Die neuen Co-Präsidient*innen waren schon vor ihrer Amtszeit politisch aktiv.

«Der Fokus ist politisch»

Lange hatte der VSUZH mit Personalmangel zu kämpfen. Bei den letzten Wahlen wurden fünf Stellen neu besetzt. Ein Gespräch mit den Co-Präsident*innen über eine neue Ära der Bildungspolitik.

Gena Astner (Interview) und Lucie Reisinger (Foto)
4. November 2024

Meliha Alićušić und Dominic Tobler übernehmen nun gemeinsam mit Sébastian Margot das Co-Präsidium des VSUZH. Meliha ist bei verschiedenen Studierendenorganisationen wie dem «feministischen Philosophie Kollektiv», der «Palestine Student Association» (PSA) und gelegentlich beim «Fachverein Philosophie» engagiert. Zurzeit studiert sie Philosophie im Master. Dominic studiert im Bachelor Informatik und Politikwissenschaften. Bisher war er vor allem bei der Klimabewegung aktiv. Vor Kurzem hat er sich bei der SP für den Nationalrat aufstellen lassen. Bei den letzten Wahlen war er auf der SP-Queer-Liste.

Was hat euch dazu bewegt, im VSUZH aktiv zu werden?

Meliha: Ich interessiere mich dafür, auf welchen Denkmustern und Vorstellungen unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Der VSUZH bietet mir die Möglichkeit, mich in die Unipolitik einzubringen, auf Missstände hinzuweisen und diese bestenfalls korrigieren. Ich finde es wichtig, dass die Stimmen der Studierenden in so einer grossen Institution nicht untergehen.

Dominic: Lange war es für mich schwierig, mich im Unikontext zu engagieren, da ich mein Studium selbst finanziere. Heute arbeite ich Teilzeit und habe genügend Kapazität, um für den VSUZH zu arbeiten.

Gleich fünf Stellen wurden neu besetzt. Wie verlief die Amtsübergabe?

Dominic: Der Wechsel ist immer noch im Gang. Wenn fünf von sieben Stellen neu besetzt werden, ist das natürlich eine Herausforderung. Die ehemaligen Vorstandsmitglieder haben uns aber sehr engagiert eingearbeitet.

Neu seid ihr zu dritt im Präsidium.

Meliha: Das liegt vor allem an unseren Kapazitäten. Alle fünf neuen Vorstandsmitglieder hatten angegeben, dass sie nicht genügend Kapazitäten für das Co-Präsidium hätten. Weil es bei der Wahl aber besetzt werden musste, haben wir uns dazu entschieden, es zu dritt zu machen. Zusätzlich übernehmen wir noch das Ressort Events.

Was steht denn als erstes an?

Meliha: Am 24. Oktober haben wir ein Gespräch mit dem Rektorat. Dabei geht es um eine Ausstellung zur Geschichte von Palästina und zum aktuellen Genozid. Geplant war diese bereits vor einem Jahr. Kurz bevor sie hätte stattfinden sollen, wurde sie aber von der Uni abgesagt mit der Begründung, dass die Studierendenorganisationen eine grössere Ausstellung organisieren könnten, wenn sie erst im folgenden Semester stattfinden würde. Doch dann wurde sie erneut abgesagt.

Womit hat die Uni das begründet?

Meliha: Die Uni hat nicht klar kommuniziert, welche bürokratischen Hindernisse diese Ausstellung so erschweren. Wir wissen nur, dass auch Druck vom Kanton – der rechts ist – kommt. Zudem fürchten viele Akademiker*innen um ihre wissenschaftliche Freiheit, wenn es um Palästina geht. Die Uni muss dafür sorgen, dass ihre Mitarbeitenden und die Wissenschaftsfreiheit geschützt werden.

Der VSUZH hat auch eine Veranstaltungsreihe zum Thema geplant.

Meliha: Nicht ganz. Die Veranstaltungen zum Genozid in Gaza werden von Studiorganisationen geplant. Der VSUZH unterstützt und begleitet diese Organisationen und ihre Projekte, weil wir da auch klaren Handlungsbedarf sehen. Der VSUZH hat selbst keine Veranstaltungsreihe geplant. Das Thema Antisemitismus wird aktuell an der Uni im Rahmen einer öffentlichen Ringsvorlesungsreihe besprochen.

Wofür wollt ihr euch sonst noch einsetzen?

Meliha: Wir möchten uns auch mehr um Nachteilsausgleiche kümmern. Es gibt viele Studierende, die einen brauchen, aber von der Uni nicht genügend unterstützt werden. Das Ziel des VSUZH ist es, Massnahmen wie beispielsweise ein Kaskaden-modell zu erarbeiten, damit diese einfacher und reibungsloser beantragt und ausgestellt werden können. Zum Thema sexualisierte Belästigung haben wir auch was in Planung. Da sind die Gleichstellungskommission und eine Arbeitsgruppe für sexuelle Belästigung an der Uni Zürich involviert.

Im September wurden die Sparmassnahmen der Gaillard-Kommission veröffentlicht. Studierende sollen künftig mehr zahlen.

Dominic: Genau, man möchte Studiengebühren erhöhen, vor allem für ausländische Studierende. Bildung ist jetzt schon ein Privileg, muss aber für alle zugänglich sein. Gerade in einer Zeit von Fake News und Desorientierung ist es umso wichtiger, in Bildung zu investieren, und eben nicht abzubauen. Aber auch in puncto Klimapolitik ist es mir wichtig, dass die Uni ihrer Verantwortung nachkommt und ökologisch handelt.

Inwiefern?

Dominic: Die Uni muss hier als Bildungsinstitution ein Vorbild sein. In gewissen Bereichen macht das die Uni schon, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben. Das «Klimaneutralitätsziel 2030» der Uni finde ich zum Beispiel super. Aber ich frage mich, was das konkret heisst. Wenn Professor*innen ihr Flugverhalten ändern müssten oder das vegane Menü in der Mensa zum Standard werden würde, wären das Schritte in eine ökologische Richtung. In Kombination könnte die Uni wirklich klimaneutral werden. 2030 ist ambitioniert, aber machbar.

Euer Fokus liegt also auf Hochschulpolitik. Zeigt sich dieser auch in geplanten Events?

Dominic: Auf jeden Fall. Das muss sich dort zeigen. Sie sollen auf bildungspolitische Themen aufmerksam machen. So können wir Menschen vernetzen und für gewisse Themen sensibilisieren, mit denen sie vorher nicht in Kontakt standen. Ich glaube, der VSUZH hat bei gewissen das Image «Die machen nur Party» und bei anderen das Gegenteilige: «Die kümmern sich nur um langweilige Themen». Am Schluss sind wir als Vorstand für alle Studierenden da. Wenn wir Zugang zu ihnen finden, indem wir mal eine Party schmeissen, dann darf das auch sein. Das ist per se nicht verwerflich. Dennoch: Der Fokus ist politisch.