Widerstand im Kleinen
Es ist heiss, meine Tasche ist schwer, der Bus fährt gleich. Genervt muss ich erkennen, dass die schnellste Route, die mir mein Navigationsapp vorschlägt, versperrt ist. Und dann ist da noch diese ältere Person vor mir. Wohl dem Gesundheitszustand geschuldet, geht sie nicht schnell, aber doch erstaunlich zielstrebig ihren Weg. Geradewegs auf diesen Trümmerhaufen zu. Weder dieser kleine Stapel Bauschutt, noch der Bagger, der weiterhin fleissig alles aus dem Weg schaufelt, hindert sie daran. Sie kennt ihren Weg. Derselbe, den sie wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten nimmt. Nichts wird sie davon abhalten.
Kämpferisch erklimmt sie den Betonhügel. Mit ihrem Gehstock fest in der Hand überwindet sie Platte für Platte. Ihre stilvolle und sorgfältig gepflegte Kleidung verleiht dem Anblick etwas Heroisches. Mir wird klar, diese Person leistet Widerstand, und zwar ganz bewusst. Sie will festhalten an der Welt, wie sie sie schon so lange kennt, die floralen Muster auf ihrem Oberteil zeigen es uns, weiss auf schwarz. Mit Bravour lässt sie die Hürde hinter sich. Angestiftet von dieser mutigen Person steige auch ich über diesen instabilen Haufen, der mit jedem Schritt einzubrechen droht. Sie bleibt stehen und schenkt mir ein Lächeln. Ein Erlebnis, das mir noch länger nachhallen wird, auch als ich den Busbahnhof erreiche und erfahre, dass mein Bus eine Stunde Verspätung hat. Ich warte mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
