Nicht selten schlängeln sich Velos um die Blechkisten auf Zürichs Strassen.

Die Verkehrsre(velo)tion

Ein Gespenst geht um in Zürich, gegen das sich alle Mächte des alten Zürichs zu einer heiligen Hetzjagd verschworen haben: die SVP und die FDP, der Auto-Zar Peter Grünenfelder und die NZZ.

Dylan Duran (Text und Foto)
5. Dezember 2024

Das Velo hat sich im städtischen Kontext als klare Alternative zum Auto erwiesen. Es ist platzeffizient, klimaschonend, sicher und kostengünstig. Die Externalitäten von Velos sind im Gegensatz zum motorisierten Verkehr gering. Sie produzieren nur wenig Reifenabrieb, erzeugen keinen Lärm für Anwohnende und sorgen insgesamt für ein sichereres Zürich. Die Zürcher Stadtbevölkerung hegt dementsprechend Wünsche für eine Verkehrswende: 2020 nahm sie die Initiative «Sichere Velorouten für Zürich» an. Im Rahmen der Umsetzung der Initiative plant die Stadt ein 50 Kilometer langes Netz an Velovorzugsrouten. Dieses soll das Unfallrisiko für Velofahrende aktiv senken und das Pendeln erleichtern. Dazu sollen Temporeduktionen auf Quartierstrassen für Autos sowie verstärkte Sicherheitsmassnahmen an Knotenpunkten eingeführt werden. Dabei geht es nicht darum, das Autofahren unmöglich zu machen, sondern eine rücksichtsvolle Verkehrskultur zu fördern – ein Zürich, in dem alle sicher und frei unterwegs sein können.

Im September äusserten die Stimmberechtigten an der Urne erneut den Wunsch nach einer zukunftsfähigen Mobilitätslösung. Das Fundament für den Wandel legten die im Herbst angenommenen Gegenvorschläge zu den Stadtklima-Initiativen zum Ausbau einer Fussgänger-, Velo- und ÖV-freundlichen Infrastruktur und einer grossflächigen Begrünung der Strassenräume. Im Rahmen der «Velostrategie 2030» erarbeitete die Stadt im März neue Richtlinien, die bei der Umsetzung weiterer Projekte gelten. Die neuen Richtlinien folgen einer klaren Philosophie: Velofahren und zu Fuss Gehen soll altersunabhängig für alle sicher und zugänglich sein. Das Velo-Netz soll klar strukturiert, durchgängig und fehlerverzeihend gebaut sein, damit es intuitiv verständlich ist und jede Fahrt zur Freude wird. Zürich scheint damit kurz vor einer regelrechten Verkehrsrevolution zu stehen. Angesichts der zunehmenden Popularität des Radsports und der wiederkehrend geäusserten Bedürfnisse nach auto-alternativen Räumen erstaunt dies nicht.

Auto-Lehrstuhl?

Die Mobilität ist keineswegs ein unpolitisches Thema. Die Interessen der Autoimporteure und der Erdöl-Lobby stehen zukunftsorientierten Lösungsvorschlägen gegenüber: Eine klimaschonende Verkehrspolitik, unter der weniger Autos auf der Strasse fahren und somit weniger Erdöl verbrannt wird, liegt nicht in ihrem Interesse. Peter Grünenfelder, Präsident des Verbands Auto Schweiz, der die demokratisch abgesegnete Verkehrspolitik Zürichs als «linken Irrsinn» bezeichnet, kündigte gegenüber der NZZ am Sonntag an, der Verband wolle Verkehrsprofessuren an Schweizer Universitäten sponsern. Peter Grünenfelder, Präsident von Auto Schweiz, sagt im Interview mit der NZZ: Die Geldgebenden würden bei der Auswahl des Personals ein Mitspracherecht behalten, die Forschung soll jedoch unabhängig bleiben. Ein solcher Vertrag liege bereits zur Unterzeichnung bereit. Ein möglicher Interessenskonflikt oder die Frage der akademischen Integrität bleibt dabei unerwähnt.

Professor Axhausen, der am ETH Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme unterrichtet, sagt:«Akademische und finanzielle Angelegenheiten sind grundsätzlich gut getrennt. Man muss vor allem darauf achten, Publikationsrechte zu sichern.» Es stellt sich aber die Frage, ob das genügt, um die schleichende Einflussnahme auf langfristige Forschungsschwerpunkte zu verhindern. Denn oft gilt: Wer zahlt, nimmt Einfluss. Laut Axhausen sei es unwahrscheinlich, dass die Autolobby die nötigen 20 Millionen in einen solchen Lehrstuhl an der ETH investieren würde: In der Regel seien die Autoverbände zu arm für solche Ausgaben. Dabei wirken 20 Millionen, verteilt auf eine Million pro Jahr über 20 Jahre, nahezu wie Kleingeld, wenn man bedenkt, dass die Autoindustrie in der Schweiz jährlich 94 Milliarden erwirtschaftet. Ein solcher Lehrstuhl könnte zudem entscheidend dazu beitragen, autozentrierte Planungen in der Forschung und Lehre zu verankern – eine Investition mit potenziell enormer Rendite.