Gaillard-Kommission bittet Studierende zur Kasse

Der Bund muss sparen und erwägt eine Erhöhung der Semestergebühren. Der Zugang zur Bildung ist gefährdet.

Melissa Berliat (Text) und Adam Burri (Illustration)
4. November 2024

Seit dem Ende der Corona-Pandemie steigen die Ausgaben des Bundes. Grund dafür sind die Kosten für die Bewältigung der Pandemie, der Ukraine-Krieg und die Auswirkungen des Kriegs im Nahen Osten. Gleichzeitig fliesst mehr Geld in die Armee, was zu zusätzlichen Ausgaben führt. Nun wird die Schuldenbremse gezogen, weshalb der Bund eine fünfköpfige, externe Expert*innengruppe einberufen hat, die mögliche Sparmassnahmen identifizieren soll. Unter der Leitung von Serge Gaillard überreichten die Expert*innen dem Bundesrat am 4. September 2024 einen detaillierten Bericht, der 60 potenzielle Entlastungsmassnahmen aufzeigt. Sparpotenzial sieht die Expert*innengruppe unter anderem bei der Bildung. Schweizer Studierende sollen in Zukunft doppelt so hohe Studiengebühren bezahlen müssen, ausländische Studierende viermal so viel.

Mehr Selbstfinanzierung

Hält der Bund sich an die vorgeschlagenen Sparmassnahmen, spart er laut dem Gaillard-Bericht bis 2027 3,909 Milliarden Franken ein, bis 2030 sogar 4,918 Milliarden Franken. Besonders ins Auge fällt dabei die Spargruppe «Entlastungsmassnahmen aufgrund von Effizienzüberlegungen». Diese macht fast die Hälfte der Gesamtsparsumme im Jahr 2027 aus. Hier soll vor allem im Sozialwesen und beim Klimaschutz gespart werden. Zu den Effizienzmassnahmen zählt ebenfalls eine stärkere Nutzer*innenfinanzierung im Hochschulbereich. Gemeint ist damit, dass die Kosten, die vom Bund getragen werden, auf die Nutzer*innen, also die Studierenden, abgewälzt werden. Doch nicht nur bei den Studiengebühren, sondern auch im Bereich der internationalen Mobilitätsprogramme sieht die Kommission Sparpotenzial. Insgesamt rechnen die Expert*innen mit einer Entlastung von 267 Millionen Franken bis 2030 im Bereich der Bildung. 

Die Studiengebühren decken nur einen kleinen Teil der anfallenden Kosten eines Studiums. Tatsächlich sind es nach Angaben der Uni Zürich sogar weniger als zwei Prozent. Den mit Abstand grössten Kostenanteil übernehmen der Bund und die Kantone, was die Studiengebühren in der Schweiz vergleichsweise niedrig hält. Gleichzeitig steigen die Ausgaben des Bundes für Bildung, Forschung und Innovation seit einigen Jahren stark an. Dies soll sich nun ändern: In die Hochschulen soll zwar weiterhin investiert werden, aber in einem kleineren Rahmen. 

Um zu verhindern, dass das Geld wegen der Sparmassnahmen knapp wird, empfiehlt der Gaillard-Bericht eine höhere Selbstfinanzierung der Studierenden. Gerechtfertigt sei dies, weil eine gute Ausbildung ihren Preis habe. Von den Sparmassnahmen sind nicht nur die Universitäten und Fachhochschulen im Kanton Zürich betroffen, sondern die der ganzen Schweiz. «Deshalb vertritt Swissuniversities die Interessen der Hochschulen in diesem Prozess», so Barbara Simpson, Medienbeauftragte der Uni Zürich.

Swissuniversities ist die Rektor*innenkonferenz der Schweizer Hochschulen und berät den Bund und die Kantone in bildungspolitischen Fragen. Sie setzt sich aber auch für die Interessen der Universitäten ein – etwa wie im Falle der angekündigten Sparmassnahmen. Individuelle Regelungen bestimmen die Hochschulen unter Berücksichtigung der Empfehlungen von Swissuniversities. Dies ist ein längerer Prozess, weshalb konkrete Massnahmen laut Simpson wohl erst im Verlauf des Jahres 2025 zu erwarten seien.

Chancengerechtigkeit sinkt

Gemäss dem Bundesamt für Statistik werden rund 17 Prozent der Studierenden finanziell ausschliesslich von ihrer Familie unterstützt. Eine Mehrheit gibt mehrere Einnahmequellen an, zu denen Unterstützung durch die Familie, Stipendien, Darlehen oder Erwerbsarbeit gehören. Damit steht fest, dass einige Studierende neben dem Studium einer anderen Beschäftigung nachgehen müssen, um ihr Studium und den Unterhalt zu finanzieren. Eine Erhöhung der Studiengebühren hat demnach Konsequenzen für einen Grossteil der Studierenden. Wertvolle Lernzeit muss geopfert werden, um sich das Studium überhaupt leisten zu können. Besonders Studierende aus einkommensschwachen Familien werden benachteiligt. An dieser Stelle sollen kantonale Stipendien zum Zuge kommen, so Gaillard. Er vermutet ausserdem, dass Studierende, die neben dem Studium Geld verdienen, zielgerichteter studieren. Stellt sich hier aber nicht vielmehr die Frage, ob man neben der Arbeit überhaupt noch genügend Zeit und Energie hat, um zu studieren?

Ein Plan der Uni fehlt

Die Uni Zürich äussert sich nur vage zu der Brisanz der Sparmassnahmen: «Für die Universität Zürich ist es ein Selbstverständnis, dass ein Studium all jenen offen stehen muss, welche die nötigen Voraussetzungen und Fähigkeit mitbringen – unabhängig von ihren finanziellen Mitteln.» Unklar bleibt, wie dies sichergestellt werden soll und in welchen Bereichen Sparmassnahmen effektiver und studifreundlicher wären. In einem Interview mit der Republik äussert sich Serge Gaillard gegenüber der momentanen Lage gelassen: «Die Finanzlage ist nicht besonders dramatisch. Gerade deshalb sind auch unsere Vorschläge nicht dramatisch.» Die Ausgaben des Bundes würden weiterhin steigen, jedoch nicht so stark wie in den letzten Jahren.

Gaillard setzt zudem auf das konstruktive Denken der Politiker*innen und des Volks. Der Bericht mache deutlich, wie ernst die Lage sei und dass etwas unternommen werden müsse. Dies soll die Menschen zum Nachdenken anregen, so Gaillard gegenüber der NZZ. Setzen sich die vorgeschlagenen Massnahmen der Komission durch, so hat dies Konsequenzen für viele Studierende. Wie es der Universität Zürich gelingen will, mit den vorgeschlagenen Einsparungen allen ein Studium zu ermöglichen, die über die nötigen Fähigkeiten verfügen, ist momentan noch nicht geklärt.