Hinsetzen statt auseinandersetzen
Thema — Helmut Horten baute sein Vermögen massgeblich durch die Enteignung jüdischer Unternehmen auf. Heute trägt ein Vorlesungssaal an der ETH seinen Namen – ohne dass seine Vergangenheit thematisiert wird.
Im Oktober 2021 feierte die Helmut Horten Stiftung ihr fünfzigjähriges Bestehen im Helmut-Horten-Vorlesungssaal der ETH Zürich. Seit ihrer Gründung hat die Stiftung rund 70 Millionen Franken an die ETH, die Universität Zürich und das Universitätsspital Zürich gespendet. Die Gelder flossen vor allem in verschiedene medizinische Forschungsprojekte und Institute.
Die Aufzeichnung der Jubiläumsfeier ist auf der Website der ETH öffentlich zugänglich. Horten wird als «visionärer Geschäftsmann» bezeichnet, als «grosszügiger Unternehmer, der seinen Erfolg mit der Gesellschaft teilen wollte». Die umstrittene Herkunft seines Vermögens fand jedoch weder in den Reden noch auf den Webseiten der ETH, der Uni Zürich oder des Unispitals Erwähnung. Helmut Horten war Gründer eines Warenhauskonzerns in Düsseldorf und profitierte während der Zeit des Nationalsozialismus stark von der Arisierung, der Zwangsenteignung jüdischer Unternehmen. Zwischen 1936 und 1939 erwarb er mehrere Kaufhäuser von jüdischen Eigentümer*innen, die vom NS-Regime gezwungen wurden, ihren Besitz weit unter dem Marktwert zu verkaufen. Jüdische Mitarbeitende entliess er und trat 1937 in die NSDAP ein.
Die Stelle für Hochschulkommunikation antwortet auf Nachfrage zur fehlenden Transparenz: «Der ETH Zürich und der ETH Foundation ist die Kritik bekannt». Eine konkrete Stellungnahme gibt es nicht. Sie verweist stattdessen auf die Website der Stiftung. Diese reagierte im September 2021 auf wachsenden Druck aus der Öffentlichkeit mit einem Gutachten, durchgeführt von Historiker Peter Hoeres. Es relativiert die Anschuldigungen und beschreibt Horten als Geschäftsmann, der zu Jüd*innen «relativ fair» gewesen sei, besonders im Vergleich zu anderen. Diese Aussage nimmt er später zurück. Laut Hoeres habe Horten aber nicht als Anhänger des Nationalsozialismus gehandelt, sondern aus Opportunismus. Verschiedene Historiker*innen kritisierten das Gutachten, es spiele den Effekt Hortens auf Jüd*innen und ihren Lebensunterhalt herunter. Der Umgang der Hochschulen mit ihren Verbindungen zum Nazi-Regime bleibt schwammig.
Der «Code of Conduct» der ETH bezüglich Spenden von privaten Geldern hält fest, dass nur Spenden von «vertrauenswürdigen» Quellen angenommen werden. Laut Medienstelle reichen folgende Kriterien bereits aus: Die Stiftung und alle ihre Vertreter*innen sind bekannt, transparent und von den Schweizer Institutionen beaufsichtigt. Ihre Gelder müssen von Schweizer Banken überwiesen werden. Eine Auseinandersetzung mit der Herkunft der Spendengelder ist nicht nötig. Es scheint, als werde der öffentliche Dialog gemieden – auf Kosten einer ehrlichen Aufarbeitung und der Erinnerung an das Leid der jüdischen Opfer. So trägt auch der Vorlesungssaal am Hönggerberg noch immer kommentarlos den Namen eines ehemaligen NSDAP-Mitglieds.