Wo bleibt der bezahlbare Wohnraum?

News — Die Stiftung Jugendwohnheim setzt sich für günstiges Wohnen für Studierende ein – doch auch sie spürt die Wohnkrise. Die Mieten steigen drastisch an. Geschäftsführer Patrik Suter nimmt Stellung.

23. September 2024

Herr Suter, was denken Sie: Welche Ansprüche dürfen Studierende an ihre WGs haben?

Den Studierenden und Berufslernenden sind beim Wohnen zwei Sachen wichtig: die Lage und der Preis. Am liebsten würden alle in den Kreisen 4, 5 oder 6 wohnen und dafür wenig bezahlen. Diese Zeiten sind vorbei. Als ich vor zehn Jahren beim JUWO anfing, hielten viele Schwamendingen für ein Provinzquartier. Heute haben wir kein Problem, in diesem Teil der Stadt Wohnungen zu vermieten.

 Aber es ist doch kein Luxusanspruch, in derselben Stadt wohnen und studieren zu wollen?

Luxus würde ich es nicht nennen. Ein Anspruch ist es aber. Man muss Erwartungen in den Kontext der wirklichen Verhältnisse setzen.Wenn im Zentrum viel Wohnraum für junge Menschen entsteht, fehlt der Platz für ältere Leute oder Familien.

 Letztes Jahr kündigten Sie an, dass in den nächsten zwei Jahren Mietpreiserhöhungen von zehn Prozent zu erwarten seien. Ist das eingetroffen?

Ja, sowohl private Eigentümer*innen als auch Genossenschaften und Stiftungen, die günstigen Wohnraum nach dem Modell der Kostenmiete anbieten, haben ihre Mieten seit letztem Jahr erhöht. Das JUWO ist in einer Art Sandwich-Position: Da wir Wohnraum hauptsächlich untervermieten, entscheidet letztendlich die Eigentümerschaft, ob die Miete steigt.  

Aus welchen Gründen kann die Eigentümerschaft die Miete erhöhen?

Zum einen wurde der Gebäudeversicherungsindex, der den geschätzten Wiederaufbauwert eines Gebäudes angibt, im Kanton Zürich in den letzten drei Jahren um fast 15 Prozent erhöht. Die Mieten wurden dementsprechend angepasst. Zusätzlich stieg der Referenzzinssatz um 0,5 Prozent. Man sagt: 0,25 Prozent Zins ergibt Mieterhöhungen von etwa 3 Prozent. Ältere Gebäude sind zudem teurer, da die Kosten für den Unterhalt und das Heizen höher sind als bei Neubauten. 

Wie verrechnet das JUWO eigentlich die Nebenkosten?

Beim JUWO gelten Pauschalpreise, die auf den Durchschnittswerten der letzten drei Jahre basieren. Das Heizungrunterdrehen macht sich nur preislich bemerkbar, wenn es kollektiv über längere Zeit geschieht.

Was macht so ein Luxusmarkt in Zürich mit den Mietpreisen und der Nachfrage der JUWO?

Bei der Ressource Boden greift der wirkliche Marktmechanismus nicht. Nachfrage und Angebot gleichen sich schon lange nicht mehr aus, da es beschränkt Boden gibt und die Besitzenden in der Machtposition sind. Genossenschaften und auch das JUWO versuchen Immobilien zu kaufen, können jedoch nicht jeden Preis zahlen. Persönlich befürworte ich Rendite-einschränkende Massnahmen, wie sie grundsätzlich im Mietrecht vorgemerkt, jedoch nicht durchgesetzt werden. Eine Mietzins-Deckelung wäre aber ein sehr grosser Eingriff in den Immobilienmarkt, mit Konsequenzen, die man kaum vorhersehen kann. Zum Beispiel könnten dann Investor*innen sagen, dass sie gar nicht mehr bauen oder renovieren. Das wäre auch nicht sinnvoll.

Welche Verantwortung hat hier die Stadt Zürich?

Die Stadt muss Rahmenbedingungen gewährleisten, die dem Volkswillen entsprechen. Die Mehrheit der Bevölkerung hat etwa für das Drittelsziel gestimmt. Ein Drittel aller Wohnungen soll gemeinnützig sein. Momentan ist es ungefähr ein Viertel, und der Anteil wächst nicht. Ob der städtische Wohnraumfonds von 300 Millionen Franken ausreicht, um das anspruchsvolle Ziel zu erreichen, ist fraglich. Die Stadt engagiert sich aber auf jeden Fall. Andere Städte staunen, wenn sie hören, welche Möglichkeiten wir in Zürich haben.

Wie bewerten Sie Studierendenwohnheime, die von Privatinvestor*innen erbaut wurden?

Private Investor*innen investieren primär in studentisches Wohnen, um ihre Immobilienportfolios zu diversifizieren. Sie bauen für Studierende, die sich höhere Mieten leisten können. Eine gezielte Vergabe der Wohnungen an Studierende mit tieferem Einkommen ist so nicht möglich. Ich bin mir nicht sicher, ob die Universität Zürich und die ETH sich das so vorgestellt haben, als sie Bauland für Private ausgeschrieben haben.

Das JUWO versucht denen zu helfen, die es am nötigsten haben. Das Einkommen der Eltern wird aber nicht berücksichtigt. Weshalb?

Eltern sind rechtlich nicht dazu verpflichtet, ihren Kindern nach der Erstausbildung Wohnraum zu bezahlen. Jedoch verlangen wir von den Eltern, eine sogenannte Mitfinanzierungsbestätigung zu unterschreiben. Damit bürgen sie für ihr Kind und geben dem JUWO eine Sicherheit, da wir kein Mietzinsdepot verlangen. Beim JUWO besteht ansonsten nur die Regelung, dass die Bewohner*innen nicht mehr als 30’000 Franken brutto im Jahr verdienen dürfen. Damit schauen wir, dass die günstigen Wohnungen den jungen Personen zugutekommen, die es während der Ausbildung nötig haben. 

Patrik Suter arbeitet seit 2014 als Geschäfts­leiter des JUWO. Bild: zVg