Weniger Autos, mehr Grün
Der Verein Umverkehr will die Städte freundlicher für Fussgänger*innen und Velos machen. Dabei setzt er vor allem auf Arbeit mit der Community, etwa in Form einer «Wanderbaumallee».
Auf dem angezeichneteten Abstellplatz reiht sich Velo an Velo, aus
der Rösterei an der Nummer 45 riecht es nach Kaffee. Die rege genutzte Strasse ist durch Parkplätze der blauen Zone vom Trottoir getrennt. Die meisten von ihnen sind besetzt. Heute stehen hier Autos, doch noch vor wenigen Tagen standen auf den Parkplätzen am vorderen Ende der Zentralstrasse im Zürcher Kreis 3 zehn Bäume in kleinen Holzkarren.
Im Rahmen des Projekts «Wanderbaumallee» touren die Karren seit Mai durch die Stadt, um die Strassen zu begrünen und zu beleben. Organisiert ist das Ganze vom Verein Umverkehr. Seit der Gründung im Jahr 1992 politisiert der Verein für umweltfreundlicheren und platzsparenden Verkehr.
Fokus auf die Städte statt auf die Agglomeration
Das momentan grösste Projekt von Umverkehr sind die beiden Stadtklima-Initiativen, die zurzeit in zehn Schweizer Städten und Gemeinden hängig sind. Die Initiativen fordern mehr Grünfläche in der Stadt wie auch mehr Platz für Velos und Fussgänger*innen.
In St. Gallen sind die Gegenvorschläge bereits rechtskräftig.Silas Hobi, Geschäftsleiter des Vereins, zeigt sich zuversichtlich, dass auch in weiteren Städten Erfolge verbucht werden können: «Wir versuchen eigentlich immer, unsere Inhalte so zu framen, dass gar niemand dagegen sein kann». Der politische Erfolg war Umverkehr aber nicht von Beginn an geebnet.
Die Verkehrshalbierungsinitiative, die im Jahr 2000 zur
Abstimmung kam und in deren Zusammenhang der Verein gegründet wurde, lehnte das Stimmvolk damals mit 78,5 Prozent Nein-Stimmen deutlich ab: Ein herber Rückschlag. Danach kam es beim Verein zu einem internen Strategiewechsel: Neu habe man sich klar auf die Städte statt auf die Agglomeration und das Land fokussiert, so Hobi. «So ist dann auch die Städte-Initiative entstanden, bei der wir ja riesigen
Erfolg hatten. Damals hat uns Michael Hermann, Politologe von Sotomo, die steilste Lernkurve im Land attestiert.»
Die Städte-Initiative, die in verschiedenen Schweizer Städten zur Abstimmung kam, forderte im Jahr 2010, dass der Autoverkehr nicht mehr weiter zunehmen dürfe oder zum Teil sogar abnehmen müsse. Auf Annahme der Initiative oder dem jeweiligen Gegenvorschlag haben sechs Schweizer Städte die umweltverträgliche Mobilität gesetzlich verankert.
«Ich denke, das hat in der städtischen Verkehrspolitik einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der sich bis heute bewährt», erzählt Hobi. Der Verein finanziert sich durch Spenden, Projektbeiträge und Mitgliederbeiträge. Die rund 5'000 Mitglieder können dabei zwischen drei Mitgliederbeiträgen aussuchen und sich selbst als Nicht- oder Wenigverdienende, Normalverdienende oder Gutverdienende einstufen. Die Beträge reichen von 30 Franken bis 120 Franken jährlich.
Das Schöne an Mitgliederbeiträgen sei, dass der Verein so unabhängiger und resilienter sei, so Hobi. «Wir hatten verschiedene Krisen in den letzten Jahren, wie Corona und den Ukrainekrieg, aber so kleine Beträge vermögen die Leute trotzdem zu geben.»
«Eine Kampagnenorganisation, kein Verkehrsplanungsbüro»
Die Arbeit des Vereins besteht in erster Linie aus Kommunikation und Arbeit mit der Gemeinschaft: «Wir setzen stark auf die Partizipation unserer Community. Deshalb pflegen wir auch so einen regen Austausch».
Auf die Frage, ob sich bei ihnen auch jemand mit Verkehrsplanung beschäftige, sagt Hobi: «Wir sind eine Kampagnenorganisation, kein Verkehrsplanungsbüro». Sie hätten sich jedoch in den letzten Jahren einiges an Know-How in der Verkehrsplanung angeeignet und immer wieder Fachleute einbezogen.
Für sofort umsetzbare Vorlagen seien aber Stadtrat und Parlament zuständig. Umverkehr will vor allem politisch einen Schritt weiterkommen. Ganz in diesem Sinne stehen als nächstes die Stadtklima-Initiativen an: Ein Teil der Strassen soll nämlich üppig begrünt werden, um so die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Die Wanderbaumallee trägt weiterhin auf ihre Art dazu bei – und sorgt garantiert für mehr Sichtbarkeit des Vereins und seiner Ziele.