Editorial #5/24
Sportlich – Bewegung tut dem Körper gut. Das lernen wir schon als kleine Kin der in der Schule. Mütter und Väter joggen mit Kinderwagen durch die Langstrassen Unterführung, die Jungen gehen lieber im ASVZ Gewichte stemmen als Party zu machen.
Im 18. und 19. Jahrhundert, als die Nationen im heutigen Sinn entstanden, verstand man Sport als etwas Kollektives – ein Dienst, der dem Vaterland zu erbringen war. Durch die zunehmende Individualisierung in westlichen Gesellschaften wurde Sport zu dem, was man heute darunter versteht: Fitness (S. 8-9). Fit ist, wer sich ausreichend bewegt und auf die Ernährung achtet. Tut man das nicht, kommt der Verdacht auf, dass man der Achtlosigkeit oder Faulheit verfallen ist. Der moderne Mensch hat nämlich präventiv für seine Gesundheit zu sorgen. Wer braucht eine Krankenkasse, wenn es morgendliches Joggen gibt? Die Verantwortung wird abgeschoben: Wer fit ist, zahlt weniger Prämien.
Nur: Wer profitiert wirklich von diesem Wahn? Das Messen und Zeigen der sportlichen Leistung sind der Kern des heutigen Fitnesstrends. Obwohl Selbstvermessung kein neues Phänomen ist, hat sich seine Bedeutung und Anwendung im 21. Jahrhundert stark verändert. Neuerdings kann man mit einem «smarten» Fingerring Schritte, Schlaf und Kalorienverbrennung tracken. Die Ergebnisse werden nicht nur festgehalten, sondern beeinflussen selbst alltägliche Entscheidungen (S. 10).
Im Zuge dessen verändert sich auch das sportliche Angebot: An der Europaallee trampeln Zürcher*innen zu Technobeats in die Pedale (S. 11) und weltweit rennen Menschen – sogar ohne Vorbereitung – einen Marathon (S. 11). Wie schafft man es, in der Ära der Fitness einfach Sport zu treiben? Den Unterschied macht der Spass an der Sache, ohne Zwang, vielleicht gemein sam. Sogar das Messen muss nicht zu kurz kommen – sportlicher Wettbewerb statt Quantifizierung des Selbst.