«Der Gründer verlangt, dass wir viel Zeit in Iushelp investieren. Er wird uns zu den Prüfungen führen.» - Student und Teilnehmer bei Iushelp

Prüfungsangst ist profitabel

Hochschulpolitik — Die Privatfirma Iushelp wirbt in Vorlesungen mit Nachhilfekursen für Jus-Studierende. Teilnehmer*innen berichten von Fallstricken im Kleingedruckten.

Sophie Lacoste (Text) und Mara Schneider (Illustration)
25. März 2024

«Mit Strategie Recht studieren» – so lautet das Konzept von Iushelp, einer Firma, die Nachhilfe für Jus-Studierende anbietet. Doch immer wieder wird das Unternehmen kritisiert – sei es im mündlichen Austausch zwischen Studierenden oder über Online-Plattformen wie Jodel. Der Firma wird vorgeworfen, die Studierenden auszubeuten, ihre Angst vor dem Studium zu verschärfen und sie unter Druck zu setzen. Doch was hat es mit den Gerüchten auf sich? Handelt es sich bei Iushelp um Abzockerei oder lohnt sich das Angebot tatsächlich?

Treffen finden während Vorlesungen statt

Iushelp bietet verschiedene Kurse im Bereich der Rechtswissenschaften an, besonders bekannt ist der Jahreskurs für Erst- und Zweitsemestrige. In Gruppen von etwa zehn Personen treffen sich die Teilnehmenden zweimal wöchentlich. Wer fehlt, ist verpflichtet, die verpasste Lektion nachzuholen. Inhalt des Kursprogramms sind alle Module, die im Sommer geprüft werden, bis auf eines: die Rechtsgeschichte. Hier legt Iushelp den Studierenden ans Herz, die Prüfung auf den Winter zu verschieben, um insgesamt einen besseren Notenschnitt erzielen zu können.

Bereits in der dritten Studienwoche kommen Angestellte von Iushelp in verschiedene Vorlesungen der Erstsemestrigen, um intensiv für den Jahreskurs zu werben. Zusätzlich werden an den Informationsanlässen Geschenke wie Karteikarten verteilt, mit denen die Firma auf ihre Lernmaterialien aufmerksam macht und um die Sympathie der Studierenden wirbt. Es stellt sich die Frage, weshalb die Universität zulässt, dass sich ein Privatunternehmen wie Iushelp in den Vorlesungen vorstellt. Ansonsten sind es nur Studierendenvereine, wie etwa die European Law Students' Association, die sich in den Kursen präsentieren dürfen. Durch den universitären Rahmen wird die Glaubwürdig-keit des Unternehmens automatisch erhöht: Die Studierenden laufen Gefahr, anzunehmen, dass die Universität selbst das Angebot empfiehlt.

Gleichzeitig distanziert sich Iushelp implizit von der Universität und ihrem Programm. «Sie haben uns das Gefühl gegeben, dass es ohne Iushelp zwar machbar ist, aber schwierig wird. Es hiess, dass die Übungen der Universität viel zu spät anfangen», sagt eine Studentin, die selbst nicht am Kurs teilnimmt und wie die übrigen Befragten hier anonym bleiben möchte. Auch auf Jodel wird die Firma kritisiert: «Ein Scam, der eingeschüchterte Erstis ausnimmt.» Diese Aussagen deuten darauf hin, dass Iushelp die Angst der Studierenden ausnutzt.

Jus gilt als ein anspruchsvolles Fach und von den rund 700 Erstsemestrigen kommt nur etwa die Hälfte ins dritte Semester; die Jahresprüfungen im Sommer sind die erste grosse Hürde. Zudem kursieren allerlei Gerüchte über die Jus-Studierendenschaft: Von versteckten Büchern über verfälschte Zusammen-fassungen bis hin zu zerstörten Computern. Iushelp  verleiht den Erstsemestrigen das Gefühl, das Studium in einer solchen Ellbogengesellschaft allein nicht stemmen zu können und mit ihrer Hilfe besser gewappnet zu sein. Innerhalb des Kursprogramms wird den Teilnehmenden beigebracht, sich zwar mit dem Stoff der Universität zu befassen, den Fokus aber vor allem auf Iushelp zu legen: «Der Gründer David Imhof verlangt, dass wir viel Zeit in Iushelp investieren und dass wir ihm unser ganzes Vertrauen schenken. Er wird uns zu den Prüfungen im Sommer führen», meint ein Teilnehmer dazu. Ausserdem finden die Treffen von bestimmten Iushelp-Gruppen während der Vorlesungen statt, sodass die Betroffenen nicht anders können, als die Vorlesung zu verpassen.

