Keine gängige Praxis: Mit Neonlicht und Discokugeln wird Geschlechtskrankheiten der Kampf angesagt.

Gratis testen im Safer Space

Junge Zürcher*innen können sich kostenlos auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Warum Reden manchmal die beste Prävention ist und wogegen auch Kondome nicht helfen.

Serafin Jacob (Text) und Una Rusca (Foto)
7. Mai 2024

In Zürich kann man sich seit Mitte vergangenen Jahres kostenlos auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STIs) testen lassen. Vorausgesetzt, man lebt in Zürich und ist jünger als 26 oder hat eine Kulturlegi. Testen lassen kann man sich entweder beim Test-In an der Kanzleistrasse nähe Helvetiaplatz oder beim Checkpoint Zürich an der Limmatstrasse.

Die Entscheidung, kostenlose Tests für diese Gruppe anzubieten, fiel im Zürcher Gemeinderat ohne grosse Widerrede. Das sogenannte b25 ist schweizweit das erste solche Angebot. Während der dreijährigen Testzeit wird es wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Danach beschliesst die Politik, ob und wie es fortgeführt wird.

Beratungsgespräch gehört dazu

Dass das Angebot auf Menschen bis 25 oder mit Kulturlegi beschränkt ist, liegt einerseits an der Anonymität: Ist man über die Familie versichert, möchte man nicht unbedingt, dass die Eltern von einem Test auf STIs erfahren. Andererseits sind die Tests teuer. Allein für die grossen Vier, also HIV, Chlamydien, Syphilis und Gonorrhoe, kostet ein Test normalerweise 165 Franken. Ausserdem erhofft man sich, dass die Kampagne Junge auf solche Krankheiten sensibilisiert.

Doch wie funktioniert das Testen genau? «Die Nachfrage ist sehr gross», sagt Francisca Boenders, Geschäftsführerin des Vereins Sexuelle Gesundheit Zürich. Deshalb sollte zuerst online ein Termin gebucht werden. Vor Ort gibt man dann seine Handynummer für die Übermittlung der Resultate an. Anschliessend folgt ein anonymisierter Fragebogen vom Bund und ein etwa halbstündiges Beratungsgespräch zum Sexualleben. Erst dann wird getestet: ein Schnelltest für HIV, Syphilis und Hepatitis C und ein Abstrich für Gonorrhoe und Chlamydien. Das Resultat kommt innert weniger Tage. Im Falle eines positiven Testergebnisses kann die erste Behandlung direkt bei der Teststelle vorgenommen werden. Dies dient auch der Anonymität, denn schliesslich handelt es sich um sensible Informationen.

Boenders betont, das Beratungsgespräch sei so wichtig wie der Test selbst: «Viele schätzen ihre Risiken nicht richtig ein», sagt die gelernte Sozialarbeiterin. «Dafür trauen sich ganz viele Sachen zu fragen, die sie sonst nicht fragen würden. Das ist eigentlich die beste Prävention, die man machen kann.» Die Beratungen werden von Menschen mit pflege- oder sexualpädagogischem Hintergrund geführt, die medizinisch fortgebildet sind. Die Wichtigkeit der Teststellen sieht man am Beispiel von Chlamydien: Diese werden über die Schleimhäute übertragen. Die Infektion verläuft meistens asymptomatisch und kann bei Frauen zu Unfruchtbarkeit führen. Zur Behandlung reicht in leichten Fällen zum Teil eine Dosis Antibiotika. Boenders grösstes Anliegen ist daher: «Dass man sich traut, regelmässig zum Testen zu gehen, wenn man wechselnde Sexualpartner*innen oder eine neue Beziehung hat.»

Boenders sieht der Zukunft von b25 optimistisch entgegen, denn es liegt im allgemeinen Interesse, die Verbreitung von STIs einzudämmen: Die Gesellschaft kostet es etwa 800’000 Franken, wenn eine Person frühzeitig mit HIV diagnostiziert wird. Zum Vergleich: Das Projekt hat ein Budget von 2,6 Millionen Franken für die gesamte Laufzeit. Entsprechend wichtig ist es, die Ansteckungskette zu unterbrechen, wofür Tests essentiell sind.

Angebote für LGBTQIA+ Szene

Die Teststelle Checkpoint an der Limmatstrasse hat nicht nur b25 im Angebot, sondern ist auch das grösste Gesundheitszentrum für queere Menschen der Schweiz. Bei der Einrichtung konnte das Team viel ­mitbestimmen: Im Foyer hängen Discokugeln, die Türen der Beratungszimmer sind neonfarben. Dahinter verbergen sich gewöhnliche Klinikräume. «In den 80ern ist oft die queere Club- und Kulturszene der einzige Safe Space gewesen», erklärt Präventionskoordinator Silas Krämer . Diese diente als Inspiration für die Einrichtung.

Die sterile Umgebung gewöhnlicher ärztlicher ­Wartezimmer ist nicht unbedingt beruhigend. Vor allem für queere Menschen, die noch heute unter medizinischer Stigmatisierung leiden. Grosse Teile des Angebots sind auf die LGBTQIA+-Szene zugeschnitten. Neben kostenlosem Testen betreibt der Checkpoint unter anderem mobile STI-Teststellen auf Partys, HIV-präventive Angebote für Trans-Sexarbeitende und Männer, die Sex mit ­Männern haben, sowie psychologische Betreuung. Das spezialisierte Angebot ist sinnvoll: Menschen mit HIV werden immer noch stigmatisiert, obwohl eine korrekte Behandlung die Virenlast so stark minimieren kann, dass der Virus nicht mehr nachweisbar und ansteckend ist.

Auch um die gesundheitliche Versorgung von trans Menschen sorgt man sich: «Wir sehen oft, dass trans Menschen fast keine wichtigen Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, da sie zum Beispiel mit früheren Arztbesuchen schlechte ­Erfahrungen gemacht haben», sagt Christian ­Grolimund, ebenfalls Präventionskoordinator. Der Checkpoint bietet entsprechend Fachberatungen für medizinisches und pflegerisches Personal an, in denen Strategien für eine trans-freundliche Behandlung vorgestellt werden. Auch hier werden die Tests als ­bester Schutz vor STIs empfohlen: «Kondome schützen super vor HIV, aber bei anderen STIs nicht», erklärt Krämer.