Multilingual und multiinstrumental
Fiona Fiasco macht Musik, die vielschichtig, multilingual und nicht leicht zu verorten ist. Zurzeit arbeitet sie an ihrem neuen Album, das im Gegensatz zu ihrem ersten Album mit Melodiesinfonie mehr Singer-Songwriter-Elemente beinhalten wird.
Sie kommt von der Treppe hinunter, winkt mich hinein und wir laufen durch ein kleines Musiker*innenparadies. Wir spazieren von Zimmer zu Zimmer, die Böden sind bedeckt mit verschiedensten persischen Teppichen, die für ein heimeliges Gefühl sorgen. Stereoanlagen, Audioboxen, Mikrofone und Instrumente füllen das gesamte Atelier. Am Ende des Ganges biegen wir ab, dort befindet sich Fionas kleines, durch Sonnenstrahlen erhelltes Reich. In der Mitte des Raums steht ein roter flauschiger Stuhl, an der Wand hängen abgerissene Papierstücke mit poetischen Kritzeleien. Fiona macht mir einen Tee, wir setzen uns hin und beginnen zu plaudern.
Vom kleinen Projekt zum Hauptberuf
Fiona Fiasco, mit bürgerlichem Namen Fiona Cavegn, ist nicht die Musikerin, die man sich gewohnt ist. Auf die Frage, wer sie ist und was sie macht, sprudeln nicht gleich Antworten und Erzählungen heraus, sondern sie sagt mir schlichtweg mit einem Schmunzeln im Gesicht, dass sie diese Frage am schlechtesten beantworten könne. Bescheiden und unangeberisch erzählt sie von ihrem Werdegang. Musikerin ist mittlerweile ihr Hauptberuf. 2019 veröffentlichte sie ihr erstes Lied, «Mona Lisa».Der Song, sanft, aber lebendig, stiess auf unerwartet grosse Resonanz - ohne dass viel Werbung dafür gemacht wurde. Vielleicht auch wegen des rätoromanischen Textes, vermutet Fiona. Damals wollte sie einfach einen Song herausgeben und es möglichst gut machen.
2020 entschied sich Fiona Cavegn für den Künstlernamen «Fiona Fiasco». Im selben Jahr begann sie die Zusammenarbeit mit dem Musikproduzenten Melodiesinfonie, der mit bürgerlichen Namen Kevin Wettstein heisst. Gemeinsam gaben sie das Album «Forever Faking Memoirs» heraus. Man könnte es als eine Mischung von Lo-Fi Beats und 80s Electronica-Sound beschreiben. Kevin spielte auf dem Album Schlagzeug, beide spielten Gitarre und Bass. Der Musikstil ist stark geprägt von Kevins Melodiesinfonie-Sound selbst. «Melodiesinfonie hat einen Signature Style und ich habe mich in dem eingefügt», erzählt Fiona. Nun möchte sie ihren musikalischen Stil unabhängig von diesem Projekt weiterentwickeln. Ihr jetziger Stil ist mehr in einer Singer-Songwriter-Ecke zuhause und stellt ihre eigene Stimme mehr in den Vordergrund.
Seit ihrem abgeschlossenen Sound Arts Studium and der Hochschule der Künste Bern hat sie noch mehr Zeit, um sich ihrer Musik zu widmen. Nebenbei arbeitet sie in einem Museum, die anderen Tage teilt sie sich selbst als Musiktage ein. «Wenn ich einen Musiktag habe, komme ich hierhin, mache meine Laptopsessions auf und arbeite daran weiter», erzählt sie. Mit Laptopsessions sind ihre angefangenen Tonaufnahmen gemeint, an denen sie in ihren Musikprogrammen herumtüftelt. Heutzutage lassen sich jegliche Instrumente ins Programmen einfügen. Doch gerade dies entspreche dann überhaupt nicht Fionas Klangästhetik. Ihr Song und ihr Stil bedinge Liveinstrumente. Die Lieder schreibt sie selbst, aber den Rest macht sie lieber mit anderen Künstler*innen gemeinsam. Denn: «Es gibt so viele talentierte Musiker*innen. Es ist umso schöner, wenn man mit Leuten gemeinsam Musik machen kann, die man sehr gern hat.»