Mit diesem festen Stundenplan und einer engen Begleitung wie im Gymnasium erinnert Iushelp an eine Privatuniversität, mit der sich bestimmte Personen einen besseren Abschluss erkaufen können. Zwar müssen sie die Leistung an der Prüfung immer noch selbst erbringen, doch dies wird mithilfe der vorgefertigten Musterlösungen von Iushelp stark vereinfacht.

Wer fehlt, zahlt mehr

In Bezug auf die Kritik betont David Imhof, der Gründer und Leiter von Iushelp, dass er keinen Stützunterricht bietet, sondern den guten, motivierten Studierenden bloss einen erleichterten Zugang zu den Prüfungen vermitteln will: «Ich möchte keine Leute durch das Jusstudium bringen, die es ohne Iushelp nicht schaffen würden.» Hier fragt sich aber, weshalb diejenigen, die das Studium ohnehin schaffen würden, auf die Nachhilfe angewiesen sein sollen.

Für das gesamte Kursprogramm verlangt Iushelp knapp 2000 Franken von den Teilnehmenden. Inbegriffen sind die wöchentlichen Treffen über das ganze Studienjahr. Ausserdem können zusätzlich zum Standardpreis Kosten anfallen, etwa wenn jemand eine Lektion nachholen muss: Wer fehlt, muss also in der Regel zusätzliche Gebühren zahlen. Durch diesen Druck müsse man weniger selbstständig sein, sagt ein Teilnehmer. Im Gespräch mit ihm und einer weiteren Teilnehmerin wirkt das Angebot dennoch positiv. Sie sind der Ansicht, dass es sich um ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis handelt: «Am Anfang habe ich den Preis nicht verstanden, aber mittlerweile schon. Wir haben so viele Unterlagen von David bekommen, er ist täglich für uns da, und wenn man eine Frage hat, schreibt er innerhalb von einer Stunde zurück. Und er hat ja auch Mitarbeitende, die er bezahlen muss», sagt die Studentin. Auch auf Jodel äussern sich ehemalige Teilnehmende positiv zum Angebot: «Ich habe es für das Assessment super gefunden. Ich habe gelernt, wie man richtig lernt und es hat mir sehr viel Sicherheit gegeben.»

Geld-Zurück-Garantie mit Einschränkungen

Für den Fall, dass jemand die Prüfungen nicht besteht, wirbt das Unternehmen mit einer Geld-Zurück-Garantie. Diese setzt voraus, dass die Studierenden keine Lektion verpasst haben. Ausserdem haben Personen, die ihre Matura nicht in mehrheitlich deutscher Sprache absolviert haben, gemäss der Website von Iushelp keinen Anspruch auf Rückerstattung. Im Gegenzug wird ihnen angeboten, einen zusätzlichen Deutschkurs zum Preis von 360 Franken zu belegen.

Hinzu kommen weitere Bestimmungen, welche die Geld-Zurück-Garantie einschränken können, wie etwa das Nichtbestehen von internen Prüfungen oder Überraschungstests bei der Nachhilfefirma. Auch auf Jodel gibt es Meldungen bezüglich der Garantie: «Wenn du nicht bestehst, bekommst du das Geld trotzdem nicht zurück. Es heisst dann einfach, dass du zu wenig gemacht hast.» Hinsichtlich der Anzahl an Ausnahmesituationen, in denen die Garantie entfällt, wird sie selbst zur Ausnahme: Iushelp verkauft sich mit einer Rückerstattungsgarantie, zu der es vermutlich nur selten kommt.

Der Preis für Iushelp wirft zudem die Frage der Chancengleichheit auf: Neben den allgemeinen Studiengebühren von knapp 1600 Franken für das ganze Jahr kommen im Jus-Studium auch Bücherkosten hinzu, die im ersten Jahr ungefähr 500 Franken betragen. Selbst wenn einige das Preis-Leistungs-Verhältnis von Iushelp fair finden, handelt es sich bei den 2000 Franken Kosten um einen hohen Geldbetrag, den sich nicht alle leisten können.

So bleibt das Angebot in puncto Chancengleicheit höchst fraglich, und auch die Werbestrategien sind bedenkenswert: Zur Geld-Zurück-Garantie gibt es zahlreiche Ausnahmen, die Vorstellung des Unternehmens diskreditiert die Universität und die Studierenden werden mit Geschenken angelockt. Und dass das erste Jahr auch ohne die Nachhilfe machbar ist, bestreitet nicht einmal der Firmengründer selbst.