«Texte können auch aus rein stilistischen Gründen queer sein», meint Donat Blum. zVg (Foto)

Queeres Archiv

Donat Blum hat das erste deutschsprachige Magazin und Archiv für queere Literatur mitgegründet. Im Interview erzählt Blum, was einen queeren Text ausmacht und wie die Literaturszene sich noch entwickeln muss.

10. November 2023

Warum haben Sie sich entschieiden, «Glitter» zu gründen?

Vor etwa sieben Jahren, nachdem eine meiner lesbischen Autorinnenkolleginnen und ich gerade das Literaturinstitut in Biel abgeschlossen hatten, stellten wir fest, dass es kaum Möglichkeiten gab, queere Texte zu veröffentlichen. Es gab keine Medien, die sich ausdrücklich mit queerer Literatur befassten. «Glitter» war also die Idee, eine Plattform zu schaffen, eine Bühne für queere Literatur.

Was wollen Sie mit diesem Magazin vermitteln?

Es geht darum, queeren Texten Raum zu geben. Auf der einen Seite ermöglicht es, queeren Autor*innen ihre Arbeit zu veröffentlichen und sich dazu ermutigt zu fühlen im Wissen darum, dass es andere queere Autor*innen gibt. Andererseits geht es darum, queere Literatur in der deutschen Literaturszene zu etablieren. Auf diese Weise sollten grössere Verlage, Organisator*innen und alle Beteiligte erkennen, wie wichtig es ist, diese Literatur zu fördern.

Vor welchen Herausforderungen standen Sie bei der Gründung und Leitung eines queeren Magazins?

Damals gab es noch kein solches Magazin und Literaturzeitschriften erhielten in der Regel kaum finanzielle Unterstützung. In einigen Fällen waren sie sogar explizit ausgeschlossen. Eines unserer Hauptprobleme war also, finanzielle Unterstützung zu finden. Zuerst haben wir vor allem in queeren Kreisen Geld gesammelt, dann haben sich nach und nach auch größere Institutionen, wie zum Beispiel «Pro Helvetia», die Stadt Zürich, der Berliner Senat und andere, für uns interessiert.

Können auch Texte, in denen keine explizit queere Charaktere vorkommen, queer sein?

Ja klar, Texte können auch aus rein stilistischen Gründen queer sein oder weil sie von einer queeren Person geschrieben wurden.

Was macht einen literarischen Text zu einem queeren Text?

Queer kann als Identitätsbegriff verstanden werden, ein Überbegriff für LGBTQI+ Menschen. Oder aber als politischer Begriff, der sich kritisch mit geschlechtsbezogenen Machtverhältnissen und Beziehungen auseinandersetzt.

Was wünschen Sie für die Zukunft Ihres Magazin und für die queere Repräsentation in den Medien im Allgemeinen?

Bezüglich einer umfassenderen Diversifizierung besteht noch erheblicher Spielraum für Verbesserungen. Binär betrachtet bewegen wir uns immer weiter auf Gleichberechtigung zu. Also dass Frauen in der literarischen Welt die gleiche Aufmerksamkeit erhalten wie Männer. Und trotzdem sind lesbische Frauen auch im Literaturbetrieb noch immer weniger sichtbar als schwule Männer, und trans Autor*innen sind zum Beispiel kaum sichtbar.

Können Sie uns etwas über Ihr Vorhaben erzählen, das erste queere Literaturarchiv zu schaffen?

Wir wollen ein queere Literaturlexikon lancieren. Das Archiv wird nur ein Teil davon sein, Wir erarbeiten eine Website namens «qlitlex.org», auf der von verschiedensten Akteur*innen Artikel rund um queere Literatur veröffentlicht werden können. Und wir werden selber lexikalische Artikel beispielsweise über queere Autorinnen verfassen, Rezensionen von Büchern und literarischen Texten, oder alte und aktuelle Themen aus dem Bereich der queeren Literatur behandeln. Wir beabsichtigen auch alte «Glitter»-Texte auf dieser Website zu veröffentlichen. Die Plattform soll allen, die irgendetwas mit queer Literatur zu tun haben, auf einfache Art und Weise den Zugang zu Informationen ermöglichen, damit wir nicht alle immer wieder von Neuem von Grund auf recherchieren müssen. Unser Ziel ist es, eine umfassende Ressource, die alle relevanten Informationen über queere Literatur sammelt, zur Verfügung zu stellen.