Die Fabrik schreibt rote Zahlen
Erst die Zentralwäscherei, nun die Rote Fabrik: Unkommerzielle Kulturorte in Zürich kämpfen ums Überleben. Dran glauben müssen in einem ersten Schritt die «Fabrikzeitung» und ihre Redaktion.
Seit den 80ern, als im Rahmen der linken Jugendunruhen «Leben in die Tote Fabrik» gebracht wurde, strömten die Massen nach Wollishofen. Von Theater über Ausgang und Konzerte bis zum Kindergarten: Das Kulturhaus hat einiges zu bieten. Doch die Zeiten ändern sich, denn jetzt ist Sparen angesagt. In ihrer allerletzten Ausgabe vom Februar 2024 berichtet die hauseigene «Fabrikzeitung» über die «erste fatale Nachricht». «Der Betrieb müsse in naher Zukunft über eine halbe Million Franken weniger ausgeben als eingeplant», schreibt sie im Artikel «Eine kollektive Tragikomödie in vier Akten».
Dies meldete der Vorstand der Interessengemeinschaft Rote Fabrik (IGRF), die sich aus 300 Mitgliedern zusammensetzt. Als siebenköpfiges Team sind sie zuständig für die Vereinsgeschäfte der basisdemokratischen Gemeinschaft. Zwei Wochen nach der ersten Nachricht wurde der Belegschaft mitgeteilt, dass die Fabrik «in einer doppelt so grossen finanziellen Misere stecke, als bisher angenommen». Laut dem Artikel in der «Fabrikzeitung» wolle der Vorstand beim Verkünden der Sparmassnahmen nicht von Schuld sprechen. Doch auch von Verantwortung spreche keiner. Die Stadt Zürich erlässt der IGRF bisher die Mietkosten und subventioniert das Kulturzentrum jährlich mit zusätzlichen 2,4 Millionen Franken. Darüber, ob das viel oder wenig ist, streiten sich selbstbetitelte Szene-Kenner*innen. Am 20. Dezember 2023 veröffentlichte der Zürcher Gemeinderat das Kulturleitbild der Jahre 2024 bis 2027 und somit die geplanten Subventionen.
Keine höheren Subventionen geplant
Die Rote Fabrik erklomm mit ihren sechs Millionen Franken den vierten Platz der Zürcher Kulturinstitutionen und erhält somit 6,15 Prozent des Kulturbudgets. Darin inbegriffen ist auch der Beitrag an die Galerie «Shedhalle», den Quartiertreff Wollishofen und die «F+F Schule für Kunst und Design», welche neben der IGRF ebenfalls die Räume des Backsteinbaus bewohnen. Zum Vergleich: Das Schauspielhaus erhält mit 36,3 Millionen Franken den höchsten Betrag.
Im Artikel des «Tagesanzeigers» vom 14. Dezember 2023 wurden «nicht erreichte Einnahmeziele, ungeplante Mehrausgaben und fehlendes Selfcontrolling in der Personalplanung» als Gründe für die finanziellen Schwierigkeiten der Roten Fabrik genannt. Die Medienabteilung der IGRF erklärte auf Nachfrage, dass diese «ohne Leseberechtigung aus einer betriebsinternen Präsentation entnommen worden sind und ohne Hintergrundwissen entsprechend unsorgfältig interpretiert wurden». Die missliche finanzielle Lage des Kulturbetriebs wird – neben den Folgen der Pandemie – mit der Inflation und steigenden Kosten begründet. Besonders das Veranstaltungsprogramm sei von diesen veränderten Bedingungen betroffen. Ausserdem spiele auch der Brand im Jahr 2012 und der darauffolgende Wiederaufbau von Trakt B und der Aktionshalle eine Rolle in den nicht erreichten Einnahmezielen. Laut der IGRF wurde der Subventionsbeitrag seit Jahrzehnten nicht erhöht.
Die Fabrikzeitung bleibt begraben
Daniel Imboden ist zuständig für die Zürcher Kulturförderung und als Delegierter der Stadt Teil des Fabrik-Vorstandes. Er erklärt, dass es für eine Subventionserhöhung einen Antrag braucht, da die Rote Fabrik einen unbefristeten Vertrag hat. Der Subventionsbetrag werde im Gegensatz zu einem befristeten Vertrag nicht alle vier Jahre revidiert. «Es ist gut möglich, dass bei gewissen Institutionen – und da ist die IGRF keine Ausnahme – über Jahre keine Anpassung stattgefunden hat.» Doch warum stellt der Verein keinen Antrag?
