Vor dem UZH Forum soll es Platz für «interdisziplinären» Austausch geben.

Sechs Jahre Grossbaustelle – doch was dann?

Im Herbst werden die Turnhallen an der Rämistrasse 80 abgerissen, sechs Jahre später soll das neue Forum UZH stehen. In der Planung gehen die Stimmen der Studierenden und die Veloabstellplätze unter.

Linn Stählin (Text und Fotos)
8. Mai 2024

Spaziert man von der Tramhaltestelle «Platte» Richtung Universität, kommt man an den Turnhallen der «Rämistrasse 80» vorbei. Umzäunt erkennt man einen Fussballplatz, eine Rundlaufbahn und ein altes Gebäude, gebaut von Max Haefeli anfangs der 1940er. An jeder Hausecke ist eine andere Kuriosität zu entdecken; von der Soldatenstatue «Wehrwille» bis zu den verschiedenen Graffitis von Harald Nägeli, betitelt mit «Totentanz». Noch wird das Haus viel genutzt, vom Frühsport der Gymnasiast*innen bis zum abendlichen Unihockey-Training des ASVZ gehen die Leute an der Rämistrasse ein und aus.

Dies soll sich nun ändern: Am 4. April hat die Universität Zürich den positiven Bauentscheid der Stadt Zürich erhalten. Die Turnhallen werden dem Forum UZH weichen, einem neuen Bildungs- und Forschungszentrum, realisiert vom Architekturbüro Herzog & de Meuron. Darin wird es neben verschiedenen Hörsälen, Mensen, Cafeterien, Sporthallen und einer grossen Bibliothek auch  Platz für ein Forum geben – angelehnt an das antike Vorbild:, ein Ort des Zusammenkommens und des Austauschs für das ganze Quartier.

«Bis Mitte Mai 2024 läuft noch die Rekursfrist zum Bauentscheid der Stadt Zürich. Anschliessend wird dem Projekt nichts mehr im Weg stehen. Es gibt zurzeit keinerlei Anzeichen für Verschiebungen», sagt François Chapuis, Direktor für Immobilien und Betrieb der Universität Zürich. Die Finanzierung hat der Kantonsrat bereits vor einem Jahr gesprochen. 598 Millionen Franken wird der Neubau kosten. Im kommenden Herbst werden nach vorhergehender «Schadstoffsanierung» die Bagger anrollen und mit dem Abriss beginnen. Ende 2029 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, sodass das neue Forum UZH im Herbstsemester 2030 bezugsbereit ist.

Die Uni Zürich ist dringend auf das Gebäude angewiesen: 2019 besuchten rund 26’500 Studierende die Uni, 2023 waren es bereits 28’000 - Tendenz steigend. «Wir sind an unserer Kapazitätsgrenze angekommen», sagt Chapuis. Das Forum UZH schafft nun Abhilfe und ermöglicht eine Zentralisierung. Denn derzeit ist die Uni neben den Standorten im Zentrum, am Irchel, in Oerlikon und in Schlieren auch in verschiedensten Wohnungen der Stadt Zürich einquartiert. Durch das Projekt kann die Uni einen Teil davon dem Wohnungsmarkt zurückgeben.

Campus Oerlikon muss bleiben

Der Campus Oerlikon wird aber dennoch bestehen bleiben, da laut der Uni am Irchel und im Zentrum trotz Neubau der Platz fehlen wird. Nach Chapuis werde die Uni mindestens für die nächsten 20 Jahre auf dem Campus Oerlikon bleiben müssen. Deshalb arbeite man derzeit auch daran, den Campus besser zu organisieren. 2019 wurde dafür ein Campus-Rat gegründet, der in Oerlikon «Community-Building» macht, etwa in Form von Events. Gemäss der Website war dieser Rat aber zuletzt im Oktober 2023 aktiv.

Flexibilität ist das grosse Stichwort bei der Raumplanung des neuen Forums. Unter einem Dach sollen die Rechtswissenschaftler*innen, Ökonom*innen und Wissenschaftler*innen der Neueren Philologien ein Zuhause finden. «Wir sind schon lange nicht mehr am Punkt, an dem die einzelnen Fakultäten eigene Häuser und Institute brauchen», sagt Chapuis. Deshalb habe man beim Raumkonzept auf den offenen Austausch und die Interdisziplinarität geachtet. «Es soll keine klassischen ‹Schuhschachtel›-Hörsäle geben. Wir wollen verschiedene Formate anbieten», sagt Chapuis. Ursprünglich war ein Auditorium Maximum vorgesehen, wo 800 Zuhörer*innen Platz gefunden hätten, das aber zugunsten der Flexibilität gestrichen wurde. Geplant ist aber beispielsweise ein Hörsaal im Stil des britischen Parlaments, in dem sich die Studierenden in mehreren Reihen gegenüber sitzen. Der Hintergedanke: So soll es mehr Raum für Diskussion geben als in herkömmlichen Vorlesungssälen.

