Erik kauft seine Kleider Secondhand in Brockis, Flohmärkten oder auch auf Secondhand-Online-Portalen. Aïssata würde ihren Stil als «experimentell» und farbenfroh beschreiben.

«Wie man sich kleidet, kann auch eine Provokation sein»

Für Aïssata und Erik spielt Mode eine grosse Rolle. Sie sind immer auf der Suche nach neuer Inspiration, die sie oft im Alltag finden. Sie erzählen, wo sie ihre Kleider finden, wer ihre Modevorbilder sind und was sie als Fashion-No-Go's empfinden.

Sumanie Gächter (Interviews und Bilder)
2. Dezember 2023

Erik

Wie heisst du und was machst du so?

Ich heisse Erik und studiere Philosophie im Hauptfach und Umweltnaturwissenschaften im Nebenfach. Nebenbei arbeite ich an der ETH im DigiCenter.

Wie wichtig ist dir Mode?

Mode ist mir sicherlich wichtig, sonst würde ich mich nicht so stark damit beschäftigen. Ich finde es ein sehr nices Konzept, dass man sich dadurch ausdrücken kann, wie man sich kleidet. Andererseits ist es praktisch gesehen eigentlich nicht wichtig. Doch es ist auf jeden Fall etwas, das mir Spass macht. Und ich habe das Gefühl, solange es dich nicht einnimmt, insofern, als du zu viel Geld dafür ausgibst oder allen Trends nachrennst, ist es völlig in Ordnung, sich damit zu befassen.

Wo kaufst du deine Kleider ein?

Ich kaufe Kleider vor allem Secondhand, also in Brockis, Flohmärkten, aber auch auf Secondhand-Online-Portalen wie «Ricardo» und «Depop». Neu hergestellte Kleider kaufe ich tendenziell eher selten und nicht wahllos. Ich unterstütze gerne unabhängige Marken. Wie gesagt, ich gehe oft in Brockis, vor allem hier in der Schweiz, und wenn ich mal verreise, auch gerne in
Secondhand-Läden im Ausland. Auch gehe ich gerne an Pop-Up-Events, wo Secondhand-Mode angeboten wird.

Worauf achtest du beim Kleiderkauf?

Dass die Kleider Secondhand sind, ist mir wichtig, damit keine Nachfrage nach neu hergestellter Kleidung generiert wird. Ich versuche zu lernen, was gute Qualität ist und was nicht, habe da aber noch wenig Ahnung. Ausserdem achte ich darauf, dass Kleidungsstücke mit denen zusammenpassen, die ich bereits besitze, würde also niemals ganz zufällig etwas kaufen, das mir zwar gefällt, sich jedoch nicht gut kombinieren lässt. Ich habe oft eine klare Vorstellung davon, wie ich mich kleiden möchte. Mir gefällt zwar vieles, ich weiss jedoch auch genau, was ich nie anziehen würde. Wenn ich neu hergestellte Kleidung kaufe, achte ich darauf, dass deren Produktion nicht undurchsichtig ist. So gut es geht, denn
bei Mode ist es schlussendlich eh meistens undurchsichtig. Das ist der Grund, wieso ich schlussendlich einfach bei Secondhand bleibe, dann müssen die Textilien nicht von Grund auf neu produziert werden.

«Von anderen habe ich oft gehört, dass sie meinen Style als Gross-vater-Style beschreiben, ab und zu auch als Goth.»

Wer ist dein Modevorbild oder wo holst du Inspiration?

Ich beziehe meine Inspiration oft aus Filmen. Ausserdem besitze ich ein Fotobuch von Juergen Teller namens «Go-Sees», das hat mich auch inspiriert. Spezifisch eine Person, die mich inspiriert? Da kann ich zur-
zeit Rian Phin nennen, sie hat einen
Fashion-Blog und macht Youtube-Videos. Ansonsten beeinflusst mich Social Media oder wenn mir auf offener Strasse etwas ins Auge fällt.

