«Wir müssen uns wieder mehr einmischen»
Nach ewiger Suche hat der Verband der Studierenden der Uni Zürich einen neuen Co-Präsidenten gefunden: Sébastian Margot über Personalmangel beim VSUZH und sexuelle Belästigung an der Uni.
Die Position als Co-Präsident war nun mehrere Monate lang ausgeschrieben. Was denkst du, wieso?
Ich habe das Gerücht gehört, dass es beim VSUZH derzeit nicht so gut läuft. Und das könnte natürlich abschreckend wirken.
Läuft es denn wirklich nicht so gut?
Ich glaube, im Moment ist der VSUZH etwas eingeschlafen. Vielleicht liegt das am Generationenübergang. Viele Ältere sind gegangen und nun braucht es neue Leute.
Ihr habt also Personalmangel?
Ja, zwei Stellen im Vorstand sind schon längere Zeit unbesetzt. Es haben sich zwar schon einige Personen beworben, doch nur solche, die Englisch sprechen. Aufgrund der Strukturen der Uni muss man für diese Positionen aber Deutsch können. Daran können wir leider nicht viel ändern.
Nun geht auch Co-Präsidentin Laura Galli. Ist Unipolitik out?
In jüngster Zeit gab es mehrere Proteste an der Uni, etwa zum Thema Studium mit Behinderung. Und das zeigt, dass Interesse an Hochschulpolitik besteht. Doch oft beschränkt es sich dann auf ein Thema. Zudem gibt es auch in den Fachvereinen viele gute Leute, welche meist dort bleiben. Ich glaube also nicht, dass Unipolitik out ist. Vielleicht müssen wir die guten Leute einfach besser abholen.
Hast du schon Ideen?
Nein. Ich denke aber schon, dass es Wirkung zeigen könnte, wenn wir regelmässig beweisen, dass wir uns für die Studis einsetzen. Zum Beispiel wurde nun von verschiedenen Seiten kritisiert, dass die Uni die Fallzahlen von sexueller Belästigung an der Hochschule geheim hielt. Hier haben wir uns für mehr Transparenz starkgemacht. Jetzt hat die Uni uns die Zahlen geschickt und wir haben sie publiziert.
Was hat dich für das Amt motiviert?
Zuerst wollte ich eigentlich einen anderen Posten im Vorstand übernehmen. Doch dann habe ich die freie Stelle gesehen. Da ich den VSUZH als Gewerkschaft der Studierenden ansehe, fand ich es wichtig, dass der Posten des Co-Präsidiums besetzt ist.
Es war also pure Selbstlosigkeit?
Nein, das würde ich nicht sagen. Von einem guten Unibetrieb profitiere ich auch. Es war eher so: Wenn es niemand macht, wieso nicht ich?
Welches Thema wirst du als erstes angehen?
Beim Thema sexuelle Belästigung passiert schon viel. Nun, wo die Zahlen veröffentlicht wurden, muss dringend das Reglement für sexuelle Belästigung überarbeitet werden, das schon 17 Jahre alt ist*. Ein anderes Anliegen ist mir, den Nachteilsausgleich gesamtuniversitär zu lösen. Momentan dürfen die Fakultäten hier zu viel selbst entscheiden, was zu ungleichen Bedingungen führt.
Apropos Gleichstellung: Eine Forderung der Studis, die immer wieder kommt, ist das flächendeckende Einführen von Podcasts.
Ich finde es ehrlich gesagt eine Frechheit, dass die Uni nach der Pandemie mit den Podcasts wieder zurückgeschraubt hat. Denn sie sind zentral für Personen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Während Corona hat es auch funktioniert, also sollte es ja grundsätzlich möglich sein, besonders bei Vorlesungen.
Der VSUZH beschäftigte sich nun stark mit dem Umgang der Uni mit dem Nahost-Konflikt. Gemäss dem offenen Brief herrsche an der Uni ein Klima des Schweigens. Wie stehst du dazu?
Ich glaube, die Uni hat hier vor allem falsch kommuniziert. Wir haben nun mit dem Rektorat abgemacht, dass sie bei ausserordentlichen Lagen dem VSUZH zuerst einen Vordruck einer Mitteilung senden, sodass wir die Sicht der Studierenden einbringen können. Um dem Konflikt Raum zu geben, wird es nächstes Semester im Lichthof eine Ausstellung mit Bildern vom Nahost-Krieg geben. Die hätte eigentlich schon dieses Semester stattfinden sollen, ist aber an der Bürokratie der Uni gescheitert.
Kürzlich hat die Uni den Rechtslibertären Markus Krall quasi ausgeladen. Der CDU-Politiker Friedrich Merz durfte jedoch kritiklos seine Ansichten teilen. Wo sollte die Uni die Grenze ziehen?
Das mit Friedrich Merz hat der VSUZH gegenüber der Unileitung angesprochen. Denn auch die Unileitung sagt, dass sie grundsätzlich keinen einseitigen Diskurs will. Doch mit dem Vortrag von Friedrich Merz haben sie dem Politiker ohne Widerrede eine Bühne gewährt, was meiner Meinung nach nicht in Ordnung ist. Grundsätzlich finde ich, dass jeder an der Uni reden darf, aber nicht ohne Kritik und solange nicht diskriminiert wird.
Läuft der Kontakt zur Uni gut?
Seit ich angefangen habe, läuft es ganz gut. Aber ich habe auch gemerkt, dass man manchmal ein wenig Druck machen muss. Wenn die Uni eine Bringschuld hat, muss man darauf bestehen.
Was möchtest du sonst noch tun?
Der VSUZH hat sich in der Vergangenheit mehr mit sich selbst als mit der Uni beschäftigt. Das müssen wir nun abhaken und uns nun wieder mehr in die Unipolitik einmischen.
*Korrektur: In der ursprünglichen Version standen hier noch die Sätze «Zum Beispiel wird der*die potentielle Täter*in umgehend informiert, wenn sich eine Person an die Kommission ‘Schutz vor sexueller Belästigung’ wendet. Das ist falsch, da dann die Hürde, einen Fall zu melden, grösser ist.»
Diese Angaben sind nicht korrekt: Mutmasslich belästigende Personen werden – sofern keine akute Gefährdungssituation vorliegt – nur mit dem Einverständnis der mutmasslich betroffenen Person kontaktiert.