Langsam vergehen
Es sabbert, es säuert, es saftet. Wenn die ungebrauchten Reste, die niemand mehr will, zu lange verhocken, bilden sich unausstehliche Düfte, die Insekten aller Art anlocken. Dieser beissende Saft, dem man sich alle paar Wochen beim Entleeren des Kompost stellen muss. Wer mag das schon? Lieber friert man die Reste direkt ein, sobald man sie nicht mehr gebrauchen kann. Ich widme ihnen eine ganze Gefrierfachschublade, wo ich sie aufbewahre, sammle und dann wieder retourniere an die Natur, ohne ihr Zersetzen mitzuerleben. Ich hoffe, für die Bananenschale und die Schimmelzitrone ist das kein Schock, diese brutale Kälte. Erwarten tun sie’s bestimmt nicht.
Durch den Gefrierprozess wird die Zeit angehalten und ihr natürlicher Zerfall unterbrochen. Sie sind wie abgekapselt in einer anderen Sphäre und existieren nicht mehr in unserer vergänglichen Welt. Irgendwie gruselig. Aber auch schön. Dadurch erhalten sie eine neue Aufmerksamkeit und Beachtung meinerseits. Normalerweise würde man den Kompost einfach wegwerfen, ihn möglichst schnell loswerden wollen, raus aus dem Haus, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Die Kälte lässt die Abfälle in ihren verschiedenen Formen erstarren und verharren. Einzelne Gemüsefetzen heften sich zusammen und bilden neue Figuren. Sie schmiegen sich aneinander, benutzen sich gegenseitig als Gefäss oder Stütze. Der abgekaffelte Maiskolben legt sich in die ausgehöhlte Avocadoschale. Die zwei Selleriesorten haben sich verbündet und bilden ein Schiffchen mit der Selleriestange als Mast. Solche Konstruktionen halten unsere Blicke auf, auf dem Weg zur Entsorgung.