«Das Schreiben einer Geschichte macht mir mehr Spass als das Fertighaben», sagt Nelio Biedermann.

Im Kopf eines Alten

Nelio Biedermann veröffentlichte vergangenen Sommer seinen ersten Roman. Im Gespräch erzählt er, wie das Studium sein Schreiben beeinflusst.

26. Februar 2024

Nelio, du hast deinen Debütroman «Anton will bleiben» über einen alten Mann geschrieben, der sterben wird. Das Buch ist deinen Grosseltern gewidmet. Wie haben sie darauf reagiert?

Ich habe das Gefühl, dass ich das Buch etwas zu spät geschrieben habe, weil meine Grosseltern nicht mehr so viel davon mitbekommen haben, wie es vielleicht vor einigen Jahren noch möglich gewesen wäre. Sie haben sich zwar gefreut, aber nicht mehr verstanden, dass die Widmung in jedem Buch steht und nicht nur persönlich in ihren. Ich habe ihnen viel zu verdanken, weil sie mich inspiriert haben und mir das Leben älterer Menschen näher brachten.

Der Protagonist Anton kriegt die Diagnose, dass er noch zwölf Monate zu leben hat. Du bist 20-jährig und hast im Sommer dein Studium an der Uni Zürich begonnen. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Es hat sich einfach irgendwie ergeben. Die Entscheidung war nicht bewusst. Ich hatte die Idee von einem Menschen, der unbedingt berühmt werden will. Es kam die Frage auf, warum er dies wolle. Erst dann kam Anton dazu, ein Nebencharakter aus einer unveröffentlichten Geschichte. Da er krank ist, beschäftigt ihn das Thema der Vergänglichkeit sehr. Es passte einfach gut zusammen.

Hattest du Schwierigkeiten, dich in deinen Buchcharakter hineinzuversetzen?

Es ist mir nicht so schwergefallen. Ich glaube, das Schwierigste waren die Details in Antons Leben als älterer Mann, weil ich keine Referenz dafür hatte. Es entstand eine gewisse Unsicherheit die bis am Schluss geblieben ist. Für mich war es während des Schreibprozesses hilfreich, viel zu beobachten. Gespräche, etwa mit meinen Grosseltern, habe ich für das Buch aber nicht geführt.

Denkst du oft über das Sterben und den Tod nach?

(Zögert) Schon ab und an, aber ich glaube nicht viel mehr als andere Menschen in meinem Alter. Es beschäftigt mich aber, was ich auf dieser Welt mache und was bleibt, wenn ich nicht mehr bin. Im Buch wird diese Vorstellung etwas demaskiert. Anton merkt, dass das Streben nach Unvergänglichkeit nicht glücklich macht. Mir persönlich ist es beim Schreiben ähnlich ergangen.

In welchem Verhältnis stehst du zu deinem Protagonisten?

Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu Anton. In den vier Monaten, in denen ich das Buch geschrieben habe, ist er mir immer näher ans Herz gewachsen und ich habe mich richtig angefreundet mit ihm. Als ich mit dem Buch fertig war, fand ich es fast etwas schade, mich von ihm zu trennen.

Im Buch kommt es zu tragikomischen Momenten, über die man schmunzeln muss. Ist das
gewollt?

Ja, das ist schon sehr gewollt. Insbesondere, weil das Thema sehr ernst ist. Ich wollte es etwas auflockern und zugänglicher machen. Beim Schreiben habe ich auch gemerkt, dass sich relativ schnell ein Ton einstellt, der sich dann durch das Buch zieht.

Inwiefern hat das Schreiben des Romans deine Studienwahl
beeinflusst?

In erster Linie war mir wichtig, dass mir mein Studium Spass macht.
Sowohl das Fach Germanistik als auch Filmwissenschaften können mir beim Schreiben helfen. Auch wenn ich nicht kreativ schreibe, setze ich mich regelmässig mit Geschichten auseinander.

Beeinflusst diese Auseinandersetzung im Studium dein Schreiben?

Absolut! Gerade erzählerische Mittel finde ich extrem spannend. Beispielsweise das Experimentelle bei Filmen, welches Normen aufbrechen kann. Eigentlich mochte ich experimentelles Schreiben bisher nicht. Durch das Studium habe ich vielleicht eine Form davon gefunden, die mir gefällt.

Träumst du während Literaturvorlesungen manchmal davon, dass in einigen Jahren deine eigenen Werke besprochen werden könnten?

(Schmunzelt) Ja, schon! Gerade, wenn ich an Module denke, in denen Schweizer Literatur behandelt wird. Ich muss mein Schreiben zwar vermarkten, aber auch ehrlich gestehen, dass es für ein solches Modul wahrscheinlich noch nicht gut genug ist.

Dennoch wurdest du bei der Literaturpreisverleihung «Lesefieber Feder» als «Ausnahmetalent» bezeichnet. Siehst du dich als zukünftigen Star-Schriftsteller?

Nein. Ich denke, dass es Selbstbewusstsein und Mut braucht, um eine Geschichte einem Verlag zu übergeben. Zudem war ich zufrieden mit meinem Protagonisten Anton, sonst hätte ich das Buch auch nicht veröffentlichen wollen. Als Ausnahmetalent würde ich mich jedoch nicht bezeichnen. Ich will mich verbessern und tue viel dafür. Wohin dies führen kann, wird sich zeigen.

Anton versucht sich nach seiner Diagnose zu verewigen, unter anderem als Schriftsteller. Du hast dich nun verewigt. Bist du stolz?

Stolz bin ich schon. Es ist irgendwie schon sehr surreal, wenn ich meinen eigenen Roman in einer Buchhandlung sehe. Aber es ist nicht so, als hätte ich etwas abgehakt. Darum ist es mir in erster Linie auch nicht gegangen. Zudem hatte ich Angst, dass es ein grosser Flop wird.

Warum?

Als ich die Zusage vom Verlag erhalten habe, war dies zwar sehr schön, aber auch etwas unheimlich. Die Angst, dass nur 100 Bücher verkauft werden, war schon präsent. Umso schöner ist es nun, dass bereits die zweite Auflage des Buchs im Verkauf steht.

Wie geht es nun für dich weiter?

Ich bin wieder am Schreiben und plane ein nächstes Buch. Das Schreiben einer Geschichte macht mir mehr Spass als das «Fertighaben». Es geht mir auch besser, wenn ich schreibe, denn es gibt mir etwas zurück. Einige Lesungen sind zwar noch geplant, aber ich schreibe bereits neue Geschichten.