Die beiden Steintafeln stehen gegenüber dem Chipperfield-Bau des Kunsthauses.

Zwei Grabsteine vor dem Asien-Orient-Institut

«Es ist kein tapferer Mann, der die Anstrengung scheut», heisst es in Latein auf einer der Steintafeln. Wofür stehen diese neuen Denkmäler im Uni-Quartier?

Lucie Reisinger (Text und Foto)
23. September 2024

Seit Ende April stehen vor dem Asien-Orient-Institut zwei Steintafeln, die auf den ersten Blick aussehen wie zwei grosse Grabsteine. Was haben die dort zu suchen? Zwei QR-Codes, die an der linken Seite angebracht wurden, klären auf: Die beiden Steintafeln sind alles, was von den 1880 erbauten Turnhallen übrig geblieben ist, die 2015 der Kunsthauserweiterung weichen mussten. Damals schmückten sie den zum Heimplatz gerichteten Eingang des älteren Turnhallenbaus. Die Denkmalpflege des Kantons, die Stadt Zürich und die Universität haben beschlossen, die beiden Tafeln möglichst nahe am ursprünglichen Standort wieder aufzustellen. 

Finanziert wurde das ganze Vorhaben von einem städtischen Fonds. In Zukunft liegt deren Unterhalt in der Verantwortung der Uni. Eine Wiedereinbettung der Tafeln im neuen Chipperfield-Bau wäre wohl konsequenter gewesen, doch damals hatte man keine geeignete Möglichkeit gesehen, die Tafeln zu integrieren. Beide Tafeln werden von einer goldenen lateinischen Inschrift verziert: «Sit mens sana in corpore sano» – «Es sei ein gesunder Geist in einem gesunden Leib» – wurde im frühen 19. Jahrhundert zum Bannerspruch der jungen Turnbewegung. «Non est vir fortis qui laborem fugit» – «Es ist kein tapferer Mann, der die Anstrengung scheut» – ist ein idealtypischer Ausdruck der strengen Arbeitsmoral Zürichs und auch auf den Sport ­übertragbar. 

Es bleibt offen, was uns das genau sagen soll. Die beiden Denkmäler sollen mehr als nur Relikte eines historischen Gebäudes sein: Sie würden laut Beschreibung der Stadt Zürich als «Fenster in die Vergangenheit» nicht nur in die vergangene Baukunst, sondern auch in die Geschichte des Heimplatzes Einblick bieten. Während die beiden Steintafeln wohl weiterhin viel Stirnrunzeln bei den Studierenden auslösen werden, können sich der Zürcher und Schweizer Heimatschutz freuen, die sich damals vehement gegen den Abriss der Turnhallen einsetzten: Zumindest hat ein kleiner Teil davon überlebt.