Kolonialismus-Ausstellung; Safari in Wiedikon; Flirttipps von 1024
Geheimgehaltene Archive
Die Ausstellung «Performing Colonial Toxicity» in der Eingangshalle des HILs am Hönggerberg setzt sich aus einfachen A4-Blättern zusammen. Zusammengepackt liesse sich die leichte Installation in einem Koffer zum nächsten Ausstellungsort weitertragen. Im Kontrast dazu steht die Schwere des Themas. Trotz den bis heute unzugänglichen Archiven zeigt Samia Henni, Gastprofessorin an der ETH, die Auswirkungen des französischen Atombombenprogramms in der algerischen Sahara. Mit Hilfe von Google Maps, Interviews und durchgesickerten Dokumenten formen sich Bilder einer zerstörerischen Architektur, einer toxischen Landschaft und einer von Vergangenheit geprägten Gemeinschaft - ein koloniales Erbe, dass erst noch aufgearbeitet werden muss. (les)
Sonnen auf einem Chamäleon
In Wiedikon tummeln sich Tiere aller Art: Am Sihlhölzli sagen sich Giraffe und Löwe gute Nacht, am Manesseplatz wartet ein Krokodil auf den Bus. Zooausbruch? Nein, tatsächlich nicht. Die Tiere sind zwar lebensgross, aber aus Holz gemacht und von Schulklassen erdacht und bemalt. Das Manessequartier war lange ein Sorgenkind der Stadt Zürich: vielbefahrene Hauptstrassen, dicht bebaut, wenig Grün, wenig Platz zum Chillen oder Spielen. Auf dem Schulweg durch diesen Grossstadtdschungel fehlten den Kindern Orientierungspunkte. Die bunten Tierfiguren, ein Projekt der Stadt Zürich, wirken dem nun seit zehn Jahren entgegen. Erfolgreich ist es allemal: Die Schildkröte bei der Schmiede beherbergt regelmässig spielende Kinder und gamende Teenager in ihrem Bauch, das Chamäleon an der Eibenstrasse ist Spielplatz und Liegestuhl für die Anwohner*innen rundherum. Perfekt für einen Erkundungsspaziergang im Frühling! (lea)
1000 Jahre altes Tagebuch
Nichts findet die japanische Hofdame Sei Shōnagon nerviger, als die ganze Nacht vergeblich auf die Ankunft eines Geliebten zu warten. Ausser vielleicht, wenn man draussen Hufgetrappel und Räderquietschen hört – und dann der Falsche aus der Karosse steigt. Wie man solche Enttäuschungen mit einer doppeldeutigen Gedichtzeile oder der Haltung eines Fächers vermeidet, können wir auch tausend Jahre später in Seis Kopfkissenbuch nachlesen. Angeblich wollte die Hofdame ihre persönlichen Schriften niemandem zeigen – doch sie hat ihren Alltag so lebhaft beschrieben, dass ich ihre Zurückhaltung eher für eine weitere Koketterie halte. (af)