Das Konzept der Mehrfachnutzung zeigt sich auch bei den Sporthallen. Die Gymnasiast*innen sollen weiterhin während den regulären Schulunterrichtszeiten die Turnhallen nutzen können, das ASVZ wird sie, wie heute schon, an den Randzeiten übernehmen. Zu Beginn des Projekts waren fünf Hallen geplant, nun werden aber nur vier realisiert. Dafür gibt es zusätzliche Fitness- und Krafträume. Auch diese Änderung hat mit der Flexibilität zu tun. «Der heutige Sportunterricht besteht nicht nur aus Turnhallen. Individuelles Training wird immer beliebter», weiss Chapuis. Die Leichtathletikanlage, die grosse Fussballwiese und die Tennisplätze werden aber nicht ersetzt werden können.

Holprige Kommunikation

In diesem Gebäude werden tausende Studierende ein- und ausgehen, inwiefern wurden sie in die Planung miteinbezogen? Leonie Barnsteiner von der Immobilienentwicklungskommission (IEK) des VSUZH berichtet: «Wir bekommen zwar alle Infos auf Anfrage, aber man kommt selten direkt und aktiv auf uns zu.» Es sei deshalb schwierig, auf dem neusten Stand zu bleiben. Vor allem während des Vorprojekts hätte die Kommission Pläne zugeschickt bekommen und dann Dossiers mit Rückmeldungen zurückgesendet. Eingesetzt hat sie sich laut Barnsteiner etwa für zahlreiche und ruhige Lernplätze, Recyclingstellen, Barrierefreiheit, die über Mindestvorschriften hinausgeht, Veloabstellplätze und Toiletten auf jedem Stockwerk, die nicht mit einem Geschlecht angeschrieben sind.

Für die Barrierefreiheit des Gebäudes wurde die Fachstelle Studium und Behinderung (FSB) zu Sitzungen beigezogen. Es werde sich aber erst im fertigen Gebäude zeigen, ob es wirklich keine Barrieren gebe, sagt die FSB. Die Barrierefreiheit betrifft viele Bereiche, von der Signaletik bis zum Mobiliar und dessen Platzierung. Wichtig sei, dass auf die verschiedenen Bedürfnisse eingegangen werde. Besonders freut die FSB, dass es für Menschen mit besonderen Bedürfnissen einen Ruheraum mit Liegen als Rückzugsort geben wird.

Im Austausch mit der IEK haben vor allem genderneutrale Toiletten für Diskussionen gesorgt. Der Vorschlag der Kommission, ein Drittel genderneutrale, ein Drittel Frauen- und ein Drittel Männer-WCs zu planen, wurde abgelehnt. Nun wird es ausschliesslich im Erdgeschoss genderneutrale Toiletten geben, in den oberen Geschossen getrennte und barrierefreie. Letztere sind auch für alle Geschlechter, jedoch nicht in jedem Fall öffentlich. Der IEK war diese Aufteilung bis anhin noch nicht bekannt. Auf Nachfrage kritisiert Barnsteiner, dass non-binäre Personen auf die wenigen Behinderten-WCs geschickt werden sollen, obwohl dies keine Behinderung sei. Das sende ein falsches Signal. «Wir müssen uns ja nicht nur überlegen, für was ein Gebäude heute gebraucht wird, sondern, was ein Universitätsgebäude in 50 Jahren sein könnte.»

Neben genderneutralen Toiletten soll es im Erdgeschoss vor allem einen offenen, grosszügigen Raum geben. Die städtebauliche Planung des Forums wurde im Rahmen der Weiterentwicklung des Hochschulgebiets Zürich Zentrum zusammen mit den Projekten des Universitätsspitals Zürich geplant. Das Erdgeschoss und der begrünte Stadtplatz davor sollen als «interdisziplinärer» Treffpunkt für das ganze Quartier dienen. Die Fläche der Forumshalle könne auch für öffentliche Anlässe mit bis zu 2000 Teilnehmer*innen gebraucht werden. Damit der Platz auch wirklich urban wird, müsse er auch bespielt werden, sagt Chapuis. «Wir wollen neue Formate ausprobieren, zum Beispiel auch Ausstellungen.»