Wie würdest du deine Ästhetik beschreiben?

Spontan fällt mir «Nineties Comme des Garçons» ein. Ich schaue mir ab und zu auch deren Runway-Shows an. Ich weiss nicht, ob das tatsächlich meine Ästhetik beschreibt, aber es ist das Erste, was mir einfällt. Von anderen habe ich oft gehört, dass sie meinen Style als Grossvater-Style beschreiben, ab und zu auch Goth.

Was ist für dich ein Fashion-No-Go?

Konkret fällt mir kein Fashion-No-Go ein. Fedora-Hüte mag ich nicht besonders. Aber ich würde niemals jemandem ein Kleidungsstück absprechen. Wenn es dir gefällt, dann «go for it». Unüberlegtes Konsumieren, also Shoppen, würde ich im Allgemeinen als No-Go bezeichnen.

Irgendetwas Besonderes auf deiner Wish-List?

Ich suche bereits seit langem einen schwarzen Cardigan. Und weil ich Secondhand danach Ausschau halte, geht das meistens eine Weile. Auch möchte ich nicht den erstbesten kaufen, ich habe da schon eine gewisse Vorstellung, wie er aussehen sollte. Das ist momentan das Einzige auf meiner Wish-List.

Aïssata

Wie heisst du und was machst du so?

Ich bin Aïssata und studiere Humanmedizin an der Uni Zürich. Vor einem Jahr habe ich das Studium für ein Jahr unterbrochen. Ich merkte zwar, Medizin ist genau das, was ich machen will, aber es braucht schon viel «Commitment». Ich habe grundsätzlich keine Mühe damit, wollte jedoch noch etwas Zeit für mich. Seit einem Jahr arbeite ich in einem herzigen Laden, vor allem im Verkauf. Nun darf ich auch selbst Schmuck herstellen, Dinge häkeln und eigene Ideen einbringen. Ausserdem arbeite ich noch in der ETH-Bibliothek.

Wie wichtig ist dir Mode?

Es ist mir sehr wichtig, wie ich mich kleide. Es ist ein Teil von mir. Kleidung sehe ich als spielerische Möglichkeit, sich selbst auszudrücken, immer wieder neue Sachen auszuprobieren und zu verändern. Ich durchlaufe viele unterschiedliche Phasen. Wie man sich kleidet, kann auch eine Provokation oder eine Abgrenzung sein. Gleichzeitig will ich auch dazugehören. Ich stelle mir selbst die Frage, wem ich ähnlich sehen möchte.

Wenn man sich so die Leute anschaut, fällt auf, dass unterschiedliche «Codes» existieren, es also Dinge gibt, die alle gleich machen. Man könnte dieses Phänomen als «Trend» bezeichnen. Nur schon in kleinen Kreisen, zum Beispiel Freund*innengruppen, bemerkt man, wie sich plötzlich alle auf eine gewisse Art kleiden. Darum finde ich, wie man sich kleidet, könnte man als kollektives «Sich-Austauschen» und «wo möchte ich dazugehören» auffassen.

Sehr oft, wenn ich bei jemandem etwas sehe, das ich sehr cool finde, möchte ich das auch ausprobieren. Vielleicht bin ich schlussendlich einfach ein Zusammenschnitt von allem, was ich jemals bei anderen Leuten gesehen und als cool empfunden habe. Doch ich interpretiere das auf meine Art und Weise, deswegen würde ich nicht sagen, dass ich jemanden kopiere, sondern ich sehe andere Leute primär als Inspiration. Damit schaffe ich den Spagat zwischen «sich abgrenzen» und «dazugehören wollen». Manchmal ziehe ich auch etwas an, wo mir die Kombination nicht so gefällt. Wenn ich dann aber dazu stehe und sage, das mache ich trotz allen Widrigkeiten, dann «owne» ich das halt einfach. Man muss sich selbst nicht immer so ernst nehmen.