Die künstlerische Identität auf Social Media
Zurzeit musiziert und produziert sie vor allem mit ihren zwei Freunden Luki und Simon. «Ich habe die Oberaufsicht, aber wir sind alle am Mitproduzieren», sagt sie. Es sei eine ständig andauernde Feedbackschlaufe von ihrer Arbeit allein zurück zu ihren Freunden, die ihr wiederum weitere Änderungsvorschläge geben würden. Da die Lieder von Fiona selbst geschrieben werden, ist es manchmal schwierig, ihren Co-Artisten zu erklären, wie die Gefühle und Gedanken hinter den einzelnen Zeilen aussehen. Um dieses Problem zu lösen, helfen ihr Bilder. «Ich versuche alles gut zu verbildlichen. Bei diesem Song sehe ich mich bei dieser und jener Landschaft oder es ist wie ein solcher Song, wo man im Bett liegt und das Fenster offen ist. Der Wind weht und der Vorhang bewegt sich. Dann, glaube ich, wissen meine Co-Artisten genau, was ich meine», sagt sie mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Geht man auf die Info-Website der Künstlerin findet man nebst den Links für Bandcamp, Spotify und Apple Music auch noch die Links zu Instagram und Tiktok. Ich wollte wissen, welche Rolle Instagram und Social Media für ihre künstlerische Identität spielt. «Ich würde nicht sagen allzu sehr für meine künstlerische Identität, sondern eher umgekehrt. Ich probiere meine künstlerische Essenz, die ich habe, in mein Social Media einzubringen», sagt sie. Die sozialen Medien sind heutzutage unabdingbar, um Leute zu erreichen, wenn man Musik macht, und Fiona versucht dies auf eine Art zu tun, hinter der sie stehen kann.
«Die rohen Land-Bergschaften machen etwas mit mir»
Fiona Fiasco ist seit einigen Jahren in Zürich zuhause, geht aber immer noch gerne zurück nach Brigels, um ihre Familie zu besuchen. Brigels hat einen starken Einfluss auf ihr Dasein und auf ihre Musik. Sie ist sich sicher, es wäre ganz anders, wenn sie in einer Stadt aufgewachsen wäre. Dies merke sie immer wieder. Sie ist froh darüber und noch heute bringt ihre Heimat eine Nähe zur Natur, die sie erst jetzt wieder am Entdecken ist. «Die rohen Berglandschaften, irgendwie machen die etwas mit mir, das ist schon noch schön», schwärmt sie. Aber auch an der Liebe zur Stadt mangelt es nicht. Es ist kein Zufall, dass die Musikerin nun in einer Stadt lebt. Seit ihrer Kindheit sei das ihr Wunsch gewesen.
Wie Fionas Zukunftsplan aussieht, weiss sie noch nicht. Zwar gebe es bereits jetzt die Möglichkeit, ausschliesslich von ihrer Musik zu leben, ohne auf ihren Nebenjob angewiesen zu sein. Dennoch möchte sie nicht in die Lage geraten, Konzerte anzunehmen, die sie nur aus finanziellen Gründen spielen muss. «Deswegen finde ich es schön, nebenbei einen Job zu haben, der mir das wie ein bisschen absichert, so kann ich in der Musik wirklich das machen, worauf ich Lust habe», schlussfolgert sie. Momentan konzentriert sich Fiona darauf, ihr Projekt abzuschliessen und herauszugeben. Dieses sei irgendwo im Folk zu verorten: «Es hat viele Lieder, in denen Tiere vorkommen. Das ist funny. Aber wenn man Folk sagt, dann hören Leute was ganz anderes als das, was ich eigentlich meine. Deshalb meide ich dieses Wort ein bisschen. Aber im Grunde stelle ich es mir wie Pop vor, mit einer Folk-Note.»