«Ursprünglich hätten studentische Organisationen einen Platz im Forum haben sollen. Diese Streichungen wurden nicht mit uns besprochen.»
Leonie Barnsteiner, Ratsmitglied des VSUZH

Philip Ursprung, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH, sagt zum Städtebau: «Architektur kann die Rahmenbedingungen schaffen, dass der Ort aber wirklich als Stadtplatz funktioniert, ist auch von der Programmierung abhängig. Es sind auch die banalen Dinge, zum Beispiel der Preis des Kaffees in der Cafeteria, der die Lebendigkeit des Ortes ausmacht.» Auch mit einem möglichen Quartierladen soll das öffentliche Leben ins Projekt gebracht werden. Derzeit wird noch geprüft, ob entlang der Rämistrasse ein Café oder ein Quartierladen wie der ehemalige Russo aufmachen kann.

Auch «Kunst am Bau» ist vorgesehen. «Es ist eine Möglichkeit in der Architektur, eine Intervention zu machen, als würde man in einem geschlossenen Raum das Fenster weit aufmachen», sagt Ursprung. Die Kunst soll mit der Architektur in Beziehung stehen, muss sich aber nicht automatisch mit dem Gebäude oder der Bauherrschaft identifizieren. Im Forum UZH wäre das Ziel gewesen, über einen längeren Zeitraum hinweg Kunstwerke und temporäre Ausstellungen ortsspezifisch zu entwickeln. Der Kantonsrat hat aber die vorgesehenen 3 Millionen Franken für «Kunst am Bau» um die Hälfte gekürzt. Deshalb musste das erste Konzept verworfen werden. Derzeit wird ein neues ausgearbeitet.

Platz für alles, ausser Velos

Knapp scheint der Platz im Forum UZH für die Velos zu sein. Für die 5000 Studierenden und die zusätzlichen 1000 Mitarbeiter*innen, welche jeden Tag im Forum ein- und ausgehen werden, sind lediglich 264 Veloparkplätze geplant. Gemäss Medienberichten sind die Abstellplätze nur für die Mitarbeitenden berechnet worden.

Dazu meint Chapuis: «Diese Veloparkplätze sind nicht abgeschlossen, wir können das Parkieren also nicht verhindern.» Der Vorschlag, noch 100’000 Franken für weitere Veloabstellplätze zu sprechen, wurde im Kantonsrat aber abgelehnt. «Wir setzen stark auf langsamen Verkehr. Es sind nur acht Parkplätze vorgesehen. Wir erwarten, dass die meisten entweder mit dem ÖV oder zu Fuss kommen», sagt Chapuis. Das Forum soll nämlich auch eine eigene Tramhaltestelle erhalten. «Universität» wird sie heissen und die Haltestelle «Kantonsschule» ersetzen. Auf eine möglichst umweltfreundliche Bauweise sei ebenfalls geachtet worden. Ersatzneubauten sind jedoch bekanntlich umweltschädlicher als Um- oder Anbauten. Bei der Planung wechselte man immerhin von einer reinen Massivbauweise auf einen hybriden Beton-Holzbau, was CO2 spart. «Wir werden ein Low-Tech-Gebäude bauen und einen grünen Vorplatz haben, der der sommerlichen Hitze entgegenwirken kann. Die Solarpanelen auf dem Dach sollen dabei helfen, das Gebäude mit Strom zu versorgen», sagt Chapuis. Ökologisch bedenklich sind aber die vier Stockwerke aus Beton, die in den Untergrund gebaut werden sollen. Einst war noch ein tiefers Stockwerk geplant. Doch dieses wurde laut Uni aus Gründen der Nachhaltigkeit gestrichen und damit auch der studentische Raum. «Ursprünglich hätten studentische Organisationen einen Platz im Forum haben sollen. Diese Streichungen wurden nicht mit uns besprochen, uns wurden vollendete Pläne vorgelegt», sagt Barnsteiner. Momentan laufe aber eine Bewerbung für ein Konzept für Drittnutzende für Studis sowie Anwohnende, wofür die IEK einen Vorschlag ausgearbeitet hat.

Im Herbst 2030 werden also die zukünftigen Studierenden, Forschende und Dozierende ins Forum einziehen können. Bis anhin gilt es aber vor allem der grossen Grube und dem Lärm auszuweichen. Und den «Totentanz» noch einmal zu finden.