Hat alle Hände voll zu tun: die neue VSETH-Präsidentin Julia Bogdan.

«Man kriegt nie wirklich eine Pause vom Studium»

Julia Bogdan ist die neue Präsidentin des VSETH und in dessen 161-jährige Geschichte erst die vierte Frau in dieser Postion. Sie möchte eine neue Vereinsstruktur und setzt sich für psychische Gesundheit ein.

1. November 2023

Welche Ziele hast du für deine Amtszeit als neue Präsidentin des VSETH?

Ein Projekt, das vor meiner Amtszeit begonnen wurde und das ich gerne beenden möchte, ist eine Reform der Exekutivstruktur des VSETH. Dadurch, dass der Vorstand in den letzten Jahren immer professioneller geworden ist, sind auch mehr Aufgaben dazu gekommen. Die Idee ist, den Vorstand mit neuen Teams zu entlasten, die Aufgaben übernehmen und eng mit dem Vorstand zusammenarbeiten. Auch mit dem Neubau des Centre for Students and Entrepreneurs, das Raum für Zusammenarbeit zwischen studentischen Organisationen und unternehmerischen Initiativen bieten wird, möchte ich weiterkommen, also schauen, dass es gut über die Runden kommt. Auf ETH-Level würde ich gerne das PAKETH, die Reform des akademischen Kalenders, weiter unterstützen, damit wir da als Studis gut repräsentiert sind.

Worum handelt es sich beim PAKETH?

Seit zwei Jahren überlegt sich die ETH, ihren akademischen Kalender zu reformieren. Es geht darum, zu reevaluieren, wann zukünftig Leistungskontrollen stattfinden sollen, wie lange die Lernphasen dauern sollen und wann man den Studis nicht nur vorlesungsfreie, sondern komplett freie Zeit einräumt und die Möglichkeit schafft, in dieser Zeit Praktika zu machen.

Welche Themen willst du neu angehen?

Ich habe mir noch nichts Neues vorgenommen. Mit den bereits initiierten Projekten werde ich dieses Semester gut beschäftigt sein. Zudem ist der Vorstand ein bisschen unterbesetzt, was es schwieriger macht, gerade jetzt neue Themen zu behandeln.

Du bildest mit neun weiteren Studierenden einen fast völlig neu besetzten Vorstand. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?

Die ersten Wochen waren für uns sehr intensiv. An einem Vorstandswochenende haben wir uns besser kennengelernt und geschaut, wie wir als Team zusammenarbeiten können. Es ist auch eine Herausforderung, dass nicht alle Vollzeit im Vorstand sind, also nebenbei noch studieren. Das erfordert eine Koordination, an die wir uns erst gewöhnen müssen.

Was beschäftigt die Studierenden besonders?

Wenn ich übervolle Hörsäle sehe, in denen Personen auf dem Boden sitzen müssen, denke ich, dass die Studierenden schon merken, dass es immer mehr Mitstudierenden gibt und es dieses Wachstum für sie schwieriger macht. In Übungsstunden gibt es zum Beispiel ein schlechteres Verhältnis von Lehrenden zu Lernenden. Auch ein Thema ist, dass wenig Zeit für ein Praktikum oder für Ferien da ist. Man kriegt nie wirklich eine Pause vom Studium. Kaum sind die Prüfungen vorbei, beginnt meist schon das neue Semester.

Die 2019 vom Verband initiierten Umfrage «WiegETHs?» hat ergeben, dass 23 Prozent der befragten Studierenden ihre psychische Gesundheit als sehr schlecht bis eher schlecht oder schwankend einschätzen. Wo siehst du die Ursachen dafür und willst du dich für die psychische Gesundheit der Studis einsetzen?

Ich fühle mich nicht qualifiziert, mich über die Ursachen zu äussern. Aber ich will mich sicher dafür einsetzen. Gerade im PAKETH sehe ich eine gute Möglichkeit, den Studierenden an der ETH auch mal eine richtige Pause zu geben. Ansonsten passieren auch viele Sachen auf VSETH-Ebene oder in den Fachvereinen, um die Studis zu unterstützen, zum Beispiel verschiedene Mentoring-Programme, die versuchen, auch Anlaufstelle für Schwierigkeiten im Studium zu sein.

Mit einem Anteil von knapp 33 Prozent sind Frauen an der ETH weiterhin unterrepräsentiert. Du selbst bist erst die vierte Präsidentin in der 161-jährigen Geschichte des VSETH. Wie können ETH und VSETH für mehr Gleichberechtigung sorgen?

Es fängt schon dort an, dass man Mädchen und jungen Frauen zeigt, dass sie auch Fächer studieren können, die ein wenig «untypisch» für Frauen sind. Die ETH macht sehr vieles, um sie schon ab der Kanti abzuholen. Aber als VSETH können wir auf dieser Ebene nicht viel machen, da wir uns primär mit den Studierenden an der ETH beschäftigen und nicht mit Schülerinnen und Schülern, die noch nicht an der ETH sind. Im Vorstand sind unter den Aktiven oft viele Frauen.

Erst kürzlich beschuldigten ehemalige ETH-Forscherinnen
einen Professor der sexuellen Belästigung und des Machtmissbrauchs. Vier Jahre zuvor kam es zu einem ähnlichen Vorfall. Kritik gab es bei diesen Fällen unter anderem an der Kommunikation und am Umgang mit den Vorfällen seitens ETH. Wie bewertet der VSETH den Umgang an der ETH Zürich mit solchen Fällen?

Das ist ein sehr sensibles Thema. Es gibt dazu auch Diskussionen bei uns. Wir verfolgen das immer und sind auch mit der ETH in Kontakt, um über diese Sachen zu reden und zu sehen, ob es etwas gibt, was wir seitens VSETH machen können.

Die Schweiz ist heute weder bei Erasmus Plus noch bei Horizon Europe assoziiert. Wie beurteilst du die aktuelle Lage und was forderst du von der Politik?

Ich finde es sehr schade, dass es nicht mehr Zusammenarbeit gibt, und hoffe, dass wir in Zukunft mehr Chancen haben. Es ist ein Nachteil für ETH-Studierende, dass sie nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie Studierende anderer Unis. Wenn man
andere Forschungsinstitute gesehen hat und dort Erfahrungen sammeln konnte, ist das von grossem Vorteil für Studierende.