Mit den Verschärfungen des Mietrechts könnte den Mietenden in Zukunft einfacher gekündigt werden.

Studis gegen die Mietrechtsreform

Das Parlament hat im September zwei Vorstösse zur Verschärfung des Mietrechts angenommen. Dagegen wurden Referenden ergriffen – auch der Verband der Schweizer Studierendenschaften beteiligt sich.

Serafin Jacob (Text) und Salomon Aengenheyster-Aber (Illustration)
2. Dezember 2023

Die Wohnsituation in Zürich ist notorisch angespannt. Stand letzten August stehen in der Stadt Zürich keine 150 Wohnungen leer, wie aus einer Medienmitteilung der Behörden hervorgeht. Es ist auch keine Besserung in Sicht: Jedes Jahr ziehen tausende Leute in die Stadt, die Zahl der Neubauten kann nicht mit der Zahl der Interessent*innen mithalten. Vor allem für Studierende mit geringen finanziellen Mitteln ist diese Situation prekär. Obwohl es für sie unter anderem durch das Jugendwohnnetz (Juwo) vergleichsweise billige Wohnungen gibt, sind diese beschränkt, die Wartelisten lang und nächstes Jahr steigen sogar nochmals die Mietzinsen.

Stand der Mietenden wird verschlechtert

Inmitten dieser schwierigen Lage sorgen zwei bürgerliche Vorstösse im Parlament, die Ende September mit grosser Mehrheit angenommen wurden, beim Mieterinnen- und Mieterverband (MV) und den linken Parteien für Sorge und Unverständnis. Einerseits geht es um die Untermiete: Neu kann nur noch mit expliziter Zustimmung der vermietenden Partei untervermietet werden, und die Dauer der Untermiete wird auf zwei Jahre beschränkt, wenn es im Mietvertrag nicht anders vorgesehen ist. Ein Antrag auf Untermiete kann von den Vermietenden leichter abgelehnt und der mietenden Partei bei Nichteinhaltung der Regelungen innerhalb von 30 Tagen gekündigt werden, zum Beispiel wenn eine Angabe beim Untermietvertrag falsch ist.

Zum anderen wird eine Kündigung wegen Eigenbedarf erleichtert, sodass die vermietende Partei die Räumlichkeiten selbst nutzen kann. Wo vorher noch ein «dringender» Eigenbedarf notwendig war, reicht nun ein «bei objektiver Beurteilung bedeutender und aktueller» Eigenbedarf. Allgemein wird der Stand für die Mietenden dadurch schlechter, insbesondere für Studierende, die ihre Wohnung oder ihr Zimmer untervermieten, um etwa
Auslandssemester zu absolvieren, oder für diejenigen, die in Untermiete leben.

Unmittelbar nach Annahme wurde seitens des MV ein «Doppelreferendum» gegen beide Initiativen lanciert, das unter anderem von der SP, den Grünen und dem Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) unterstützt wird – der höchsten Vertretung studentischer Interessen in der Schweiz. Der VSS argumentiert, dass Studierende besonders oft in Untermietverhältnissen lebten und die neuen Beschlüsse ihre Lage weiter erschwere, da diese noch weniger Wohnmöglichkeiten und teurere Mieten durch einfachere Mietendenwechsel zur Folge hätten.

HEV gegen «missbräuchliche Untermieten»

«Mit diesen zwei Gesetzesänderungen werden direkt die Interessen der Studierenden attackiert», sagt Luzian Franzini, Co-Generalsekräter des VSS. Mehr als die Hälfte der Menschen in der Schweiz wohnen zur Miete, wie aus einem Bericht des Bundesamtes für Statistik hervorgeht, bei den Studierenden ist der Anteil vermutlich noch höher.

Und auch Untermietverhältnisse sind weit verbreitet, insbesondere in den Hochschulstädten. Unverständnis zeigt Luzian Franzini der geplanten Erschwerung der Untermiete gegenüber, vor allem, weil es in der Schweiz damit kein Problem gebe, niemand störe sich daran.

Der Hauseigentümerverband (HEV) ist anderer Meinung – von ihrem Ex-Präsidenten Hans Egloff stammt die parlamentarische Initiative zur Untermiete. «Missbräuchliche Untermieten durch Verschleierungstaktik der Mietenden» würden mit der Gesetzesänderung verhindert, heisst es in einem Artikel des Verbands. Damit gemeint sind Untermieten, die zu einem deutlich höheren Preis als dem Mietzins angeboten werden, was zum Beispiel einige auf Airbnb inserierte Wohnungen betrifft. Der HEV stört sich daran, dass Mietende Geschäfte mit billigen Mietwohnungen machen würden, ohne die Vermietenden zu informieren. Doch dies ist schon heute nicht erlaubt, denn es bedarf einer Zustimmung, um Wohnungen oder Zimmer unterzuvermieten.