Wo kaufst du deine Kleider ein?

Ich gehe eigentlich immer in Brockis. Den Flohmarkt finde ich jedoch etwas lässiger. Dort gibt es Leute, die einer gewissen Ästhetik folgen, was das Einkaufen einfacher macht. Aber ich finde es auch einfach nice, stundenlang durch Brockis zu ziehen. Ich will die Dinge oft nicht unbedingt kaufen. Ab und zu lache ich gerne darüber, was man da teilweise für Kleider findet. Kleidungsstücke, bei denen man sich fragt, wieso sie überhaupt designt und hergestellt wurden. Und dann hat sie noch jemand toll gefunden. Was in meinem Bekanntschaftskreis oft gemacht wird, sind Kleidertäusche. Ich kaufe in der Regel selten neu hergestellte Kleider, lasse mich
jedoch manchmal zu Spontankäufen hinreissen.

«Vielleicht bin ich schlussendlich einfach ein Zusammenschnitt von allem, was ich jemals bei anderen Leuten gesehen und als cool empfunden habe.»

Worauf achtest du beim Kleiderkauf?

Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Auch fair produzierte Kleider, die also unter fairen Arbeitsbedingungen von Textilarbeiter*innen hergestellt wurden, sind nicht unbedingt nachhaltig und werden oftmals mit dem Flugzeug eingeflogen. Deswegen greife ich schlussendlich am liebsten zu Secondhand. Ansonsten finde ich die Langlebigkeit von Textilien ein wichtiges Kriterium.

Wer ist dein Modevorbild oder woher holst du dir deine Inspiration?

Ich lasse mich vor allem von Leuten in meinem Umfeld, die sich ansprechend anziehen, inspirieren. Das geht wieder auf die Frage der Zugehörigkeit ein. Wie und wer möchte ich sein? Meine Mitbewohnerin hat zum Beispiel Folgendes immer gemacht: Sie hat kurze Hosen über lange Hosen angezogen und irgendwann habe ich gefunden, ich mache das genauso wie sie. Irgendwann verinnerlicht man das, und es wird plötzlich zum eigenen Style, oder zumindest Teil davon. Ich finde es schön, zu beobachten, wie das fluktuiert. Und ich habe grosse Achtung vor Leuten, die sich trauen, sich so anzuziehen, wie sie wollen. Das gibt mir den Mut, mich auch so zu kleiden, wie ich eigentlich will.

Wie würdest du deine Ästhetik beschreiben?

Meine Ästhetik würde ich folgendermassen beschrieben: viele Stilbrüche. Ich erfinde mich oft neu. Manchmal merke ich, dass mir ein Outfit, das mir eigentlich nicht so gefällt, nach mehrmaligem Tragen plötzlich ans Herz wächst. Gewisse Freund*innen von mir würden es als innovativ beschreiben. Einfach einmal alles, vor allem viel Farbe und ab und zu auch einfach komplett übertrieben. Ich glaube, «experimentell» beschreibt meine Ästhetik am besten.

Was ist für dich ein Fashion-No-Go?

Ich finde, Leute sollen sich so kleiden, wie sie wollen. Jedoch finde ich Fast Fashion per se ein No-Go aufgrund der ausbeuterischen und umwelt-zerstörerischen Textilindustrie. Ansonsten, finde ich, kann man alles «ownen»: einfach dazu stehen und durchziehen. Schlussendlich kann man es sowieso niemandem recht machen und Hauptsache ist, dass man selbst daran Freude hat.

Irgendetwas Besonderes auf deiner Wish-List?

Ich besitze bereits einen Delfin- und einen Pferdering und würde gerne noch einen weiteren Ring mit einem Tiermotiv haben. Das eilt jedoch nicht. Ich warte einfach auf den Moment, wo ich einen solchen Ring per Zufall finde.