Das graue Gremium der Uni

Hochschulpolitik — Eigentlich sind zwei Mitglieder des Unirats zu alt, dennoch wurden sie neu gewählt. Während Politiker*innen die fehlende Diversität kritisieren, sehen Studis grundsätzlichen Reformbedarf.

Meryam Bahi (Text) und Adam Burri (Illustration)
25. März 2024
Der Regierungsrat hat vor allem ältere Semester in den Unirat gewählt.

Wer nach Diversität und Vielfalt sucht, ist beim Universitätsrat an der falschen Stelle. Zumindest, was das Alter seiner Mitglieder betrifft, lässt das höchste Organ der Universität Zürich einiges zu wünschen übrig. Dieses Thema hat bei der Neuwahl des Rates zu einer intensiven Debatte im Kantonsrat geführt.

Zuständig ist der Universitätsrat für die strategische Ausrichtung und die Aufsicht über die Universität Zürich. Alle vier Jahre wählt der Regierungsrat die sieben bis neun Mitglieder und lässt sie durch den Kantonsrat bestätigen. Während die Wahl 2019 einstimmig durchgewunken wurde, stellten sich Ende 2023 Parlamentarier*innen von Links bis Rechts dagegen. Erstens, weil zwei der fünf wiedergewählten Mitglieder das Höchstalter von 70 Jahren überschritten hatten: Für Beat Hotz-Hart und Franziska Widmer Müller wurde deshalb eine Ausnahmeregelung angewendet. Und zweitens verlief die Wahl durch den Regierungsrat hinter geschlossener Tür. Wie der Regierungsrat mögliche Kandidat*innen auswählt, ist nicht bekannt. Zudem werden offene Vakanzen nicht öffentlich ausgeschrieben.

Forderung nach mehr Diversität

Die Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) beantragte deshalb, den Vorschlag des Regierungsrates so nicht zu akzeptieren und die zwei über 70-jährigen Mitglieder nicht zu wählen. Eine Minderheit stellte zudem einen Antrag, den Vorschlag komplett zurückzuweisen. Dies begründete Sibylle Jüttner (SP) während der Debatte folgendermassen: «Wir möchten einen Universitätsrat, der über alle Bereiche hinweg vielfältiger und diverser aufgestellt ist als der jetzige Vorschlag.» Auch Marc Bourgeois von der FDP äusserte sich dazu: «Am 1. März dieses Jahres hat uns der Regierungsrat erneut ein Führungsgremium vorgeschlagen, das erstens auf eine für uns intransparente Weise zustande gekommen ist und insbesondere auch nicht öffentlich ausgeschrieben wurde und zweitens nach unserer Beurteilung gegen Paragraf 55 Absatz 3 der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung verstösst.»

Darin wird festgelegt, dass Mitglieder bei ihrer Wahl das 70. Lebensalter noch nicht vollendet haben dürfen. Für Bourgeois handelt es sich in dieser Situation nicht um begründete Einzelfälle, da die Ausnahmeregelung gleich für zwei Mitglieder gilt, ohne dass die Suche ausgeweitet und die Stellen ausgeschrieben wurden. Bildungsdirektorin Silvia Steiner zeigte sich einsichtig und gab bekannt, dass für künftige Vakanzen auch eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt werde. «Man darf sich aber von einer solchen öffentlichen Ausschreibung keine Wunder erhoffen», betonte sie.

Trotz kritischer Stimmen wurden beide Anträge abgelehnt und der Unirat, wie vom Regierungsrat vorgeschlagen, gewählt. Lisa Letnansky (AL), die sich ebenfalls in der Debatte geäussert hat, sagt auf Anfrage dazu: «Ich persönlich hoffe, dass der Minderheitsantrag ein Weckruf war und dass es zum Ende der Amtsdauer nicht wieder zu einem Einsatz der Ausnahmeregelung kommt. Aber falls doch, würden wir auf jeden Fall aktiv werden.» Dass die Ausnahmeregelung erneut zum Zug kommt, ist gar nicht so abwegig. Denn bis zur Neuwahl werden vier von sieben Personen im jetzigen Rat 70 Jahre alt oder älter sein.

Kritik an Steiners Doppelfunktion

Am Ende ihrer Wortmeldung im Kantonsrat erwähnt Letnansky einen weiteren umstrittenen Punkt. Es geht um die Rolle von Silvia Steiner. Als Präsidentin des Unirats und Bildungsdirektorin bekleidet sie in gleich zwei öffentlichen Ämtern eine Führungsposition. Der Frage, ob das sinnvoll ist, wird die KBIK in der kommenden Kommissionssitzung nachgehen. «Aus Sicht der AL wäre eine Gewaltenteilung hier aber sicher sinnvoll und würde wohl auch für mehr Transparenz sorgen», sagt die AL-Parlamentarierin dazu.

Lukas Buser, Studentischer Vertreter im Universitätsrat, sagt zur Thematik der Doppelrolle, dass der VSUZH dazu keine Meinung vertrete. «Dies ist eine Frage der Governance, wo der Kantonsrat entscheiden muss, ob der Unirat die Universität in dieser Konstellation sinnvoll führen kann», sagt er. Zum Universitätsrat äussert er sich dagegen sehr klar: «Wir kritisieren die Organisation des Universitätsrats grundsätzlich. Um diverse Sichtweisen zu integrieren und den Universitätsangehörigen eine echte Mitsprache zu ermöglichen, müssen die Stände – auch die Studierenden sind in einem Stand organisiert – mit Stimmrecht vertreten sein.» Die Abwahl der zwei über 70-jährigen Ratsmitglieder hätte er dennoch nicht für sinnvoll erachtet, vor allem da sich Franziska Widmer Müller oft als Vertreterin studentischer Interessen hervorgebracht habe.

Trotzdem müsse sich die Regierung bemühen, Leute mit diverseren Hintergründen für den Unirat zu rekrutieren. «Es kann nicht sein, dass dieses Amt nur für ältere, wohlhabende Personen attraktiv ist», schliesst Buser. Darüber, was die Universität Zürich selbst von der Kritik der fehlenden Diversität in ihrem Aufsichtsorgan hält, möchte sich die Uni auf Anfrage nicht äussern. Als Hochschule, die sich aktiv für Vielfalt einsetzt, wäre es aber nur sinnvoll, wenn sich dies auch in ihrem obersten Organ zeigen würde.