»-Regel abgelöst. Bis dahin wurden alle Module, bei denen die Plätze begrenzt waren, nach einem simplen wie gnadenlosen Prinzip verteilt: Die Schnellsten erhielten die beliebten Module, alle anderen mussten sich mit dem abfinden, was übrig blieb. Diese Wildwest-Regel war weder bei der Uni noch den Studis beliebt. Zum entscheidenden Zeitpunkt überrannten jeweils alle Studierenden die Buchungsplattform, die Server waren überlastet; angesagt waren Frustration und technische Pannen.
«Hamsterbuchungen» von Modulen waren an der Tagesordnung – und sowieso: Wer nicht am entscheidenden Freitagmorgen um 10 Uhr Zeit hatte, alles stehen und liegen zu lassen, musste danach darum kämpfen, überhaupt die nötigen Module für den Studienabschluss zusammenzubringen. Personen mit einem Job oder schlechtem Internet hatten so keine Chance auf beliebte Module. Die neue Modulbuchung hat darum vor allem etwas geändert: Einen Anfragezeitraum und Prioritäten statt «first come, first serve» bei den platzbeschränkten Modulen. Neu können Studis innerhalb eines Zeitraums Plätze in Modulen «anfragen» und dabei Prioritäten angeben. Etwa zwei Wochen vor Unistart werden diese dann verteilt. Wie das im Detail funktioniert, weiss aber eigentlich kaum jemand. Der Kern des Problems liegt in der Funktionsweise der Prioritäten – denn diese ist anders, als man intuitiv meinen würde: Prioritäten werden nicht etwa gegeneinander abgewogen, um dann allen Studierenden ein Modul mit möglichst hoher Priorität zuzuteilen, erklärt die Medienstelle der Universität Zürich.
Stattdessen werden Module einzeln betrachtet. Das heisst konkret: Plätze in einem Modul werden einfach aufgefüllt. Zuerst bekommen alle Studierenden einen Platz, die das Modul als erste Priorität gewählt haben, dann alle, die es als zweite Priorität haben und so weiter – bis das Modul voll ist. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob jemand noch andere Module angefragt hat, noch ein anderes Modul erhält oder nicht, und wie viele Module jemand gerne hätte. Das führt zu absurden Situationen: Es kann zum Beispiel gut sein, dass man seine erste Priorität nicht erhält, weil zu viele Studierende das Modul auch als erstes wollen. In diesem Fall entscheidet laut der Medienstelle der Zufall. Bei der zweiten Priorität hat man aber dann schon schlechtere Chancen, weil alle Studierenden mit erster Priorität Vorrang haben. Dass man in so einem Fall seine eigene erste Priorität nicht erhalten hat, ist dem System aber egal. So kann die Zuteilung darin enden, dass gewisse Studierende aus Prioritätsglück alle angefragten Module erhalten, andere aber gar keines davon. Diese Glücklosen müssen dann zwei Wochen vor Unistart hoffen, dass noch irgendwo ein Platz frei wird, der in ihren Stunden- und Arbeitsplan passt. Damit stehen sie dann trotz aufwendiger Prioritäten-Planung noch blöder da wie zu «first come, first serve»-Zeiten. Denn damals waren die freien Plätze wenigstens schon mehrere Wochen vor Unistart klar.
«Die Fakultäten können sicherstellen, dass die Studis, die am meisten Anspruch auf einen Platz haben, diesen auch bekommen.»
So mussten zum Beispiel einige Studierende der Politikwissenschaft wegen diesem Mechanismus ihre Bachelorarbeit zu einem Thema schreiben, dass sie nicht interessierte – obwohl sie zahlreiche andere Prioritäten angegeben hatten. Besonders problematisch ist aber, dass in der Prioritätenliste die Module von Haupt-und Nebenfach in einen Topf geworfen werden. Studis mit zwei Fachrichtungen, in denen es viele platzbeschränkte Module gibt, geraten so nicht nur in ein Dilemma zwischen den zwei Fächern, sondern müssen auch in einem unfairen Wettbewerb um ihre Module kämpfen. Denn andere Studierende, die beispielsweise in einem Fach gar keine Anfragemodule haben, haben einen massiven Vorteil: Sie können alle ihre höchsten Prioritäten für die Module des einen Fachs vergeben und haben so bessere Chancen. All diese Probleme liessen sich lösen, wenn Prioritäten wie überall sonst gehandhabt würden – als Grundlage für die bestmögliche Lösung für alle. Dazu bräuchte es nur die Option, innerhalb einer Gruppe von Modulen anzugeben, wie viele man davon haben möchte, und dann alle Module nach Priorität zu ordnen. So könnte man problemlos allen Studierenden ermöglichen, die richtige Anzahl Module mit der bestmöglichen Priorität zu erhalten. Sehr viel unsinniges Stornieren und Neuzuteilen von Modulen in letzter Minute würden wegfallen. Es fragt sich: Warum geht das nicht?
Uni schiebt Verantwortung ab
Die Universität Zürich zeigt wenig Verständnis für die Probleme – und sieht die Verantwortung bei den Fakultäten. Diese könnten, so erklärt die Medienstelle, die Modulbuchung sehr individuell ausgestalten, indem sie sogenannte «Zulassungskriterien» für Module definieren. Ein Kriterium kann etwa sein, dass Studierende aus dem eigenen Fach Vorrang haben vor denen aus anderen Richtungen. Es wäre aber zum Beispiel auch möglich, dass die Fakultäten bei bestimmten Abschlussmodulen allen Studierenden einen möglichst guten Platz gewährleistet – das sieht auch die Uni so. Sie findet deshalb: «Über die Zuteilungskriterien kann bereits sichergestellt werden, dass jene Studierenden, die den berechtigtsten Anspruch auf einen Platz haben, diesen auch erhalten». Auf Anfrage zeigt sich: Die Fakultäten wissen zwar von der Existenz der Zulassungskriterien – genutzt werden sie aber fast nicht. Die Wirtschaftswissenschaftliche und die Rechtswissenschaftliche Fakultät nutzen sie gar nicht, die Theologische ganz selten. Auch die Philosophische Fakultät nutzt sie nur bei sieben von 397 Anfragemodulen. Den Fakultäten ist offensichtlich nicht klar, dass sie es in der Hand hätten, ihren Studierenden das Leben ein gutes Stück leichter zu machen. Der Ball liegt nun also, wie so oft, bei den Studierenden und den Fachvereinen. Wer mit der Modulbuchung unzufrieden ist, dürfte im Gespräch mit dem Institut oder über den Fachverein durchaus Chancen auf Verbesserungen haben. Die grundlegenden Probleme des neuen Systems wird aber auch ein Flickenteppich von Kriterien nicht lösen. So lange Studierende nicht kommunizieren können, wie viele Module sie überhaupt buchen möchten, bleibt eine sinnvolle Zuteilung unmöglich. Wenn die Zentrale Informatik die Anliegen der Studis ernst nehmen will, muss sie bei diesem System noch einmal über die Bücher.
Korrigendum
In der ursprünglichen und gedruckten Version dieses Artikels der ZS 6/24 wurde die "zentrale Informatik" als Urheberin der Zitate der Uni genannt. Das war nicht korrekt – die Auskünfte kamen von der Medienstelle der Universität Zürich, die dafür gemäss eigenen Angaben mit verschiedenen Stellen in der Uni Kontakt hatte. Wir entschuldigen uns für den Fehler.