Deine Oma, meine beste Freundin
«Gerne würde ich in einer altersdurchmischten Genossenschaft wohnen. Meine Studierendensiedlung ist mir mittlerweile zu einseitig geworden», schreibe ich vor zwei Wochen in eine Wohnungsbewerbung. An die Besichtigung wurde ich nicht eingeladen. Ich hätte gerne intergenerationelle Freund*innenschaften.
Manchmal frage ich mich, wie und wo ich diese Menschen kennenlernen könnte, ohne dass ein hierarchisches Verhältnis von Arbeit oder Ahnenschaft besteht. In einem Verein? Beim Baden am Letten? An einem Brettspielabend im Quartier? Mein engeres Umfeld besteht ausnahmslos aus Leuten zwischen 19 und 30 Jahren. Ich treffe sie an der Uni, in Bars, an Geburtstagen, an denen wir uns über unsere quarterlife crisis austauschen. Doch wo bleiben die Menschen anderer Generationen; schlafen die alle, wenn wir am Freitagabend ausschwärmen? Wieso bleiben Zufallsbegegnungen aus?
Im Film «Crossing», den ich kürzlich im Kino gesehen habe, brechen die pensionierte Lehrerin Lia und der junge Arbeitslose Achi zusammen nach Istanbul auf. Am Anfang ihrer Reise ist ihr Altersunterschied deutlich spürbar. Sie wissen nicht wirklich, wie sie miteinander kommunizieren und umgehen sollen. Je länger sie unterwegs sind, desto mehr rückt die Unbehaglichkeit in den Hintergrund. Sie streiten, versöhnen sich, trinken und halten einander beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht. Solche Geschichten berühren mich, besonders wenn sich ausserhalb der Kernfamilie generationenübergreifende Freund*innenschaften formen. Aber gibt es solche Beziehungen auch abseits des Bildschirms? Seit Kurzem bin ich Teil eines feministischen Kollektivs, wo auch ältere Menschen mitwirken.
Eng befreundet bin ich mit diesen Menschen jedoch nicht; wir diskutieren, organisieren und revolutionieren zusammen, aber wie Lia und Achi sind wir nicht. Obwohl ich weiss, dass solche intimen Beziehungen existieren, finde ich sie nicht – vielleicht, weil ich die ältere Person neben mir im Kino oder an der Bushaltestelle nicht anspreche. Wenn ich es doch tue, bleibt es oft bei einem höflichen Gespräch über das Wetter, dann trennen sich unsere Wege.
Könnte daran liegen, dass oberflächliches Geplänkel nicht ausreicht – ich müsste wohl bewusster auf Menschen zugehen, um echte Verbindungen zu schaffen. Denn mich reizt der Gedanke, nicht ständig in derselben Mittzwanziger-Echokammer zu verweilen, in der viele nicht wissen, was sie wollen oder wer sie sind. Was tun also? Im Karl*a der/die Grosse läuft seit März ein Format namens «Generationen», das durch Debatten und Foren generationenübergreifende Begegnungen fördert. Ich glaube, da gehe ich mal vorbei – falls es nicht klappt, versuche ich es vielleicht nochmals mit einer Wohnungsbewerbung.