Der HEV betont, dass «ehrlichen, korrekt handelnden Mietenden» gegenüber kein Nachteil entstehen werde. Was die erleichterte Kündigung anbelangt, sei die Regelung nicht klar genug, es könne mit der geplanten Änderung jeweils Jahre dauern, bis Eigentümer*innen ihre eigenen Wohnungen zur Verfügung hätten, wenn die mietende Partei durch alle gerichtlichen Instanzen geht. «Angesichts der bescheidenen Auswirkungen der Mietrechtsanpassungen erweckt dies den Eindruck, dass die Referenden vor allem dem Aufbau einer politischen Drohkulisse dienen», kommentiert der HEV.

Carlo Sommaruga, Präsident des MV und SP-Ständerat aus Genf, widerspricht: Die Vorlagen vereinfachten es, Mietende auf die Strasse zu setzen. Insbesondere seien sie Teil einer Tendenz, das Gleichgewicht zwischen Mietenden- und Vermietendenseite zu destabilisieren. «Die Immobilienlobby ist im Parlament stärker vertreten als Kleinbesitzer*innen», sagt Sommaruga, mit ihrem Handeln verteidige der HEV das grosse Kapital.

VSS will ÖV-Gutscheine als Abfederung

Es seien ausserdem mehrere Gesetzesänderungen geplant, welche die Situation der Mietenden weiter verschärfen würden. So wird in der Wintersession abgestimmt, ob es schwerer werden soll, den Anfangsmietzins bei Neubezug einer Wohnung anzufechten, was eine Erhöhung der Mieten erleichtern würde. «Das Schweizer Mietrecht war bis vor kurzem noch ein ausgewogener Kompromiss», sagt auch Franzini vom VSS, doch sei dieser nun gefährdet.

Die Verschärfung ist vor allem für Studierende ein arger Schlag, insbesondere da weitere Kostensteigerungen anstehen. Der Referenzzinssatz, eine wirtschaftliche Kennzahl, die bei vielen Wohnungen den Mietzins beeinflusst, wurde angehoben und die ÖV-Preise werden um durchschnittlich 4,3 Prozent erhöht – in der zweiten Klasse sogar um 4,8. Der VSS sammelt nun aktiv Unterschriften für die zwei Referenden an Universitäten und setzt sich für eine Einführung von ÖV-Gut-scheinen an den Hochschulen ein, um die Situation abzufedern.

Angesichts des Engagements des VSS scheint es so, als würde der Verband seine Rolle in der Bundespolitik stärker als sonst wahrnehmen. Franzini wendet ein, die Situation sei derzeit speziell: «Der VSS ist traditionell immer sehr vorsichtig mit Initiativen und Referenden.» Das letzte Mal, als sich der VSS derartig aktiv an der Politik beteiligte, war 2010, als der Verband die Stipendieninitiative lancierte und eine schweizweite Vereinheitlichung der Ausbildungsbeihilfen gefordert wurde – die Initiative wurde in abgeänderter Form angenommen. Derzeit ist der VSS nicht nur bei den Mietreferenden aktiv, sondern auch an der sogenannten Europainitiative für mehr Kooperation mit Europa beteiligt. Dieser starke politische Einsatz sei notwendig, da sehr viele Studierende betroffen wären. «Wir sind nicht politischer als auch schon, es ist gerade einfach Zufall und hängt mit den Entwicklungen in der Politik zusammen», erklärt Franzini.

Schon bis Weihnachten müssen genügend Unterschriften gesammelt werden, doch Sommaruga macht sich diesbezüglich keine Sorgen. Kommen die 50’000 Unterschriften zusammen, wird wohl in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres darüber abgestimmt. Und obwohl die Stipendieninitiative seinerzeit nicht angenommen wurde, hatte sie doch ihre realpolitische Wirkung. Der angenommene Gegenvorschlag des VSS bewirkte, dass den Kantonen gegenüber Anreize geschaffen wurden, gewisse Standards bei der Stipendienvergabe zu beachten. Es wird sich noch zeigen, ob sich auch beim derzeitigen Engagement des VSS die Interessen der Studierenden durchsetzen können.