«Das Problem war – und das muss man klar sehen – dass die Rote Fabrik kurzfristige Finanzierungsprobleme hatte und sich nun längerfristig neu aufstellen musste», sagt Imboden. «In der IGRF wurde diskutiert, ob es Sinn macht, einen einmaligen Beitrag im Sinne einer Überbrückung zu fordern. In einer finanziellen Schieflage bringt ein Antrag auf Erhöhung aber nur bedingt etwas, da der politische Prozess einfach eine gewisse Zeit braucht. Das sind nicht Sachen, die innerhalb von Monaten erledigt werden können.» Schlussendlich hat sich die IGRF gegen einen Antrag entschieden. «Die Stadt unterstützt selbstverständlich, dass man finanzielle Schwierigkeiten allein zu lösen versucht; mit den Mitteln und Betriebsbeiträgen, die sie zur Verfügung stellt», sagt Imboden. Dass intern jedoch Uneinigkeiten über die Handhabung der Subventionsanträge herrschen, geht aus einer Mitteilung der Medienabteilung der Roten Fabrik an die ZS hervor: «In den vergangenen Jahren wurde kein Antrag offiziell deponiert. Dies war vor unserer Zeit – Wir können nicht für frühere Generationen sprechen. Für die Verhandlungen der kommenden Kulturleitbild-Periode 28 ist es jetzt zu früh für einen Entscheid.»
Nach der Verkündigung der finanziellen Notlage gab der Vorstand seine Sparmassnahmen bei der Belegschaft bekannt. «Um die Liquidität des Betriebs zu sichern, sollten neben der Fabrikzeitung auch das Konzeptbüro sowie die Kleinbereiche Dock18 und Fabrikvideo sistiert werden. Die Konditionen unserer Kündigungen plante der Vorstand in Einzelgesprächen zu verhandeln und unsere Schicksale noch vor Ende des Jahres zu besiegeln», schreibt die «Fabrikzeitung». Das damals erst frisch eingestellte Team berichtet von den folgenden Wochen und einem langwierigen Kampf um ihre Existenz: «Mit Wut im Bauch und Gewerkschaft im Rücken» organisierten sie Versammlungen, Verhandlungen mit dem Vorstand, Ausarbeitungen eines budgetfreundlichen Konzepts und Gegenvorschlägen. Doch trotz aller Bemühungen lagen Ende Februar die Kündigungen in den Briefkästen. «Die IGRF hatte uns also als neues Zeitungsteam angestellt, um uns ein dreiviertel Jahr später wieder zu entlassen», klingen die müden Worte der letzten Ausgabe vom Februar. Gedruckt wurde sie nie. Doch die Hoffnung bleibt bestehen: Die Zeitung gehe durch eine Transformationsphase, heisst es nun auf der Webseite der Roten Fabrik.
Wann das Budget deren Produktion wieder erlaubt, ist jedoch ungewiss. Neben Sparmassnahmen wird nun Platz für Neues geschaffen: Seit dem Herbst 2022 will die IGRF mit verschiedenen Transformationsprojekten frischen Wind in die Rote Fabrik bringen. Diese betreffen nicht nur die Zeitung, sondern das ganze Fabrikkonzept. Nach Angaben der Medienabteilung sind aktuell «verschiedenste gesellschaftspolitische Formate im Köcher», über die Wiederaufnahme der reduzierten Formate könne jedoch erst wieder in einer entspannteren Phase diskutiert werden. Zudem senden die bisher ergriffenen Massnahmen «zuversichtliche Signale».
Ziel ist es, das Organisationskapital bis 2027 wieder aufzubauen, um allfällige Schwankungen in der Betriebsrechnung ausgleichen zu können. Auch die Sanierungsarbeiten der Aktionshallen stimmen die IGRF optimistisch, bisher verlaufe alles nach Plan. Dass es sich hierbei um ein mehrjähriges Projekt handelt, sei allen im Betrieb klar. Die Rote Fabrik zeigt sich engagiert. Es ist zu hoffen, dass sie die Zürcher Kulturlandschaft noch viele weitere Jahre bereichert.