Jan Rüti: «Für mich ist Schmuck auf jeden Fall eine Kunst.»

Ein ewiges Geschenk

Lucas Hecht Wulff (Text und Foto)
3. April 2024

Mit einem freundschaftlichen Lächeln steht er an der Tür, «Freut mich, Jan». Die Ästhetik der Wohnung ähnelt der eines Möbel Antiquariats. Auf einem weiten, roten Teppich stehend, nehmen hohe Regale die Wände des Wohnzimmers ein. Sein Zimmer entspricht ihm ebenfalls: Herr der Ringe DVDs, ein kleiner von Büchern bedeckter Schreibtisch und ein selbstgemaltes Gemälde zentral über dem Bett.

Jan Rüti ist bereits gelehrter Gold- und derzeit in einer weiteren Ausbildung zum Silberschmied. «Der Unterschied liegt nicht im Material, beide arbeiten mit Gold, Silber, Kupfer oder Platin; es geht eher um die Werke und die Technik. Goldschmiede beschäftigen sich mit Schmuck, Silberschmiede mit dem», er zeigt auf einen kupferfarbenen Kelch, sogenannte Korpusware - auch Besteck oder Kerzenständer versteht man unter dem Begriff. Die unterschiedlichen Bezeichnungen für die Handwerke stammen aus der Auflösung der mittelalterlichen Zünfte im 19. Jahrhundert, zuvor umfasste die Goldschmied Zunft beide. Mit der Industrialisierung kam auch die Degruppierung der Arbeiter*innen und das Feld der Silberschmied*innen entwickelte sich separat.

Heute muss man in der Schweiz unterschiedliche Lehren absolvieren um Goldschmied*in respektive Silberschmied*in zu werden. Jan begann mit 16 seine Lehre zum Goldschmied. Ihn zog das Künstlerische an, «für mich ist Schmuck auf jeden Fall eine Kunst». Das Verständnis von Kunst sei von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Er dreht mit den Fingerspitzen an seinem Goldring: die Oberfläche ist geriffelt, «ich habe die Wellen mit einer Flamme reingeschmolzen, kurzzeitig sieht es ähnlich aus wie Wasser». Er hat 8 Stunden lang dran gearbeitet. Marktwert? Um die 2500 Franken, ein zusätzlicher Edelstein würde den Preis um 1000 Franken anheben.

Daran hat er gekünstelt, als er als Goldschmied tätig war, heute ist er beim Juwelier Meister 1881 der einzige auszubildende Silberschmied in der Schweiz. Die zweite Lehre startet er, weil er auch dieses verwandte, aber doch sehr andere Feld kennenlernen will. Zudem ist das Erlernte in einem Kontext oft auch auf das andere übertragbar. Beispielsweise werden Glättmethoden je nach Industrie anders gelehrt.

Silberschmiede sind rar. Als Vergleich:  jährlich schliessen 30 bis 40 Goldschmied*innen ihre Lehre ab. Die Nachfrage für Korpuswaren bleibt stets  geringer als die für Schmuck. Dazu ist die Anfertigung grösserer Werke einfacher zu automatisieren als die Feinarbeit bei Ringen, Ketten und anderen Körperornamenten. Bei Letzteren werden selbst KI-basierte Maschinen lange kostengünstig bleiben. Zudem zeigt ein Blick auf die Schweizer Annalen der Edelmetalle, dass sich wenig bei der menschlichen Faszination zu diesen verändert hat. Zu den ältesten gefertigten Fundstücken zählt die Goldschale von Altstetten (750 v. Chr.) die im Landesmuseum in Zürich ausgestellt ist. Jan hat also Gründe, mit beiden Ausbildungen zuversichtlich in seine Zukunft zu blicken. 

Die Begeisterung und Leidenschaft für sein Werk versteckt er nicht. Doch dahinter steckt ein professioneller Perfektionist. Geduld, Sorgfalt und ein detailachtendes Streben nach Schönem sind Jans Stärken. Mit jedem bearbeiteten  Stück lernt er das Material besser kennen. Man entwickle eine Beziehung zu den Metallen. Einem Meissler ähnelnd, der jedem Stein einen Charakter gibt, sieht Jan in jedem halbfertigen Metallstück, die Form, die es einnehmen soll.

Woher werden die halbfertigen Stücke bezogen? In Jans Fall wird es von einer Firma geliefert, die das Metall, welches im Umlauf ist, einschmilzt und neu brauchbar macht. Doch oft kommt die Ware aus dem Ausland. Beispielsweise ist das Gold laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers nur zu 25% recycled. Das bedeutet, dass die restlichen drei Viertel von Importiertem stammen. Hier gelangt man leicht zu opaken Geschäften. Ein Drittel vom importierten  Gold wird in Ländern mit autokratischen Regierungen wie Russland und Usbekistan und Ländern mit hohen Kindesarbeitquoten wie Ghana, Burkina Faso oder Südafrika abgebaut. Und anders als in der EU und den USA sind die Schweizer Goldraffinerien nicht rechtlich verpflichtet, die Lieferkette bis zur Miene zurück zu verfolgen. Auf Individueller Ebene kann ein*e Goldschmied*in wenig dagegen bewirken, Jan ist zufrieden, solange das Gold, was er verarbeitet, nicht direkt aus dem Ausland stammt. Dass, das Thema politisch kaum angesprochen wird, ist jedoch verwunderlich.

Über die Zukunft ist er sich noch unsicher. Voraussichtlich bleibt er noch einige Jahre bei Meister 1881. Danach will er sich künstlerisch weiterentwickeln. Vielleicht bei einem Designstudium? Dafür bräuchte er jedoch einen Matura Abschluss. Sicher ist, dass Jans Werke sich langsam auf der Welt verstreuen, auf fremden Fingern sitzen oder um unbekannte Hälse hängen, und dies noch über Generationen anhalten wird.